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Die Bank Austria - ein Abgesang

Von Reinhard Göweil

Wirtschaft

Mit der Umstrukturierung der UniCredit endet die "alte" Bank Austria und mit ihr österreichische Finanzgeschichte seit 1855.


Wien. 13 Milliarden Euro braucht die italienische Großbank UniCredit dringend, und mit dem neuen Plan ihres neuen Chefs Jean-Pierre Mustier wird es wohl auch gelingen. Wer in der Hauptversammlung der Mailänder Bank danach das Sagen haben wird, steht noch in den Sternen. Die hinter der Kapitalerhöhung steckende Strategie beendet allerdings in Österreich eine seit 1855 bestehende beeindruckende Geschichte. Die Bank Austria wird nun innerhalb der UniCredit-Gruppe zur auf Österreich reduzierten Regionalbank. Ursprünglich sollte aus ihr ein europäischer Player und Wien zum Finanzzentrum Osteuropas werden.

Die Geschichte der Bank Austria ist eine Geschichte des Scheiterns, der falschen politischen Entscheidungen, eitler Selbstdarstellung - und einer ungeheuren Kapitalvernichtung. Fünf damals führende Banken sind seit den 1990ern in ihr verschwunden, im wahrsten Sinn des Wortes: Länderbank (gegründet 1880), Zentralsparkasse (gegründet 1905), Creditanstalt (gegründet 1855), Teile der Girozentrale (später GiroCredit, gegründet 1937), ÖCI (Österreichisches Credit-Institut, gegründet 1896).

Dazu gab es noch ein umfangreiches Handels- und Industrieimperium, das zu den Beteiligungen des Bankenkonzerns zählte. Viele Unternehmen daraus existieren noch, teils unter neuem Namen, allesamt unter neuer Eigentümerschaft: Porr, Lenzing, Verkehrsbüro, Semperit, Wienerberger, Andritz, Steyr-Daimler-Puch - um nur ein paar zu nennen. Auf dem Höhepunkt vor 20 Jahren beschäftigte das Konglomerat insgesamt mehr als 150.000 Menschen. Die nun auf Österreich reduzierte Bank Austria wird es am Ende des Jobabbaus gerade noch auf 8000 Mitarbeiter bringen.

Einmal Himmel und zurück

Einmal Himmel und zurück - um das zu verstehen, ist eine Zeitreise ins Jahr 1990 unabdingbar. Die drei größten Banken Österreichs hießen damals Creditanstalt, Länderbank und Girozentrale (Sparkassen). Raiffeisen war eine mittelgroße Bauernbank, die Erste eine auf Wien konzentrierte Sparkasse. Die drei größten Banken des Landes nutzten die damals einsetzende Deregulierung, um ihr Heil im Auslandsgeschäft zu suchen. In London und New York, im internationalen Investment- und Handelsbanking bot sich schon damals reichlich Gelegenheit, Geld zu verdienen - aber auch zu verlieren. Die drei österreichischen Banken gehörten leider zu den Verlierern.

Dazu kamen Kreditausfälle namhafter Industriebetriebe, die blöderweise teilweise auch noch diesen Banken gehörten. Steyr-Daimler-Puch war im Besitz der CA, Eumig war Eigentum der Länderbank. Wesentlich ist dabei, dass beide Banken, Creditanstalt und Länderbank, sich mehrheitlich in Staatsbesitz befanden. Das war eine Folge der auch wirtschaftlichen Neuordnung der Republik Österreichs nach 1945.

Fiktives Kapital

Die Girozentrale als Spitzeninstitut der Sparkassen war auch nicht frei von öffentlichem Einfluss, weil die Bank von den Haftungszusagen der Gemeinden für ihre Sparkasse lebte, und davon gab es damals mehr als 70. Kapital war damals also zu einem beträchtlichen Teil eine fiktive Größe und nicht bar einbezahlt. Ein Befund, der damals - mit wenigen Ausnahmen - für alle europäischen Banken galt. Und der anlässlich der Finanzkrise nach 2007 ja auch schlagend wurde - siehe deutsche Landesbanken oder Hypo Alpe Adria. Daneben stand - ebenfalls eine europäische Übereinstimmung - die untrennbare Verbindung der nationalen Politik mit den großen Banken im Land. Entweder standen sie in öffentlichem Besitz oder lebten von öffentlicher Unterstützung, was im Endeffekt keinen großen Unterschied machte.

1990 war die Länderbank in Addition ihrer Industriebeteiligungen und Auslandsverluste so gut wie pleite. Die Creditanstalt konnte die Verluste der ihr gehörenden Steyr-Daimler-Puch und riskante Kreditgeschäfte in den USA (zum Beispiel Colt) nicht mehr stemmen. Sie war damals der ÖVP zuzuordnen, die Länderbank der SPÖ. Die Girozentrale als Sparkassen-Spitzeninstitut hing dazwischen, ein frühes Opfer des Föderalismus sozusagen.

