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Fitness 4.0 erobert die Arbeitswelt

Von Andrea Möchel

Wirtschaft
Fitness-Check: Schritte und Kalorien zählen ist zum Volkssport geworden. Das nutzen auch Unternehmen.
© fotolia/RioPatuca Images

Digital-Health-Programme machen der Belegschaft Beine und Datenschützern Kopfzerbrechen.


Wien. Die Vermessung der eigenen Körperfunktionen per App, Fitness-Armband oder Computer-Uhr ist mittlerweile ein Volkssport. Die Bandbreite der webbasierten Gesundheits- und Fitnesstools reicht vom Pulsmesser im Büstenhalter bis zur intelligenten Zahnbürste, mit der man Zahnputz-Aktivitäten optimieren kann. Nun gewinnt die sogenannte Quantified-Self-Bewegung auch in der betrieblichen Gesundheitsvorsorge zunehmend an Bedeutung.

In den USA erfreuen sich Workplace-Wellness-Programme schon jetzt großer Beliebtheit. Ziel ist es, die Mitarbeiter zu einem gesunden Lebensstil zu motivieren. Die Teilnehmer werden immer häufiger mit sogenannten Wearables, das sind tragbare Sensoren zum Beispiel in Armbändern oder in der Kleidung, ausgestattet. Mit ihnen können Bewegungsdaten wie Schritte samt Kalorienverbrauch oder gesundheitsrelevante Daten wie die Schlafdauer gemessen werden. Jene, die ihr Fitnessziel erreichen, erhalten vom Arbeitgeber Prämien. Dieser spart sich wiederum Krankenversicherungsbeiträge und freut sich über produktivere, weil gesunde Mitarbeiter.

Gesundheitsförderungdurch Digitalisierung

Dass der Trend auch in Europa angekommen ist, belegt der Programm-Schwerpunkt der diesjährigen Corporate Health Convention, die Anfang Mai in Stuttgart stattgefunden hat. Die größte deutsche Plattform zum Thema Gesundheit am Arbeitsplatz ging dabei der Frage nach, wie man die Mitarbeitergesundheit angesichts zunehmender Digitalisierung fördern und erhalten kann. Die Antwort: "Die Digitalisierung ist nicht nur Teil des Problems, sondern auch Teil der Lösung", erklären die Messe-Initiatoren. "Zum einen verändert sie Arbeitsformen und Belastungen, zum anderen führt sie zu smarten Produkten und clever kombinierten Dienstleistungen, die Gesundheitsförderung effektiver und attraktiver machen." Als Vorteil der Online-Fitnessprogramme gilt, neben der permanenten Verfügbarkeit via Smartphone und Apps, vor allem die individuelle Motivation der Mitarbeiter.

Messbare Ergebnisse zur Erfolgskontrolle

"Betriebliches Gesundheitsmanagement kommt bei vielen Arbeitnehmern nicht an oder wird als statisch und zu wenig passend für individuelle Erfordernisse oder Interessen empfunden", weiß Stefan Richard, Leiter der Abteilung Sales & Marketing beim Start-up "Preventicus". Das Unternehmen setzt als Spezialist für die Früherkennung von Risikofaktoren für Herzinfarkt und Schlaganfall auf Prävention per Smartphone. "Das bringt persönliche Empfehlungen für jeden Einzelnen und messbare Ergebnisse zur Erfolgskontrolle für das Unternehmen", sagt Richard. Ähnliches versprechen Unternehmen wie dacadoo oder Wellmo.

Auch die Europäische Kommission hat das Potenzial des Digital-Health-Booms erkannt. Laut EU-Kommission werden Mobile-Health-Dienste in Zukunft eine große Rolle in den europäischen Gesundheitssystemen spielen. Da Gesundheits-Apps viele personenbezogene Daten wie Identität, sportliche Aktivität oder Medikamenteneinnahme sammeln können, weist die EU-Kommission zugleich auf die Notwendigkeit eines umfassenden Datenschutzes hin. "Apps sind eines der größten ‚Einfallstore‘ für Unternehmen, die persönliche Daten über Nutzer sammeln", warnt Wolfie Christl vom Wiener Forschungsinstitut Cracked Labs. Er hat Ende 2014 im Auftrag der Arbeiterkammer die Studie "Kommerzielle digitale Überwachung im Alltag" veröffentlicht und dabei auch Gesundheits-Anwendungen unter die Lupe genommen: "Mit Fitness-Trackern oder -Armbändern überwachen sich Konsumenten im Dienste ihrer Gesundheit nicht nur selbst, sondern liefern auch Facebook-Freunden und Firmen Daten über Puls, Schlaf und Gewicht."

Sportliche zahlen weniger für die Krankenversicherung

Das weckt seitens der Unternehmen jede Menge Begehrlichkeiten. Christl: "Die meisten Anbieter von derartigen Geräten und Apps arbeiten momentan wie wild an ihren zukünftigen Geschäftsmodellen, kooperieren im Rahmen von betrieblichen Vorsorgeprogrammen mit großen Unternehmen und verhandeln mit Versicherungen."

So wirbt der US-Marktführer bei Fitnessarmbändern Fitbit mit Angeboten für Versicherungen und arbeitet im Rahmen betrieblicher Gesundheitsprogramme bereits mit vielen großen Unternehmen zusammen. "Bei der US-Firma Appirio stellen etwa tausend Angestellte freiwillig ihre mit Fitbit gemessenen Gesundheitsdaten zur Verfügung. Die Firma konnte dadurch mit der betrieblichen Krankenversicherung eine jährliche Ermäßigung von 300.000 US-Dollar ausverhandeln", weiß Christl.

Auch Angestellte des Ölkonzerns BP werden dazu angehalten, mit Fitbit eine Million Schritte pro Jahr zu erreichen - dadurch können sich Mitarbeiter 1200 US-Dollar an jährlicher Krankenversicherungsprämie ersparen. "Das ist ein durchaus starker Anreiz", gibt Christl in seiner Studie zu bedenken. "Es bedeutet umgekehrt aber auch: Wer nicht teilgenommen oder das ‚spielerische‘ Ziel nicht erreicht hat, wird bestraft und bezahlt spürbar mehr."