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Trennung unter Hochspannung

Von Marina Delcheva

Wirtschaft

Die bevorstehende Trennung des deutsch-österreichischen Strommarkts könnte zur Standortfrage werden.


Wien. Anfang November entscheidet die europäische Regulierungsbehörde (Acer) darüber, ob sie den gemeinsamen Strommarkt zwischen Österreich und Deutschland trennt. Entsprechende Gespräche soll es am 8. November geben. Der Grund dafür ist der massive Ausbau von erneuerbaren Energien in Deutschland und damit einhergehende Überschüsse. Heimische Energiekonzerne, Industriebetriebe und der Regulator E-Control sind von einer Strommarkt-Trennung allerdings gar nicht begeistert. Denn die könnte einen deutlichen Preisanstieg mit sich bringen.

"Wir kämpfen bis zur letzten Minute für die Erhaltung der gemeinsamen Preiszone", sagt Ernst Brandstetter, Sprecher der Österreichischen E-Wirtschaft. Die E-Control hat schon angekündigt, die Trennung anzufechten.

Überschuss aus Deutschland

Zum Hintergrund: Österreich bildet gemeinsam mit Deutschland und Luxemburg seit 2002 einen gemeinsamen Strommarkt. Das bedeutet also, dass der Strom über gemeinsame Börsen zu den gleichen Preisen gehandelt wird. Nachdem Deutschland 2011 den Ausstieg aus der Atomkraft beschlossen hat, hat es massiv in den Ausbau erneuerbarer Energien investiert. Das hat zu einem Überangebot am Strommarkt geführt und damit zu einem deutlichen Preisverfall, auch in Österreich. Der Großhandelspreis für eine Megawattstunde beträgt heute rund 25 Euro. 2009 lag er noch bei 70 Euro.

Finanziert wird das großteils von den deutschen Haushalten, die relativ hohe Öko-Stromförderungen zahlen. Und davon profitieren naturgemäß auch die heimischen Verbraucher in Form von billigem Strom aus Deutschland. Die Belastung der dortigen Haushalte ist einer der Hauptgründe, warum Deutschland nun so hartnäckig eine Trennung der Strommärkte und der Einführung von Mengenbeschränkungen fordert.

Derzeit ist es dort so, dass der im Norden dank unzähliger Windräder produzierte Strom nicht in den Süden gelangen kann. Dafür sind die deutschen Hochspannungsleitungen zu schwach. Gleichzeitig liegt die energieintensive Industrie aber im Süden des Landes.

Der Strom nimmt also den Umweg über Polen, Tschechien und gelangt dann teilweise wieder über Österreich nach Bayern. Weil dieser Umweg aber Polens und Tschechiens Leitungen strapaziert und Polen zudem seinen Kohle-Strom schwieriger absetzen kann, fordern beide Länder von Deutschland, einen künstlichen Engpass an der deutsch-österreichischen Grenze zu erzeugen. Dann müsste der Strom aus Deutschland in Auktionen an der österreichischen Grenze teurer gekauft werden.

Deutschland könnte auch seinen eigenen Strommarkt in zwei Preiszonen teilen. Dann würden aber die südlichen Industrieländer Bayern und Baden-Württemberg deutlich höhere Strompreise zahlen, weil ja dort ein Engpass entstünde. Das ist allerdings innenpolitisch kaum durchzubringen, also will man nun die Mengen aus Österreich drosseln. "Das ist technisch überhaupt nicht notwendig und widerspricht einem europäischen Energie-Binnenmarkt", sagt Ingun Metelko, Sprecherin des heimischen Energieerzeugers Verbund.

Derzeit fließen laut E-Wirtschaft 16,1 Terrawattstunden an Strom aus Deutschland nach Österreich und 3,2 Terrawattstunden aus Österreich nach Deutschland. Die entscheidende Frage ist, auf wie viel der Stromfluss in beide Richtungen gedrosselt wird. Sollte die Strommarkttrennung beschlossen werden, und davon geht man derzeit aus, wird die Umstellung wohl noch rund zwei Jahre dauern.

"Wenn Märkte kleiner werden, steigt der Preis zwangsläufig", meint Metelko. Verbund-Vorstand Wolfgang Anzengruber rechnet mit einem Preisanstieg von 15 Prozent und damit mit rund 300 Millionen Euro mehr pro Jahr. "Wenn unsere Erzeuger so billig produzieren könnten, würden wir keine Kraftwerke abstellen", meint E-Control-Vorstand Andreas Eigenbauer und verweist auf derzeit nicht rentable heimische Gaskraftwerke, die zum Teil eingemottet sind. Anders als etwa bei Windkraft wird Strom aus Gas aber auch aus Wasserkraft nicht gefördert.

Verteuerung in Österreich

Dass auch die heimischen Energieerzeuger gegen die Strommarkttrennung sind, ist auf den ersten Blick verwunderlich. Denn ohne die billige Konkurrenz aus Deutschland können sie mehr eigenen Strom zu höheren Preisen absetzen. Wenn der Stromfluss zwischen den Ländern gedrosselt wird, muss aber jedes Land wieder selbst Kapazitäten schaffen und kann nur schwer oder teuer ausweichen. Langfristig, so der Tenor unter den Erzeugern, profitieren auch sie nicht von der Markttrennung. Die Höhe der Energiepreise ist für die energieintensive Industrie eine Standortfrage. Sollte die Produktion nun in Österreich durch einen Preisanstieg deutlich teurer werden, werden wohl wieder einige Betriebe mit Abwanderung drohen.

Wenig Freude mit der Energiewende in Deutschland hat auch OMV-Chef Rainer Seele. Er forderte vor kurzem eine "Anti-Merkel-Energiewende". Die OMV hat erst kürzlich ihren Ausstieg aus "Nord Stream 2" verkündet, weil sich Polen gegen das Projekt quer gelegt hat, das Gas aus Russland unter Umgehung der Ukraine in die EU bringen sollte. Polen fürchtet um seine Transiteinnahmen, wenn die Ukraine umgangen wird. Dennoch hat der heimische Konzern weiterhin Interesse am Projekt und vor allem daran, mehr russischen Gas nach Europa zu bringen.