Die CA bekam Ende der 1980er vom Staat einen Milliardenzuschuss (in Schilling) für die Steyr-Werke. Damit war die damalige ÖVP zufrieden, und die an und für sich funktionierende Bank konnte getrost bilanzieren. Die weniger gut aufgestellte Länderbank fusionierte 1991 mit der Wiener Zentralsparkasse (Z) zur "roten" Bank Austria. Eine an und für sich vernünftige Lösung, weil die Länderbank im Firmen- und Auslandsgeschäft tätig war, während die Z als Wiener Gemeindesparkasse über beträchtliche Spareinlagen und Massengeschäft verfügte. Vereinfacht gesagt verfügten die einen über Geschäftsmöglichkeiten, die anderen über das dazu nötige Kapital. Und die Gemeinde Wien gab der Z in die neue Ehe - günstig - die damalige (im Vergleich zu heute ungleich größere) Wien Holding mit, womit die Bank Austria so ganz nebenbei zu Österreichs größtem Industriearbeitgeber wurde. Die Z war dementsprechend auch das aufnehmende, stärkere Institut.

In diese innerösterreichischen Bankkalamitäten fiel der Fall des Eisernen Vorhangs. Die heimische Industrie begann entlang alter Monarchieverbindungen die Donau abwärts zu investieren. Da es im ex-kommunistischen Osteuropa Anfang der 1990er nur wenige vertrauenerweckende Staatsbanken (außer der OTP in Ungarn, einer Sparkasse) gab, folgten die heimischen Banken auf dem Fuß. So wurde Raiffeisen groß. Die 1855 gegründete CA, die ihr Generaldirektor Hannes Androsch in den 1980ern als "monetäre Visitenkarte Österreichs" festzurrte, hatte alte Verbindungen nach Russland und in die umliegenden Nachbarländer.

Europäischer Wettbewerb

Die aus Z und Länderbank entstandene Bank Austria hatte nichts - und begann sich am osteuropäischen Banken-Privatisierungsprozess zu beteiligen.

Damit sind wir im Jahr 1996 angelangt. 1995 war Österreich der EU beigetreten, die Banken waren plötzlich dem europäischen Wettbewerb ausgesetzt. Privatisierung war angesagt, allenthalben. 1994 wurde beschlossen, ab 1997 - auch in Vorbereitung auf die Währungsunion - die Haftungen öffentlicher Körperschaften für Sparkassen einzufrieren. Für die Bank Austria, die im Wesentlichen von der Haftung der Gemeinde Wien (via Z, die ab nun AVZ hieß) lebte, war das eine mittlere Katastrophe.

Die Creditanstalt, die zu mehr als 60 Prozent der Republik gehörte, sollte ebenso privatisiert werden. Der politische Wille: eine österreichische Lösung. Raiffeisen wollte damals die CA kaufen, das damalige Management, bestehend aus einer Mischung von Wiener Großbürgertum katholischer Prägung und Aristokratie, reagierte entsetzt. Der damals junge Raiffeisen-Chef Christian Konrad wurde einfach vor die Tür gesetzt. Favorisiert wurde ein - ÖVP-genehmes - Konsortium aus Erste Bank (weit weg von heutiger Größe), deutscher Commerzbank, einer italienischen Industriebank und heimischen Industriellen. Diese kratzten gerade einmal 6,5 Milliarden Schilling für den Bundesanteil der Creditanstalt zusammen - damals die größte Bank des Landes.

Aus dem Nichts bot die "rote", von der Haftung der Gemeinde Wien abhängige Bank Austria 17 Milliarden Schilling. Das war immer noch eine Mezzie, doch so bekam sie die "bürgerliche" Creditanstalt. Die BA-CA entstand, auch wenn ihr kein langes Leben beschieden sein sollte. Die ÖVP tobte, den damaligen Kanzler Franz Vranitzky (SPÖ) kostete diese österreichische Bankenmegafusion 1996 den Job. Der damalige Finanzminister Viktor Klima und die Wiener SPÖ hatten sich den Deal untereinander ausgemacht. Klima wurde 1997 Bundeskanzler und SPÖ-Chef.

Die Rache der ÖVP

Doch die ÖVP vergaß die Schmach nicht, dass sie ausgerechnet die Creditanstalt, den Hort der Bürgerlichkeit, an SPÖ-Banker abgeben hatte müssen. Dass die Bank Austria das höchste Gebot abgegeben hatte, wurde dabei gerne vergessen. Der damalige CA-Generaldirektor demonstrierte sogar gegen den Verkauf, er wurde dann schnell abgelöst.

Allerdings nutzte die ÖVP den auch in der SPÖ umstrittenen Banken-Deal perfekt. Das der seinerzeitigen Länderbank gehörende Österreichische Creditinstitut (ÖCI), auf Großprojekt-Finanzierung spezialisiert, musste an die (nun offiziell) der "schwarzen" Reichshälfte zugehörende GiroCredit (Girozentrale) verkauft werden. Und diese GiroCredit fusionierte 1997 unmittelbar in die Erste Bank. Dieser wurde dadurch der Durchgriff auf das österreichische Sparkassenwesen ermöglicht, und über deren Aktivitäten war sie nun auch in Osteuropa präsent.

