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Vergebene Chance bei der Gewerbeordnung

Von Thomas Pressberger

Wirtschaft
Schneiderbetriebe brauchen eine Meisterprüfung, Fallschirmhersteller nicht - in der Gewerbeordnung ist noch vieles unklar.
© fotolia/Syda Productions

Novelle der Gewerbeordnung ist laut Experten wenig ambitioniert und teilweise unausgegoren.


Wien. Ob und wann die Reform der Gewerbeordnung kommt, ist aufgrund der innenpolitischen Situation ungewiss. Sicher ist laut Experten jedoch , dass die aktuelle Vorlage nicht weit genug geht. "Die Gewerbeordnungsnovelle 2017 ist wenig ambitioniert und bringt keine substanzielle Deregulierung des Zugangs zum Gewerbe", sagt Michael Böheim, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo). Die Novelle sei einmal mehr eine vergebene Chance, die angestaubte Gewerbeordnung zu durchlüften.

So sei der wichtige einheitliche Gewerbeschein für alle freien Gewerbe nicht umgesetzt. Unternehmen könnten dadurch erheblich Kosten bei der Kammerumlage sparen, sagt Böheim. Das Wifo habe bereits 2006 vorgeschlagen, überall dort zu liberalisieren, wo Konsumentenschutz- und Sicherheitsinteressen nicht wesentlich betroffen sind. "Nach einer ersten Liberalisierungswelle, die durch die Reform der Gewerbeordnung und ‚echte‘ Privatisierungen gekennzeichnet war, stagniert die Entwicklung im Bereich der Deregulierung", schrieb das Wifo bereits damals.

In mindestens drei Punkten sind laut Agenda Austria Änderungen nötig, damit Österreichs Gewerbe mehr Dynamik gewinnt. Streng reglementiert werden sollten nur noch jene Gewerbe, deren Ausübung Mensch, Tier oder Umwelt gefährdet. Alle anderen Gewerbe wären dann frei. Damit würden aktuelle Absurditäten beseitigt wie jene, dass für einen Schneiderbetrieb ein Meister nötig, Fallschirmerzeugung aber ein freies Gewerbe sei.

Für die 440 freien Gewerbe müsse ein einheitlicher Gewerbeschein mit nur einer zu bezahlenden Umlage geschaffen werden. Das sei bisher an der Wirtschaftskammer gescheitert, die derzeit bei der Ausübung von zwei freien Gewerben doppelt kassiere.

Unplausible Lösungen

Das Ablegen einer Meisterprüfung soll laut Agenda Austria nur noch für die wenigen streng reglementierten Gewerbe verlangt werden. In allen anderen Gewerben könne sie freiwillig abgelegt werden. Jeder Gewerbetreibende habe obligatorisch eine Betriebshaftpflichtversicherung abzuschließen, was den Konsumentenschutz stärken solle.

Die Novelle, die im Parlament liegt, sieht vor, dass 19 Teilgewerbe ohne Befähigungsnachweis ausgeübt werden dürfen. "Das begünstigt die Neugründung von Unternehmen, geht aber zum Teil recht weit", sagt Magdalena Pöschl, Gewerberechtsexpertin vom Institut für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Wien. Vom Befähigungsnachweis freigestellt wären nach der Novelle zum Beispiel auch Nagelstudios, obwohl deren Leistungen, unsachgemäß verrichtet, die Gesundheit gefährden können. Die Freistellung möglichst vieler weiterer reglementierter Gewerbe werde derzeit diskutiert, sei jedoch kritisch zu beurteilen. "Ständig betont die Politik zu Recht, wie wichtig Bildung ist. Und ausgerechnet bei Gewerbetreibenden soll die Befähigung bedeutungslos sein? Das ist nicht plausibel", sagt Pöschl.

Der Befähigungsnachweis sichere die Qualität der Leistung, schütze die Konsumenten, stärke das Vertrauen in die Wirtschaft und sorge auch dafür, dass Gewerbetreibende bereit sind, Lehrlinge auszubilden. Als Ersatz für den Befähigungsnachweis werde oft - auch von der Agenda Austria - eine obligatorische Haftpflichtversicherung vorgeschlagen. Diese ersetze den Konsumenten aber nur Schäden, und selbst darum müssten sie streiten, notfalls sogar prozessieren. Besser wäre es, Schäden von vornherein zu verhindern, indem man nur befähigte Unternehmer zulässt.

Gefahr für Umwelt und Natur

Im Anlagenrecht will die Novelle die Verfahrenskonzentration ausbauen. Demnach soll im gewerblichen Anlagenverfahren auch geprüft werden, ob eine Betriebsanlage bau- und naturschutzrechtlich zulässig ist. Derzeit muss für diese Fragen ein eigenes Verfahren geführt werden. Diese Verfahren zu konzentrieren, spare Zeit, so Pöschl. Zudem ließen sich die Auswirkungen der Anlage so gesamthaft beurteilen. Allerdings bestehe die Gefahr, dass die Qualität der Prüfung sinke und der Umwelt- und Nachbarschutz geschwächt werden.

Zu begrüßen sei wiederum, dass die Novelle im Berufs- und im Anlagenrecht bei minderschweren Übertretungen auf den Grundsatz "Beraten statt Strafen" setzt. Das habe sich auch in anderen Rechtsbereichen bewährt. Eine weitere Erleichterung bringe die vorgeschlagene Gebührenbefreiung. In Summe sei die Novelle gemischt zu beurteilen, sie enthalte sinnvolle Änderungen, sollte aber in einigen Bereichen noch modifiziert werden, so Pöschl.