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Startschwierigkeiten

Von Raffaela Singer

Wirtschaft
fotolia/Dashk

Kein Land fördert seine Start-ups so sehr wie Österreich.


Wien. Start-ups sind jung, innovativ und gehypt. Bundeskanzler Christian Kern hat sie gar zur Chefsache erklärt. Doch ist die Aufmerksamkeit gerechtfertigt? Eine europaweite Studie zeigt: Kein Land fördert seine Start-ups so stark wie Österreich. Dabei schaffen sie nicht einmal halb so viele Arbeitsplätze wie etwa in der Schweiz oder in Deutschland.

Siegfried Stepke schüttelt nur den Kopf, wenn er an den derzeitigen Start-up-Hype denkt. Er hätte auch gerne die öffentlichen Förderungen, die Lohnnebenkostensenkung oder die mediale Aufmerksamkeit. Doch Stepkes Unternehmen ist kein Start-up. Dafür dürfte es höchstens fünf und nicht 13 Jahre alt sein. Es ist ein gewöhnliches IT-Unternehmen. Es forscht Internet-User nach Namen, Alter und Geschlecht für gezielt platzierte Werbung aus. "Hätte ich E-Dialog erst jetzt gegründet, wäre ich mit der derzeitigen Euphorie auch als Start-up durchgegangen", ist Stepke überzeugt. Generell bezweifelt er, dass die Start-ups dem Hype auch gerecht werden.

Jobmotor Start-up?

Der Frage, ob Start-ups tatsächlich ein Jobmotor sind, geht eine aktuelle Studie nach. Der "European Start-up Monitor 2016" hat mehr als 2500 Start-ups in allen 28 EU-Mitgliedsstaaten befragt. Dabei steigt Österreich eher mittelmäßig aus. Demnach schafft ein Start-up hierzulande im Durchschnitt 6,3 Jobs. Das ist nur rund die Hälfte von Deutschland mit 11,9 oder der Schweiz mit 13,5. Der Grund: Österreich hinkt um Jahre hinterher. "Die österreichischen Start-ups sind noch in einer sehr frühen Phase. Je jünger sie sind, desto weniger Jobs schaffen sie", erklärt Rudolf Dömötör, Professor an der Wirtschaftsuniversität Wien und einer der Co-Autoren der Studie. Bei "Berlin Partner", der zentralen Anlaufstelle für junge Gründer in der Start-up-Metropole Berlin, sieht man das ähnlich: "Wir sind Österreich um zehn Jahre voraus. Es tut sich schon viel. Aber es braucht noch Zeit."

Die verlorenen Jahre scheint Österreich mit Förderungen wieder aufholen zu wollen. Der eher bescheidenen Jobbilanz steht ein Rekordwert bei den öffentlichen Förderungen gegenüber. So geben 55,4 Prozent der österreichischen Gründer an, schon einmal staatliche Förderungen bekommen zu haben. Dahinter folgen Deutschland mit 35,5 Prozent und Spanien mit 25 Prozent. In absoluten Zahlen fördert der Bund Start-ups mit 270 Millionen Euro jährlich. Hinzu kommen noch neun Landesförderstellen, von denen allein Wien 50 Millionen Euro pro Jahr investiert. "Im europäischen Vergleich ist das eine sehr hohe Summe, das wissen wir", sagt Ursula Kainz, von der Wiener Wirtschaftsagentur.

Staatliches Abenteuerkapital

"Start-ups beschweren sich über zu viele Förderungen. Sie verlieren den Durchblick. Aber wenn das ihr größtes Problem ist", lacht Daniel Cronin. Er ist Mitbegründer von "Austrian Start-ups" und kennt die Szene bestens. Österreichs gutes Fördersystem ist europaweit bekannt. Und auch wichtig, findet Cronin. Denn hierzulande gebe es kaum privates "venture capital". Also: Wagnis- oder Abenteuerkapital. Geld, das in hochriskante Geschäfte fließt. Derzeit übernimmt dieses Abenteuer der Staat.

Für Claus Raidl, Präsident der Oesterreichischen Nationalbank und umtriebiger Investor, ist das unhaltbar. "Start-ups sind ein Hochrisikogeschäft. Solche Geschäfte sollte der Staat nicht tätigen. Es kann nicht sein, dass der Gewinn individualisiert und der Verlust sozialisiert wird." Immerhin gilt als Faustregel, dass acht von zehn Start-ups scheitern.

Die Regierung rechtfertigt die hohen Fördersummen mit den ausbleibenden privaten Investoren. Bundeskanzler Christian Kern rechnet in seinem "Plan A" vor, dass in Österreich um 90 Prozent weniger privates Kapital fließt als im europäischen Durchschnitt. Doch Claus Raidl ist sicher: Würden entsprechende Anreize für Investoren geschaffen werden, gäbe es genügend wohlhabende Geschäftsleute die in junge risikoreiche Unternehmen investieren. Auch Rudolf Dömötör ist von den hohen staatlichen Förderungen nicht restlos überzeugt. "Es kann sein, dass durch das viele öffentliche Geld, die private Seite einfach auslässt."

Dass es auch ohne öffentliche Förderungen geht, zeigen nicht nur die USA mit dem weltweit erfolgreichsten Start-up Standort Silicon Valley, sondern auch die Schweiz. Geld gibt es hier lediglich für Universitäten. Damit sollen sie den Gründergeist ihrer Studenten wecken und Technologien anschaffen, damit sich die Unternehmer in spe ausprobieren können. "In der Schweiz investieren sich Start-ups ausschließlich mit privatem Geld", erklärt Stefan Steiner von "venturekick", das Start-ups in der Schweiz berät.

KMU nicht vergessen

Und das System scheint zu funktionieren. In keinem anderen europäischen Land schaffen innovative Jungunternehmer mehr Arbeitsplätze als hier. Von dem großzügigen österreichischen Fördersystem hält Steiner nicht viel: "Gießkannenartig jedem ein bisschen was zu geben, ist nicht wirklich sinnvoll."

Das Start-up-Paket der Regierung pumpt seit Beginn des Jahres weitere 185 Millionen Euro in den Markt. Das erklärte Ziel: Die Jobbilanz soll besser werden. Doch selbst im europäischen Durchschnitt schafft ein Start-up nur rund 12 Arbeitsplätze. So viel wie ein Kleinunternehmen mit weniger Förderungen. Siegfried Stepke hat mit "E-Dialog" bereits 25 Arbeitsplätze geschaffen. "Ich gönne den Start-ups die Förderungen. Es geht mir einfach darum, dass die normalen Klein- und Mittelunternehmen (KMU) nicht vergessen werden."

Doch diese Rechnung lässt man im Büro des Infrastrukturministers nicht gelten. Jörg Leichtfried hat für die SPÖ das Start-up-Paket verhandelt. Hier gehe es nicht nur um Jobs. Es gehe auch darum, junge, kreative Ideen ins Land zu holen. Von denen auch alteingesessene Betriebe profitieren würden. Etwa, indem sie sich bei ihnen einkaufen. Auch in Berlin hält man die öffentlichen Förderungen gerade deswegen trotzdem für gerechtfertigt. Den Gründergeist, die Aufbruchstimmung und die neuen Ideen würde jedes Land brauchen. Und das alles lässt man sich in Österreich deutlich mehr kosten als anderswo.