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Vom Fahrkartenbüro zum Reise-Riesen

Von Rosa Eder-Kornfeld

Wirtschaft

Das Österreichische Verkehrsbüro feiert seinen 100. Geburtstag.


Wien. Edge-of-the-World-Trip klingt nicht gerade einladend. Geht es jedoch nach dem Zukunftsforscher Andreas Reiter, werden Reisen ins hinterste Sibirien oder nach Spitzbergen in 15 bis 20 Jahren voll im Trend liegen. Beim Blick in die Kristallkugel sieht er zudem Weltraumflüge und Kreuzfahrten in U-Booten - für die, die es sich leisten können. Dafür wird es schwieriger, beliebte Massen-Ziele zu besuchen. "Für Top-Destinationen wie Venedig oder Dubrovnik wird man sich vorher online anmelden müssen", prophezeite Reiter am Mittwoch in einem Pressegespräch anlässlich des 100. Geburtstages des Österreichischen Verkehrsbüros.

Gründung in einer schwierigen Zeit

1917 hatte man in Europa noch ganz andere Sorgen. Die Bahnhöfe waren überfüllt mit Soldaten, Kriegsversehrten und Gestrandeten. Die Bahnverbindungen waren gestört, und es gab viel zu wenig Züge - keine ideale Zeit, um zu verreisen. Doch es herrschte berechtigte Hoffnung auf ein baldiges Ende des Krieges. Das Eisenbahnministerium, der Österreichische Verkehrsverband und die Landesverbände für Fremdenverkehr gründeten daher am 29. Dezember 1917 das "Oesterreichische Verkehrsbureau", heute der führende Tourismuskonzern des Landes mit zuletzt 870,3 Millionen Euro Umsatz und einem Konzernergebnis von 15,4 Millionen Euro (plus 61,4 Prozent).

Damals war es die Aufgabe der Gesellschaft, Fahrkarten für die Züge der Österreichischen Staatsbahnen zu verkaufen. 1921 wurden bereits 3,7 Millionen Fahrkarten abgerechnet, und man begann mit dem Verkauf von Reisegepäcksversicherungen. Zusätzlich wurden Geldwechsel, Reiseschecks und Reiseliteratur angeboten. 1922 wurde die Geschäftstätigkeit auf die Vermittlung von Hotelzimmern ausgeweitet, 1923 das Zentralgebäude in der Wiener Friedrichstraße fertiggestellt.

Das Unternehmen schloss Vertretungsverträge mit allen großen Schifffahrtsgesellschaften Europas ab und begann mit dem Verkauf von Flugtickets. Gemeinsam mit der Österreichischen Post wurde ein regulärer Autobuslinienbetrieb im Salzkammergut und im Gasteinertal eingeführt, und erstmals wurden Gesellschaftsreisen organisiert.

Mit der Weltwirtschaftskrise im Jahr 1930 endeten vorerst die erfolgreichen Jahre des Verkehrsbüros. Das Deutsche Reich verhängte die "Tausend-Mark-Sperre", um die österreichische Wirtschaft, die bereits damals stark vom Tourismus abhängig war, deutlich zu schwächen.

Mit dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich 1938 wurde das Verkehrsbüro liquidiert und dem "Mitteleuropäischen Reisebüro" angegliedert.

Wenige Monate nach Ende der Kampfhandlungen des Zweiten Weltkrieges startete das Verkehrsbüro neu durch. Das Unternehmen hatte wesentlichen Anteil an der Gründung der "Österreichischen Luftverkehrs-AG" (die Vorläuferin der Austrian Airlines), die die erste heimische Linienfluggesellschaft war. Angeboten wurden nun auch Gruppenreisen nach China, Indien und Japan.

Komm‘ ein bisschen mitnach Italien"

Besonders beliebt waren in den 1950er Jahren die als "Bäderdrahrer" bekannten Zug- und Busreisen an die Obere Adria und die mit dem "Austropa Express" durchgeführten Italien-Rundreisen, schilderte Noch-Generaldirektor Harald Nograsek. Er wird wie berichtet per Ende September auf eigenen Wunsch aus dem Unternehmen ausscheiden.

1961 erzielte das Verkehrsbüro einen Rekordumsatz von 520 Millionen Schilling. Damit wurden die Einnahmen innerhalb von zehn Jahren verfünffacht. Und das Verkehrsbüro expandierte munter weiter. Im großen Stil wurden Hotels gekauft und das Filialnetz ausgebaut. Bei der Gründung desReiseveranstalters Touropa war man mit dabei, und 1974 war das Verkehrsbüro bereits ein Großkonzern mit 17 Beteiligungen. Die ungebremste Expansion hatte aber ihren Preis: Im Zuge des Ölpreisschocks und seiner Folgen stürzte das Unternehmen in die größte Krise in seiner bisherigen Geschichte. Ein rigoroses Sanierungsprogramm unter Ernst Stock war die Folge.

1990 kam es zur Privatisierung. Der ehemalige Staatskonzern ging an eine Gruppe aus Banken und dem damaligen Generaldirektor Reinhard Galler. Für Aufregung rund um den Deal sorgte eine Strafanzeige des damaligen Kärntner Landeshauptmanns und FPÖ-Obmanns Jörg Haider bei der Staatsanwaltschaft Wien gegen "unbekannte Täter". Haider vermutete er einen "dubiosen Deal", wobei er auch Parteienfinanzierung nicht ausschloß.

Übernahme des stärksten Mitbewerbers

Nach der Privatisierung ging es Schlag auf Schlag: Die Verkehrsbüro-Gruppe übernahm die Austria Trend Hotels, Eurotours und schließlich Ruefa, den stärksten Mitbewerber im Reisebürosektor.

Eigentümer sind heute die AVZ-Holding (60,98 Prozent), die Vienna Insurance Group (36,58 Prozent) und die Toth Privatstiftung (2,44 Prozent). Für sie gab es regelmäßig ansehnliche Dividenden, zuletzt waren es 6,6 Millionen Euro.

Positive Stimmung bei den Urlaubern

In der Ära von Harald Nograsek trennte sich das Verkehrsbüro von der Kulinariksparte und fokussierte sich strategisch auf die Bereiche Reise, Hotels und Events. 2011 kommt es zur Übernahme bzw. Gründung von ATX Travel Management, Jumbo Touristik und Palais Events und zum Einstieg in den Budget-Design-Hotelmarkt mit der Eröffnung von Motel One in Salzburg und Wien.

Mit dem heurigen Jahr ist Nograsek sehr zufrieden. "Wir spüren die positive Stimmung bei unseren Kunden. Keine Spur von zurückhaltenden Buchungen wie im Vorjahr", freut er sich. In den ersten vier Monaten gab es bei Urlaubsreisen ein Umsatzplus von 5,5 Prozent auf 166 Millionen Euro, das Segment Business Travel wuchs um 6,4 Prozent auf 56 Millionen Euro, und die Hotellerie verzeichnete ein Plus von 8,2 Prozent auf 51,7 Millionen Euro.

Fotos:Verkehrsbüro