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Jedes Jahr ein neuer Rekord

Von Matthias Nagl

Wirtschaft

Die Frage nach der Zukunft des Wintertourismus wird zunehmend mit Superlativen beantwortet.


Innsbruck. "Der letzte Winter war ein Zukunftsszenario", sagt Ralf Roth. Der Leiter des Instituts für Natursport und Ökologie an der Deutschen Sporthochschule Köln spricht von der langen Zeit vergleichsweise hoher Temperaturen und bis ins Mittelgebirge niedriger Schneehöhen, die praktisch den gesamten Winter prägten. Roth arbeitet mit zwei weiteren Forschern im Auftrag von AlpNet, einem Zusammenschluss von acht alpinen Tourismusregionen, federführend an einer Studie zur Zukunft des Wintertourismus in den Alpen. Glaubt man Roth, wird die Zukunft für sehr viele Tourismusregionen herausfordernd. Der Klimawandel macht dem Wintertourismus das Leben schwer, vor allem auch in Österreich.

Zwar schränkt der deutsche Wissenschafter seine Prognose ein: "Insbesondere für die nahe Zukunft sind standortbezogene Wintersportrahmenbedingungen wie Temperatur, Niederschlag und Schneedeckenandauer nicht vorhersagbar", erklärt Roth. Doch dass das Leben für Skigebiete schwieriger wird, zeigt schon der Blick in die jüngere Vergangenheit. Der Großteil der österreichischen Skigebiete, auch in den Tourismushochburgen, ist vom Wandel betroffen. Selbst in Tirol reichen knapp 60 Prozent der Skigebiete nicht deutlich über 2000 Meter Seehöhe hinaus (Stand 2014; "Wiener Zeitung"-Recherche). Da sind zwar viele Klein- und Kleinstskigebiete mit nur wenigen Liften dabei, aber auch renommierte Namen wie Kitzbühel, der Patscherkofel oder die Skiwelt Wilder Kaiser, lange Zeit Österreichs größtes Skigebiet.

Skigebiete, die deutlich über 2000 Meter hinausreichen, können in Zukunft sogar mit zunehmenden Schneemengen rechnen, jene darunter müssen sich auf abnehmende Schneemengen einstellen. Dabei ist die Lage in anderen Bundesländern noch deutlicher. In Salzburg reichen 75 Prozent der Skigebiete nicht deutlich über 2000 Meter hinaus, darunter sind bekannte Skigebiete wie Flachau oder Zell am See. In der Steiermark sind es gar mehr als 90 Prozent.

Der Winter bringt das Geld

Ohne Schnee braucht es aber einen starken Imagewandel. "Schnee ist elementar. Schnee-Erlebnisse sind einzigartig und aus diesem Grund nicht zu ersetzen", sagt Hubert Siller, Leiter des Departments für Tourismus und Freizeitwirtschaft am Management Center Innsbruck. Das Tourismusmodell der Alpenregionen und Österreichs im Speziellen baut unverändert stark auf dem Winter, also dem Schnee, auf.

Dabei sind die Alpen laut den Studienautoren EU-weit eine der stärksten Tourismusregionen. 14,4 Prozent aller entgeltlichen Übernachtungen von Touristen in den 28 EU-Ländern entfielen 2015 auf den Alpenraum, wo jedes zweite Bett ein kommerziell verwertetes ist. Zählt man Zweit- und Freizeitwohnsitze dazu, kommt man auf nahezu jede fünfte touristische Übernachtung, die EU-weit im Alpenraum getätigt wird. Dabei gibt es einen Überhang in der Wintersaison.

Noch stärker wird dieser Überhang, wenn man sich auf die Wertschöpfung konzentriert. "Zwei Drittel der touristischen Wertschöpfung entstehen im Winter", erklärt Siller. Das trifft speziell auf die Regionen im Zentrum der Alpen zu, in Österreich Salzburg, Tirol und Vorarlberg. Dabei überragt die betriebswirtschaftliche Bedeutung des Winters noch jene für die Volkswirtschaft. "Für die einzelnen Betriebe in diesen Regionen ist die Bedeutung des Winters noch größer", sagt Siller.

Österreich setzt auf Export

Österreich setzt dabei besonders stark auf den Export seiner touristischen Leistungen. In der Schweiz, Italien und Frankreich kommt die Mehrheit der Skifahrer aus dem Inland. Neben Österreich generiert nur Andorra mehr Skifahrertage aus dem Ausland als aus dem Inland. Aufgrund dieser Exportorientierung kommt zum Klimawandel noch eine weitere, davon unabhängige Herausforderung in Sachen Marketing dazu.

In der Außenwahrnehmung wird sich viel auf die stimmigsten, weithin bekannten Marken konzentrieren. Destinationen, die sich als Netzwerk verstehen und deren Leistungsträger möglichst einer gemeinsamen Strategie folgen, würden im Außenauftritt deutliche Wettbewerbsvorteile haben, erklärte Tourismusberater Reinhard Lanner diese Woche beim Tourismusdialog der Region Schladming-Dachstein. Das gilt für international orientierte Regionen noch stärker als für regional verankerte Skigebiete und ist eine weitere Hürde für kleine, niedrig liegende Skigebiete.

"Die Kleinen in ihren Nischen werden es schwer haben", prognostiziert Harald Pechlaner, Leiter des Instituts für Regionalentwicklung und Standortmanagement an der Europäischen Akademie Bozen. Vor diesem Hintergrund spielt sich auch der Trend zu Skigebietszusammenschlüssen ab. Im vergangenen Winter krönte sich Saalbach-Hinterglemm gemeinsam mit Fieberbrunn zum größten Skigebiet Österreichs.

Der Titel hielt aber nur für einen Winter, ab der kommenden Saison trägt ihn der Zusammenschluss zwischen Lech und Zürs in Vorarlberg sowie St. Anton in Tirol. Es ist eines der Skigebiete, das weit über 2000 Meter Seehöhe hinausreicht. Die neuen Rekordhalter hätten also auch alleine schon gute Voraussetzungen für die Zukunft und geben mit ihrer Fusion einen Fingerzeig in die Zukunft des Skitourismus.