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Druck auf Steuervermeider wächst

Von Thomas Pressberger

Wirtschaft
Steuerflucht findet nicht nur auf Inseln wie Mauritius statt, sondern auch mitten in der EU.

Die EU verliert jährlich 70 Milliarden Euro durch Steuervermeidung. Doch der Widerstand wird größer.


Wien. Finanzminister Hans Jörg Schelling stellte gestern Mittwoch drei Wochen früher als geplant sein Maßnahmenpaket gegen Steuervermeidung vor. "Die Steuervermeidungspraxen sind zu unterbinden und dieser Prozess muss beschleunigt werden", sagt Schelling vor Journalisten. Das Ziel sei der Schutz der redlichen Unternehmen vor den unredlichen. "Die EU braucht eine gemeinsame Strategie gegen Steuerflucht", sagt Schelling. Es gehe nicht nur um Steueroasen wie Panama oder Mauritius, denn diese finde auch mitten in der EU statt.

Das Paket umfasst drei Punkte: bereits umgesetzte Maßnahmen, Maßnahmen, die auf nationaler Ebene möglich sind, und jene, die sich nur auf europäischer Ebene lösen lassen. Bereits umgesetzt wurden unter anderem das Abzugsverbot von Zinsen und Lizenzen, der Country by Country Report - internationale Konzerne müssen offenlegen, wie hoch ihre Umsätze und Gewinne in welchem Land sind - sowie ein automatischer Infoaustausch, der Steuerhinterziehung mittels ausländischer Konten verhindern soll.

Anonyme Trusts cashen ab

Ein großer Teil der Steuervermeidung geht auf anonyme Trusts zurück, sagt Schelling. Daher soll auf nationaler Ebene ein Register geschaffen werden, um festzustellen, wer einer Steuerpflicht unterliegt. Abgabepflichtige sollen einer Mitwirkungspflicht bei Auslandsangelegenheiten unterliegen. Auf internationaler Ebene will Schelling stärker daran arbeiten, ausländische Online-Plattformen stärker in die Pflicht zu nehmen. Auch müsse man prüfen, wie weit Soziale Medien mit ihren Daten Gewinne machen. Bei der Körperschaftsteuer sei zumindest die Bemessungsgrundlage zu vereinheitlichen, den Steuersatz will Schelling nicht anrühren.

Den Mix an Maßnahmen hält Wifo-Steuerexpertin Margit Schratzenstaller für sinnvoll. Sie vermisst allerdings, dass die Verteilung der Gewinnbesteuerung auf einzelne Länder nicht mit Mindeststeuersätzen bei der Körperschaftssteuer kombiniert sind. So würde man den Druck auf Körperschaftssteuersätze reduzieren und dem Unterbietungswettbewerb zwischen einzelnen Ländern entgegenarbeiten.

Staaten missachten Regeln

Wie dringend die Umsetzung der Maßnahmen gegen Steuervermeidung ist, zeigen die Zahlen, die der ÖVP-Delegationsleiter im EU-Parlament, Othmar Karas, zu dem Thema parat hat. "70 Milliarden Euro verliert die EU jährlich durch Steuervermeidungspraktiken", sagt Karas. Eine Billion Euro gingen durch Steuerbetrug, Steuerhinterziehung und Steuervermeidung verloren. Allein im Jahr 2015 hätten Banken in Staaten, in denen sie keine Mitarbeiter hätten, 628 Millionen Euro Gewinn gemacht. Noch immer würden KMU bis zu 25 Prozent Unternehmenssteuern berappen, während multinationale Konzerne oft weniger als ein Prozent bezahlen. Der Grund für diese Auswüchse: "Es gibt Regeln, an die sich manche Mitgliedsstaaten nicht halten", sagt Karas.

Im Zusammenhang mit der Steuervermeidung begrüßt er die laufende Debatte über die Wirtschafts- und Währungsunion. Der Euro sei 15 Jahre alt und die zweitgrößte Währung der Welt. Die Diskussion müsse vertieft werden, denn die Währungsunion brauche stärkere Instrumente.

Ein weiterer Schritt, der die Steuervermeidung eindämmen soll, ist die heute im Ministerrat beschlossene Teilnahme Österreichs an der Europäischen Staatsanwaltschaft. "Ich bin überzeugt, dass wir in Zeiten wie diesen über die Grenzen hinaus unsere Kräfte bündeln und auf europäischer Ebene zusammenarbeiten müssen", sagt Vizekanzler und Justizminister Wolfgang Brandstetter dazu in einer Aussendung. Die Europäische Staatsanwaltschaft soll vor allem beim Missbrauch von EU-Geldern und Umsatzsteuerbetrug ermitteln. Jährlich entsteht der EU damit Schätzungen zufolge ein Schaden von 50 Milliarden Euro. Die EU-Kommission hatte bereits im Jahr 2013 die Schaffung einer solchen Behörde vorgeschlagen.

Aus für geschicktes Taktieren

Auch auf internationaler Ebene regt sich Widerstand gegen gängige Steuerpraktiken. Mehr als 60 Länder wollen dafür sorgen, dass Steuerschlupflöcher für international tätige Konzerne bald geschlossen werden. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble kündigte am Mittwoch an, dazu mit Vertretern anderer Länder einen völkerrechtlichen Vertrag zu unterzeichnen. Hintergrund ist die BEPS-Initiative (Base Erosion and Profit Shifting - die Verminderung von Bemessungsgrundlagen und das Verschieben von Gewinnen). Damit soll der legalen Steuervermeidung durch geschickte Ausnutzung unterschiedlicher nationaler Regeln ein Riegel vorgeschoben werden.

Für Österreich kommen diese Pläne in einer Phase des Aufschwungs. Laut einer aktuellen OECD-Prognose treiben der private Konsum und Investitionen das Wachstum von Österreichs Wirtschaft an. Auch die Exporte, die wegen der überdurchschnittlich hohen Inflation zuletzt geschwächelt haben, sollten sich erholen. Die OECD geht für Österreich von einem Wirtschaftswachstum von 2,2 Prozent heuer und 1,7 Prozent 2018 aus. Erstmals sei 2011 gewinne das Wachstum an Dynamik. Um das Wachstum zu erreichen, mahnt die OECD Strukturreformen ein. Die Unternehmensgründung sollte erleichtert, Start-ups stärker gefördert und Marktzutrittsschranken abgebaut werden.