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Große Modehäuser verlieren an Boden

Von Thomas Pressberger

Wirtschaft
Große Modehändler müssen immer öfter zusehen, wie sie Kunden an ausländische Online-Händler verlieren. Im vergangenen Jahr sind ihre Marktanteile besonders stark gesunken.
© Fotolia/Gina Sanders

H&M, C&A und Peek&Cloppenburg haben 2016 an Marktanteilen verloren. Schuld daran ist der Online-Handel.


Wien. Die drei größten Marktteilnehmer im österreichischen Bekleidungshandel haben 2016 deutlich an Boden verloren. "Sieht man sich H&M, C&A und Peek&Cloppenburg an, so haben alle drei von 2015 auf 2016 an Marktanteilen und Quadratmeter-Umsatz verloren", sagt Hania Bomba, Geschäftsführerin des Standortberatungsunternehmens Regioplan. Die Marktanteile der Nummer zwei und drei, C&A und Peek&Cloppenburg, seien sogar von einem niedrig zweistelligen auf einen hohen einstelligen Prozentbereich abgerutscht, H&M sei noch zweistellig, habe aber im vergangenen Jahr deutlicher als in den Jahren davor verloren. Dabei hätten H&M fünf Standorte und Peek&Cloppenburg einen Standort zusätzlich aufgesperrt, lediglich C&A habe sein Filialnetz um fünf Standorte verringert.

Der Grund für das Abschmelzen der Marktanteile der großen Player ist der wachsende Online-Handel. "Der Anteil des Online-Handels liegt in der Bekleidungsbranche bei 25 Prozent, das müssen große Marktteilnehmer wie H&M spüren", sagt Bomba. Die Konsumenten hätten heute eine unglaubliche Vielfalt an Angeboten. Wer einkaufen wolle, sei nicht auf Wien oder Österreich limitiert, sondern könne das auf der ganzen Welt tun. Der Online-Handel biete Zugang zu allen Marken, auch jenen, die es in Österreich nicht gebe.

Bomba vergleicht die großen Handelsketten mit Schlachtschiffen, die ihre Richtung nicht rasch ändern können. Nun seien viele kleine Speedboote dazugekommen, die die Branche mit neuen Konzepten und Handelsformaten aufwirbelten.

Dabei hätten manche großen, wie etwa H&M, früh mit dem Online-Handel begonnen und ein gutes Multichannelkonzept gefahren, sagt Bomba. H&M habe nicht bloß ein Online-Store gestartet, sondern verkaufe dort die Ware mit Storytelling. Allerdings funktioniere die Integration mit dem stationären Handel nicht reibungslos. Online würden Waren verkauft, die in Läden nicht geführt würden, dort aber zurückgegeben werden könnten. Oft gebe es in den Läden Einzelstücke in einer Größe, die nicht leicht anzubringen seien.

Opfer des eigenen Erfolgs

Ein weiteres Problem sei der Fluch der eigenen Größe. Ein H&M-Geschäft gebe es "fast an jeder Ecke", weshalb die Begehrlichkeit mangels Exklusivität sinke, sagt Bomba. Zara sei dagegen im österreichischen Bekleidungshandel die stärkste Marke, sie gelte als jung und exklusiv. Zara verfügt hierzulande über 16 Standorte, H&M über 78, C&A gar über 133. Peek&Cloppenburg hat "nur" 13 Standorte, dafür aber mit sehr großer Fläche. "Das eigene Wachstum schadet, wenn man zu groß wird und die Quadratmeter-Umsätze nach unten gehen", sagt Bomba. Ab einer bestimmten Größe müsse man mit neuen Konzepten arbeiten.

Die gesamte Branche hat 2016 ein Umsatzplus von einem Prozent verzeichnet und damit wieder ein wenig an Dynamik gewonnen. Das letzte größere Wachstum gab es 2010 mit einem Plus von 3,5 Prozent, bis 2014 stagnierten die Umsätze, ehe sie 2015 erstmals mit 0,4 Prozent leicht zulegten. Der Bekleidungshandel setzt in Österreich rund 4,6 Milliarden Euro um. Ob sich auch in den kommenden Jahren Wachstum einstellen werde, sei laut Bomba offen, der Branche stehe ein Umbruch bevor. "Heuer oder nächstes Jahr werden die Verbraucherausgaben in der Gastronomie erstmals höher sein als im Bekleidungs- und Schuhhandel." Außerdem habe der Bekleidungshandel die Kategorie gewechselt. Früher ging es um Einkauf, heute um Entertainment. "Doch das ist bei vielen Unternehmen noch nicht angekommen", sagt Bomba.

"Der Online-Handel reüssiert, weil er einfach und schnell ist", sagt Jutta Pemsel, Obfrau des Bundesgremiums Handel mit Mode und Freizeitartikeln in der Wirtschaftskammer Österreich. Das würde zum Umkehrschluss führen, dass Händler auf stationärer Fläche, die gute Ware und gutes Service anbieten, ebenso erfolgreich sein könnten. Das mobile Internet habe den Druck auf die stationäre Fläche erhöht, da sich Kunden im Geschäft über Ware und Preise informieren könnten. Stationärer Handel und Online-Handel seien zwei verschiedene Paar Schuhe, Ersterer hänge noch immer vom Faktor Mensch ab, Letzterer sei technischer und habe mehr mit Algorithmen und IT zu tun. "Wer stationär erfolgreich sein will, muss mit einer Homepage präsent sein, gute Produkte, ein gutes Preis-Leistungsverhältnis und gutes Beratungsservice anbieten", sagt Pemsel. Im Online-Handel dagegen zählten Schnelligkeit, Retourwarenmanagement und Zahlungsmöglichkeiten.

Erstes Halbjahr gut verlaufen

Der Online-Handel bringe zwar einen Strukturwandel mit sich, es sei jedoch nicht das erste Mal, dass sich die Rahmenbedingungen im Bekleidungshandel radikal änderten. "Anfang der 2000-er Jahre wurden die Einkaufszentren in Österreich flächendeckend ausgerollt, was zu einer Verschiebung der Standorte führte", sagt Pemsel. Es gab mehr Fläche bei gleichem Umsatz. Dann folgte die Vertikalisierung, sprich, dass Produktion und Handel in eine Hand kamen. "Da kam es zu einer völlig neuen Vertriebsform." Es sei nicht nur der Online-Handel schuld, wenn Unternehmen zusperren müssten. Oft gehe das auf Fehlentscheidungen zurück oder würden keine Nachfolger gefunden. Es seien nicht nur kleine, sondern auch große Unternehmen vom Strukturwandel betroffen.

Die positive Entwicklung des Vorjahres hat sich heuer fortgesetzt. "Seit Anfang Jänner bis jetzt läuft das Geschäft gut", sagt Pemsel. Die Branche liege mit rund einem Prozent über dem Vergleichszeitraum des Vorjahres. Ein Grund dafür sei das gute Wetter gewesen, das einen großen Einfluss auf das Geschäftsgebaren habe. In Deutschland etwa habe sich der Bekleidungshandel im gleichen Zeitraum nicht so gut entwickelt, obwohl die Konjunkturdaten besser gewesen seien.