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Stillstand durch Neuwahl

Von Thomas Pressberger

Wirtschaft
Rewe-Chef Frank Hensel vermisst grundlegende Reformen.
© Hutter

Rewe-Vorstandschef Frank Hensel im Interview. Er tritt im April 2018 ab.


Wien. Beim größten Handelskonzern in Österreich, Rewe International, ändert sich heuer viel. Der bisher von Deutschland aus gesteuerte Diskonter Penny wird von Wiener Neudorf aus bedient, was dem Unternehmen vier Milliarden Euro mehr Umsatz bringt. Die Drogeriekette Bipa wird nach Umsatzeinbußen neu aufgestellt. In Summe werden von Wiener Neudorf aus rund 4000 Filialen in zehn Ländern gesteuert. Der Gesamtumsatz beträgt 16 Milliarden Euro. Langzeit-Chef Frank Hensel verlässt 2018 das Unternehmen.

"Wiener Zeitung":Rewe stellt sich neu auf, Sie treten am 1. April 2018 ab. Was ändert sich?Frank Hensel: Im Wesentlichen stehen die neuen Strukturen schon, wir sind am 1. Jänner 2017 damit gestartet. Wir verantworten von Wiener Neudorf aus das gesamte Rewe Group-Auslandsgeschäft. Wir haben die Kollegen Michael Jäger, Marcel Haraszti und Christoph Matschke als neue Vorstände sowie Janusz Kulik, Franz Nebel und mich von der alten Garde. Einige Prozesse laufen noch, bezüglich Penny-Integration (seit 1. Jänner 2017 läuft das gesamte Penny-Geschäft über Wiener Neudorf, Anm.), die steht vor dem Abschluss. Dann gibt es drei operative Bereiche, Vollsortiment CEE Billa, Vollsortiment Österreich und Discount International Penny. Für den Standort Österreich ist das positiv, da sich der Verantwortungsbereich bezüglich Umsatz und Länder deutlich vergrößert hat. Das ist eine schöne Bestätigung, dass wir das offenbar nicht schlecht gemacht haben.



Warum wird so radikal umgebaut?

Die Entscheidung ist schon vor längerer Zeit gefallen. Die Idee ist, das Deutschland- und das Auslandsgeschäft jeweils getrennt zu bündeln und Synergien im Ausland zu nutzen. Dafür gibt es also gute Gründe.

Es gab immer wieder Rückzüge aus Auslandsmärkten, welcher folgt als nächster?

Wir prüfen das Portfolio immer, wir schauen, wo es eine gute und wo es eine schlechte Performance gibt. Wir hatten keine kritischen Märkte, wir haben überall das Ergebnis erreicht, das wir uns vorgestellt haben. Es geht eher um die Rahmenbedingungen, wie stark wir wachsen können. Aus Rumänien haben wir uns mit Billa zurückgezogen, damit wir Penny stärken, in Bulgarien sind wir mit Penny raus, um uns auf Billa zu konzentrieren. In Kroatien hatten wir mit Billa nicht die Marktposition geschafft, die wir angestrebt haben, deshalb sind wir da raus, aber dafür mit Bipa vertreten.



Warum wird es keinen Vorstandschef in Österreich mehr geben?

Die Vorstände, die bleiben, sind für ihren Geschäftsbereich verantwortlich und berichten nicht mehr an einen Vorsitzenden aus ihrem Kreis, sondern direkt an den Aufsichtsratsvorsitzenden, den zuständigen Vorstand der Rewe Group für das Auslandsgeschäft Jan Kunath. Wenn Sie so wollen, gibt es auch eine Art Generationswechsel, auch Caparros (Alain, Vorstandsvorsitzender der Rewe Group, Anm.) und weitere Kollegen, die die Vergangenheit geprägt haben, scheiden in diesem Jahr aus.



Wie sieht Ihre Bilanz nach zwölf Jahren bei Rewe in Österreich aus?

Die Bilanz fällt gut aus, sonst würde ich Ihnen nicht mehr gegenüber sitzen. In der Zeit hat sich viel bewegt, zunächst gibt es einige Marktteilnehmer nicht mehr, dann haben sich die Strukturen verändert, etwa in der Industrie. Entwicklungen, die ich kritisiere. Viele Firmen ziehen sich aus Österreich zurück, es gibt immer mehr DACH-Organisationen und weniger Verantwortliche, mit denen man auf Augenhöhe reden kann. Einige haben sich produktionstechnisch verabschiedet, zuletzt Unilever. Dadurch haben sich die Rahmenbedingungen geändert, was etwa eine über Österreich hinausgehende Beschaffung betrifft. Es gibt aber auch Gegentrends, wie den der Regionalisierung. Wir sind mehr in die Vertikalisierung gegangen, haben eine eigene Fleisch-, Wurst- und eine Convenience-Produktion. In den letzten Jahren wurde die digitale Umwälzung eine neue Herausforderung, das war vor zwölf Jahren so noch gar nicht abzusehen.

