Zum Hauptinhalt springen

"Regulierung wird zur Strangulierung"

Von Thomas Pressberger

Wirtschaft

WKO-Präsident Christoph Leitl will Banken bei der Kreditvergabe mehr in die Pflicht nehmen. Experten sind skeptisch.


Wien. Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl schlägt wegen der sinkenden Investitionstätigkeit österreichischer Unternehmen Alarm. Der Anteil der Investitionen am Bruttoinlandsprodukt hat sich in den vergangenen zehn Jahren von zehn auf fünf Prozent halbiert. "Geringere Investitionen bedeuten weniger Modernität und damit weniger Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität", sagt Leitl am Dienstag vor Journalisten. 2016 sei wieder ein Rückgang zu verzeichnen gewesen. Nur noch acht Prozent der Unternehmen haben größere Investitionen getätigt, im Jahr davor waren es noch zwölf Prozent. "Es steht genug Geld zur Verfügung, aber nicht jeder, der Geld braucht, bekommt es", sagt Leitl.

Das Hauptproblem seien die Sicherheiten, die Banken für Kredite verlangen, die aber nicht jedes Unternehmen mitbringe. Die Folge sei eine Ablehnung oder Kürzung der Kreditwünsche. Laut einer Studie der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) und der staatlichen Förder- und Finanzierungsbank Austria Wirtschaftsservice (AWS) mussten sechs von zehn Unternehmen ihre Investitionen deshalb aufschieben. "Die Regulierung hat sich in vielen Fällen als Strangulierung erwiesen", sagt Leitl.

Innovationsklemme

Am stärksten betroffen sind Klein- und Mittelbetriebe (KMU) und Start-ups. "Vor allem für Ein-Personen-Unternehmen ist es ganz schwierig, eine Bankenfinanzierung zu bekommen", sagt AWS-Geschäftsführer Bernhard Sagmeister. Sie könnten am wenigsten Sicherheiten bieten und würden durch ihre Innovationsfreudigkeit auch das größte Risiko nehmen. Die Folge der Kreditablehnung seien Verzögerungen der Investitionsvorhaben, deren Verringerung oder der Wechsel der Hausbank. "In Summe geht Innovationskraft verloren. Aus einer Sicherheitsklemme wird eine Innovationsklemme", so Sagmeister.

Leitl hat einen Vorschlag, wie die Situation entschärft werden könnte: Die Investitionsprämie für KMU in Höhe von 87,5 Millionen Euro soll in ein Garantieinstrument umgewandelt werden. Hier wäre das Geld besser aufgehoben. Die Banken müssten mit in die Verantwortung genommen werden. Mithilfe des Garantiemodells wären 80 Prozent eines Kredits besichert, das restliche Risiko sollten die Banken übernehmen. Dass diese bei der Vergabe von Krediten an Kleinunternehmen bremsen, hat einen guten Grund, sagt Atanas Pekanov, Experte für das Banken- und Kreditgeschäft beim Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo). "Kredite für Start-ups sind riskant, die Banken müssen seit Basel III dafür mehr Eigenkapital halten." Nach der Finanzkrise habe man sich global auf Maßnahmen geeinigt, die das Finanzsystem stabilisieren, daher könne man den Banken jetzt vorsichtiges Agieren schwer vorwerfen. Ein Garantieinstrument kann laut Pekanov auch wettbewerbsverzerrend sein. "Es hat in der Vergangenheit schon Probleme mit staatlichen Garantieversicherungen gegeben." Auch könnte der Staat darunter leiden, denn wenn dann doch Unternehmen ihre Kredite nicht bedienen können, wären das jene, die eigentlich ein hohes Ausfallsrisiko darstellen.

Der Zeitpunkt, die Banken stärker in die Pflicht zu nehmen, ist nicht günstig, sagt der Wifo-Experte. "In den letzten Monaten war zwar wieder ein Konjunkturaufschwung zu beobachten, für die Banken sind die Zeiten aber immer noch schwierig." Die Renditen seien niedrig, sei es wegen des Niedrigzinsumfeldes oder nicht innovativer Geschäftsmodelle. Von einer Strangulierung würde er nicht sprechen, das sei zu grob. Die erhöhte Regulierung sei die Reaktion auf die Finanzkrise nach 2007. "Man könnte über Fine-tuning sprechen, wie man die Regulierung besser machen könnte und ein paar Details ändern", sagt Pekanov.

Der Wille ist da

Aus Bankenkreisen gibt man sich vorsichtig. "So ein Garantiemodell ist immer interessant. Wenn die Wirtschaftskammer etwas Konkretes auf den Tisch legt, wird man sich das ansehen", sagt ein Bankenvertreter. Die Banken würden jetzt schon mit Förderstellen zusammenarbeiten und verschiedene Instrumente anbieten. Die Kreditvergabe hänge jedoch von klaren Regeln ab. Es gebe unter anderem eine Risikoprüfung, auch müsse man sich im Einzelfall ansehen, wie viel Eigenkapital ein Unternehmen habe. "Es geht hier nicht um Verantwortung, sondern um regulatorische Vorgaben seitens der Finanzmarktaufsicht oder der Europäischen Zentralbank." Die Banken würden vom Kreditgeschäft leben, jede Bank wolle Kredite vergeben.

"Wir haben heuer 15 Milliarden an frischen Krediten vergeben", sagt Karin Berger, Sprecherin der Erste Bank Österreich. Die Bank finanziere zwei Gründungen pro Tag. Kredite zu vergeben, sei das Kerngeschäft, man habe den Willen, die Wirtschaft zu stützten. Leider würde die Null-Zins-Politik nicht dazu führen, dass die Unternehmen mehr investieren. Letzten Endes sei es auch eine politische Frage: "Wenn keine Zuversicht geschaffen wird, investiert keiner", sagt Berger.