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Billiges Getreide - teures Brot

Von Petra Tempfer

Wirtschaft

Die heurige Getreideernte soll überdurchschnittlich gut ausfallen. Trotz niedriger Preise wird Brot nicht billiger.


Wien. Zuerst die gute Nachricht: Die heurige Getreideernte in Österreich -ohne Mais -soll im Vergleich zum trockenen Vorjahr um 16,3 Prozent auf 3,7 Millionen Tonnen steigen und damit über dem Fünf-Jahres-Durchschnitt von 3,1 Millionen Tonnen liegen. Zählt man den Mais dazu, soll die Getreidemenge sogar um 17,3 Prozent auf 5,7 Millionen Tonnen zulegen, hieß es von der Agrarmarkt Austria (AMA) am Mittwoch. Die Wetterextreme wie der Spätfrost Ende April und der fast schon wöchentliche Hagel hätten dem Getreide somit nicht geschadet, davon seien vor allem Obst- und Weinkulturen betroffen.

Es gibt allerdings auch eine schlechte Nachricht. Genau genommen sind es zwei schlechte Nachrichten, und zwar für Bauern und Konsumenten. Denn einerseits seien aufgrund der großen Getreidemenge der Eiweißgehalt und damit die Qualität geringer - und daher die Preise für die Bauern niedriger, sagte AMA-Vorstandsvorsitzender Günter Griesmayr. Andererseits wird dadurch das Brot für den Konsumenten nicht billiger. Ganz im Gegenteil.

Kornspitz in 30 Jahren um 170 Prozent teurer

Denn während der Preis für Brotgetreide in den vergangenen 30 Jahren um fast die Hälfte gesunken ist, ist jener für einen Kornspitz laut der Konsumerhebung der Statistik Austria um 170 Prozent gestiegen. Eine Preisregelung für Schwarzbrot und Semmeln gibt es seit den 70er Jahren nicht mehr. Allein gegenüber dem Juni des Vorjahres haben sich im heurigen Juni Brot und Getreideerzeugnisse laut Mikrowarenkorb für den typischen täglichen Einkauf um 1,5 Prozent verteuert. Die Getreidepreise hingegen sind aktuell wieder relativ niedrig, an der Pariser Warenterminbörse Euronext kostet eine Tonne Weizen 169,25 Euro. Einzelne westliche EU-Länder wie Frankreich melden zwar einen Erntemengen-Rückgang, weltweit wird aber laut AMA eine sehr gute Getreideernte erwartet. Die Lager seien ebenfalls gut gefüllt. Die Getreidepreise werden daher voraussichtlich niedrig bleiben.

"Getreidepreis und Mehlpreis sind zwei Paar Schuhe"

Warum das so ist, erklärt Johann Ehrenberger, Bundesinnungsmeister-Stellvertreter der Bäcker in der Wirtschaftskammer Österreich, folgendermaßen: Der Mehlpreis mache nur wenige Prozent des Brotpreises aus. Der weitaus größere Teil, rund 50 Prozent, werde von den Arbeitskosten bestimmt, und diese seien aufgrund der Nachtstunden hoch und zudem gestiegen. Weitere Zutaten, Verpackung, Betriebskosten, Miete und Transportkosten bildeten den Rest.

"Getreidepreis und Mehlpreis sind zwei Paar Schuhe", so Ehrenberger zur "Wiener Zeitung". Eine schlechte Getreidequalität mache die Herstellung sogar teurer, weil sie mehr Aufwand und Zeit für die Mühlen bedeute, um hochwertiges Brot daraus zu backen.

Das Bäckersterben geht laut Kreditschutzverband 1870 dennoch ungebremst weiter. Der Branche mache vor allem die Konkurrenz von Supermärkten, die vermehrt Backshops haben und vorgefertigte Produkte zu niedrigen Preisen verkaufen, zu schaffen.

Diese Produkte wie tiefgekühltes Brot oder Aufbacksemmeln kommen oft aus dem Ausland wie Deutschland oder Polen. Dass damit auf Umwegen aus Österreich exportiertes Getreide wieder importiert wird, ist laut Christian Gessl, Abteilungsleiter bei der AMA, freilich möglich. Der Handel mit den Nachbarländern mit verarbeitetem Getreide wie Tiefkühlwaren oder Teigwaren funktioniere aber in beide Richtungen gut.

Grundsätzlich importiert Österreich mehr Getreide als es exportiert. Durch die gute Ernte soll heuer die Getreide-Nettoimportmenge zwar von 800.000 Tonnen im Vorjahr auf 200.000 Tonnen sinken, dennoch wird Österreich auch dieses Jahr mehr importieren als exportieren. Die Hochrechnungen für 2016 belaufen sich laut Gessl auf 1,7 Millionen Tonnen Getreide-Importe und 1,5 Millionen Tonnen Exporte. Im Vorjahr war die Menge der Exporte etwa gleich hoch wie heuer, jene der Importe lag - wegen der schlechteren Ernte - bei 2,3 Millionen Tonnen, woraus die erwähnte Nettoimportmenge von 800.000 Tonnen resultiert.

Dass die Importe überwiegen, ist laut Gessl durchaus erwünscht. Denn die Getreideverarbeitung schaffe Arbeitsplätze, außerdem liege der Importwert mit 213 Euro pro Tonne unter dem Exportwert von 310 Euro pro Tonne. Es sei eine Win-win-Situation, ergänzt Griesmayr. 40 Prozent der Importe kommen aus Ungarn, der Rest aus der Slowakei, Tschechien und Deutschland. Haupt-Exportland ist Italien, etwa 65 Prozent der Exporte fließen dorthin. Vor allem der Durumweizen, ideal für die Nudelerzeugung, ist laut Griesmayr unter den Italienern beliebt.

Bauern wechseln zu lukrativeren Getreidekulturen

Österreich selbst setzt indes zunehmend auf Biogetreide. In den vergangenen acht Jahren sind die Bio-Ackerflächen laut AMA um 34,5 Prozent auf heute 129.000 Hektar gewachsen. Die gesamte Getreideanbaufläche ist 570.286 Hektar groß. Aufgrund des niedrigen Preisniveaus wechseln die Bauern generell zu lukrativeren Getreidekulturen wie Hartweizen (Anbaufläche 2016 plus 22 Prozent) und Dinkel (plus 24 Prozent).

Angesichts der angespannten Einkommenssituation der Bauern - auch bedingt durch das Erzeugerpreistief bei Milch und Schweinefleisch - hat der Ministerrat im Juli beschlossen, dass alle land- und forstwirtschaftlichen Betriebe heuer einen Quartalsbeitrag für die Sozialversicherung ausgesetzt bekommen. Die nötigen 170 Millionen Euro werden aus Rücklagen der Sozialversicherung bereitgestellt. Bis 2019 werden diese aber nachzuzahlen sein. Dann könne man sich die Aktion gleich sparen, hieß es dazu von der AMA.