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Aufschwung kommt bei Älteren nicht an

Von Thomas Pressberger

Wirtschaft

Die Arbeitslosigkeit sinkt, Ältere und Langzeitarbeitslose profitieren davon nicht. Das wird sich nicht so bald ändern.


Wien. Die Situation am österreichischen Arbeitsmarkt hat sich im Mai auf den ersten Blick weiter verbessert, insgesamt bleibt die Lage aber unbefriedigend. Die Arbeitslosigkeit sank zum Vergleichsmonat des Vorjahres um 2,7 Prozent, insgesamt waren Ende Mai 394.511 Personen ohne Job, das sind um 10.959 Personen weniger. Die Arbeitslosenquote nach nationaler Definition sank um 0,5 Punkte auf 8,0 Prozent. Während junge Menschen vom Aufschwung am Arbeitsmarkt profitieren, bleibt die Jobsuche für Ältere schwierig. Die Zahl der Arbeitslosen über 50 Jahren ist um 4,2 Prozent auf 97.795 Personen gestiegen, jene der Langzeitarbeitslosen um 8,0 Prozent auf 58.983 Personen.

Dass die Arbeitslosigkeit bei älteren Erwerbstätigen steigt, kommt nicht überraschend, sagt Helmut Mahringer, Arbeitsmarktexperte am Wifo. Da Menschen aus den geburtenstarken Jahrgängen derzeit zwischen 50 und 55 Jahre alt seien, werde sich das Problem verstärken. Da gleichzeitig versucht werde, das Pensionsantrittsalter in die Höhe zu schrauben, erhöhe sich der Druck auf die Gruppe zusätzlich.

Die Maßnahmen, Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt zu reintegrieren, werde sich künftig stärker auf ältere Arbeitnehmer fokussieren müssen. Wichtig werde es sein, die Qualifizierung zu erhalten beziehungsweise zu steigern. Auch müssten mehr Arbeitsplätze geschaffen werden, etwa durch Anreize für Unternehmen, ältere Arbeitnehmer einzustellen oder sich nicht von ihnen zu trennen. "Unternehmen, die hier die öffentliche Hand entlasten, sollten dafür auch weniger Beiträge zahlen", sagt Mahringer.

Problem der Reintegration

Betrachte man die Entwicklung im Mai mit den Vormonaten, so habe sich nicht viel verändert, sagt Helmut Hofer, Arbeitsmarktexperte vom IHS. "Die Langzeitarbeitslosigkeit hat sich seit der Krise immer mehr aufgebaut, das ist das Problem." Bereinigt um den Effekt, dass die Zahl der Älteren aus demografischen Gründen schneller steigt als die der Jüngeren, würde die Arbeitslosigkeit in der Gruppe über 50 gar nicht so überproportional steigen. Auch würden Ältere nicht überdurchschnittlich oft gekündigt. Das Problem für diese Altersgruppe sei, wieder einen Job zu finden. "Der Stock an Langzeitarbeitslosen ist nicht leicht wieder wegzubringen", sagt Hofer. Maßnahmen, wie den geplanten Jobbonus für die Dauer von drei Jahren sollen die Lohnnebenkosten zusätzlich Beschäftigter gefördert werden hält er für sinnvoll. Noch besser wäre es allerdings, die Lohnnebenkosten an sich zu senken und so für mehr Arbeitsplätze zu sorgen. Außerdem sei darauf zu achten, ob dadurch nicht Jobs gefördert werden, die auch ohne Jobbonus entstanden wären.

Die angedachte Aktion 20.000, bei der Langzeitarbeitslose in öffentlichen Stellen unterkommen sollen, hinterfragt er. Es sei grundsätzlich sinnvoll, dadurch die Arbeitslosigkeit in dieser Gruppe zu senken, es könne jedoch zu einer Segmentierung kommen - dass etwa nur die Besten genommen werden - oder ein Parallelarbeitsmarkt geschaffen werde, aus dem sie nicht mehr herauskämen. Die Langzeitbeschäftigungslosen machen drei Prozent der unselbständig Beschäftigten aus. Das sei nicht rasend viel, es könne aber zu einer Langzeitarbeitslosenkultur führen, die innerhalb der Familie "weitervererbt" wird. Die Arbeitslosenquote sei mit 8,0 beziehungsweise je nach Berechnungsweise 8,5 Prozent nach wie vor hoch, die Entspannung sollte sich in den kommenden Monaten aber fortsetzen.

Die Zahl, die die Gruppe 50-plus und die Langzeitarbeitslosen ausmachen, habe mit rund 130.000 eine erhebliche Dimension angenommen, sagt Gernot Mitter, Arbeitsmarktexperte von der Arbeiterkammer Wien. "Die Gruppe wächst weiter und die Reintegration wird schwieriger." Abgesehen von der schwierigen individuellen Situation der Betroffenen verursache das hohe volkswirtschaftliche Kosten. Die größten Risiken, langzeitarbeitslos zu werden, seien Krankheit, mangelnde Qualifizierung, das Alter und alleinerziehend zu sein.

Auch Mitter hält die geplanten Maßnahmen für richtige Schritte. Für völlig ungeeignet hält er Diskussionen wie aktuell die Einführung des Harz-IV-Modells in Österreich. "In einer Zeit, in der sich die Langzeitarbeitslosigkeit verfestigt, halte ich für zynisch, die Existenzsicherung zu verschlechtern und den Druck auf die Betroffenen zu erhöhen", sagt Mitter. Durch das diskutierte Modell würde die Notstandshilfe abgeschafft und durch die niedrigere Mindestsicherung ersetzt werden. In Deutschland habe sich dadurch die Langzeitarbeitslosigkeit "versteinert", 1,5 Millionen Haushalte seien dadurch ausgegrenzt worden, so Mitter.

Industrie springt an

Gute Nachrichten über den Arbeitsmarkt kommen auch aus der EU. Die Industrie in der Eurozone schafft dank der anziehenden Nachfrage immer mehr Arbeitsplätze. Produktion und Aufträge der Betriebe hätten im Mai so kräftig zugelegt wie zuletzt vor rund sechs Jahren, teilte das Institut IHS Markit am Donnerstag zu seiner Umfrage unter 3000 Unternehmen mit. Das kräftige Beschäftigungsplus zeige, dass sich Unternehmen weniger auf Kostensenkungen als auf Investitionen in Wachstum konzentrieren, was den Ausblick in der gesamten Eurozone beflügle. Deutschland sei zwar die Wachstumslokomotive, zügig aufwärts gehe es auch in Österreich, Spanien, Italien, Irland und den Niederlanden.