Die zweite, später verhängnisvolle Entscheidung, fiel ebenfalls 1997 in der Gemeinde Wien. Der seit knapp mehr als zwei Jahren als Bürgermeister amtierende Michael Häupl (SPÖ) vereinbarte mit seinem damaligen Koalitionspartner in der Wiener ÖVP, Bernhard Görg, die vollständige Privatisierung der Bank Austria - inklusive der erworbenen Creditanstalt. 1996 hatte die SPÖ in Wien (nach Helmut Zilks Abgang) bei der Gemeinderatswahl die absolute Mehrheit verloren, Häupl koalierte mit der Volkspartei unter Görg.

Häupl und Görg

Unter dem Eindruck der Neuwahldrohungen der ÖVP gab Häupl nach, der damals überaus mächtige Vorstandsvorsitzende der Bank Austria, Gerhard Randa, fügte sich - erstaunlicherweise. Politisch blieb der Privatisierungsbeschluss für die SPÖ nutzlos. ÖVP-Bundesobmann Wolfgang Schüssel, ein Verfechter der Erste-Bank-
Lösung bei der CA, war unverändert schwer verstimmt - und koalierte im Jahr 2000 als Dritter mit der FPÖ, nur um die SPÖ loszuwerden.

Bei der Bank Austria (damals BA-CA) folgten dem Privatisierungsauftrag der Einstieg der deutschen WestLB (die Bank gibt es seit der Finanzkrise nicht mehr) sowie der Börsegang, dem nicht viel Glück beschieden war. Noch 1999 ging Russland de facto pleite, der Rubel stürzte ab und mit ihm das Jahresergebnis der Bank Austria. Während Raiffeisen damals zwar verhältnismäßig noch mehr Geld verloren hat, aber trotzdem in Russland blieb, trat die Bank Austria einen ungeordneten Rückzug an, der Börsekurs stürzte ab und mit ihm das Vertrauen der Aktionäre. Was die Bank aber dringend benötigte, war tatsächlich eingezahltes Kapital, um die Osteuropa-Expansion finanzieren zu können.

2000 versuchte Randa daher Angriff als Verteidigungsmittel: Er betrieb erfolgreich den vollständigen Verkauf der Bank Austria an die private Münchner Großbank HVB, die ein strategisches Problem hatte. Die in Osteuropa starke Bank Austria sollte das lösen. Randa aber schwebte eine Art "reverse takeover" vor. Die Bank in Wien war eindeutig stärker als ihr neuer Eigentümer in München.

Nach einem erneuten Börseauftritt sollte sich das bestätigen, die Zentrale dieser Großbank europäischen Zuschnitts wäre dann in Wien gewesen. Beim Aktientausch mit den HVB-Eigentümern wäre die AVZ der Gemeinde Wien Großaktionär der gemeinsamen Bank geblieben, aber nicht mehr bestimmend. Das Konzept blieb jedoch pure Theorie, denn die damalige UniCredit in Mailand saß vor einem ähnlichen Dilemma und blickte sich in Europa nach möglichen Übernahmen um. Ihr damaliger Chef Alessandro Profumo kaufte einfach die HVB - und damit die Bank Austria gleich mit.

Profumo ist Geschichte, Randa auch. Aber die UniCredit ist noch da. Und sie braucht Geld, viel Geld. Also wurde 2016 die Osteuropa-Zentrale aus Wien abgezogen, nun entscheidet die Mutter in Mailand, was passiert. Großkreditentscheidungen wurden ebenso von Wien nach Mailand verlagert, Beteiligungen - so noch vorhanden - werden radikal verkauft, vor allem im Immobilienbereich. Die großartig geplante neue Zentrale der Bank im 2. Bezirk in Wien wurde an den Investor René Benko (Signa Holding) verkauft, weil bestenfalls die Hälfte der Mitarbeiter und damit weniger Büros benötigt werden.

Bilanzsumme halbiert

Aus der "monetären Visitenkarte" Österreichs ist eine nationale Bank geworden, die über weniger Filialen verfügt als Oberbank, BTV und BKS. Sie hat allerdings beträchtliches Know-how im Industriegeschäft (die alte CA lässt grüßen) und in der Vermögensverwaltung. Die Bilanzsumme halbierte sich von 200 auf knapp 100 Milliarden Euro.

Die Bank Austria ist nun das, was in ihrem Namen steht: die zwar größte, aber aufs Inland konzentrierte Bank. Jenseits der Grenze heißt sie UniCredit. Und sollte die Gemeinde Wien, mit 5 Milliarden Euro größter Einzelkunde, ihre Konten zu einer anderen Bank verlagern, würde sie noch einmal schrumpfen. Aber das ist ja nicht vorgesehen.