Was ist heute im Handel anders als vor zwölf Jahren?

Die Veränderungsprozesse laufen heute schneller, wir befinden uns in einem permanenten Veränderungsprozess. Früher gab es wiederkehrende Zyklen, die dann immer schneller wurden.

Was sind Ihre Zukunftspläne?

Zunächst habe ich bis April 2018 hier eine Zukunft, da bin ich voll gefordert. Was danach kommt, da habe ich mir noch nicht viele Gedanken gemacht. Schauen wir mal, vielleicht mehr mit meiner Harley fahren, zumindest mehr als jetzt.

Wie läuft das aktuelle Geschäftsjahr bei Rewe in Österreich?

Es gibt viele Sonderfaktoren. Wir sind im Lebensmitteleinzelhandel gut unterwegs, es ist kein Geheimnis, dass wir mit Bipa eine Baustelle haben, an der wir intensiv arbeiten. Die Veränderungsprozesse laufen und werden noch einige Zeit dauern, aber wir werden wieder eine positive Entwicklung aufweisen können. Wir haben nicht so stark von der Zielpunkt-Insolvenz profitiert, weil wir als Marktführer hohe Auflagen hatten. Wir hatten zum ersten Mal unter meiner Führung keine Nettoexpansion mehr, das wird sich heuer nochmal auswirken. Wir wachsen auf bestehender Fläche, aber es wird weniger sein. 2016 lag das Umsatzplus bei 3,7 Prozent. Trotzdem war es richtig, Zielpunkt-Filialen zu übernehmen, sie nicht der Konkurrenz zu überlassen und so das Standortportfolio zu optimieren.

Oft wird die hohe Konzentration in der heimischen Handelslandschaft kritisiert. Wie rechtfertigen Sie das als Marktführer?

Ich halte die Diskussion für völlig überzogen. Die drei betroffenen Unternehmen haben in den vergangenen Jahren einen tollen Job gemacht, das Resultat ist, dass sie ihre Marktstellung ausbauen konnten. Es wird vergessen, dass es in der Industrie einen extrem starken Konzentrationsprozess gegeben hat. Durch Themen wie Regionalisierung spielt aber auch die Größe nicht mehr so eine Rolle. Es gibt viele Möglichkeiten für Lieferanten, sich zu profilieren. Alle großen Marktteilnehmer haben einen starken Bezug zu Österreich, das ist in der Handelslandschaft in Europa einzigartig. Wir haben eine der höchsten Bio-Raten und kleinstrukturiertesten Landwirtschaften in Europa, darum beneidet man uns. Wenn die hohe Konzentration negativ wäre, müsste das ja umgekehrt sein.

Die Diskonter machen wieder mehr Druck auf Vollsortimenter, spüren Sie das?

Jeder versucht, mit neuen Konzepten noch besser zu werden. Es gibt gewisse Annäherungen bei den Sortimenten, aber die beiden Konzepte werden weiter am Markt nebeneinander bestehen. Es gibt keinen Trend in eine der beiden Richtungen. Wenn Sie sich heute einen Diskonter ansehen, dann ist der mit einem Ur-Diskonter vor 20 Jahren nicht mehr zu vergleichen. Auch ein Supermarkt hat mit einem Supermarkt vor 20 Jahren nicht mehr viel zu tun.

Wie schätzen sie die gesamtwirtschaftliche Entwicklung ein?

Das Jahr hat gut angefangen, aber die wichtigen grundlegenden Reformen, die die Volkswirtschaft betreffen, haben bedingt durch die Neuwahlsituation nicht stattgefunden. Die konstruktiven Ansätze werden leider nicht mehr umgesetzt werden können. Zumindest wird dieses Jahr nicht viel passieren, was ich sehr bedauere. Das wird sich nicht positiv auf das Konsumverhalten auswirken. Die österreichische Konjunkturprognose ist gut und die Arbeitslosigkeit leicht rückläufig. Aber das Problem ist die Langzeitarbeitslosigkeit, das ist noch nicht gelöst worden. Diese Verzögerungen bringen Ungewissheit, und das ist für den Konsum nie gut.

Wie ist die Lage in Osteuropa?

Da gibt es eine sehr dynamische Entwicklung, die Länder laufen besser als in den vergangenen Jahren, ich glaube, das ist nachhaltig. Risiken, wie das Wechselkursrisiko, kann man nie ausschließen, aber ich bin optimistisch.

Zur Person

Frank Hensel

wurde 1958 geboren. 1999 begann der gebürtige Deutsche bei der Rewe Group, seit August 2005 ist er im Vorstand der Rewe International AG. Im April 2008 wurde er Vorstandsvorsitzender. Er ist Aufsichtsratsvorsitzender der "Wiener Zeitung".