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Ein Unterschied wie Tag und Nacht

Von Thomas Pressberger

Wirtschaft
Es muss richtig krachen: Eine Semmel aus einem Tiefkühlteigling hat gegen eine echte Bäckersemmel keine Chance.
© Fotolia/magdal3na

Aufbackstationen der Supermarktketten machen den Bäckern das Leben schwer. Doch die Zunft versteht es, sich zu wehren.


Wien. Wenn Bäcker in die Arbeit gehen, ist es noch dunkel. Wenn sie fertig sind, ist es hell. Und so groß wie der Unterschied zwischen Tag und Nacht ist auch der Unterschied zwischen einer Bäckersemmel und einer aus einem Tiefkühlteigling. Dennoch haben die industriellen Tiefkühlwaren und halbfertigen Produkte, die in den Aufbackstationen der großen Lebensmittelketten und Selbstbedienungsbäckereien fertiggemacht werden, vielen Gewerbebetrieben die Lebensgrundlage entzogen.

"Das riecht gut, ist warm und gilt dann für viele als frisch", sagt Anka Lorencz, Geschäftsführerin der Bundesinnung der Lebensmittelgewerbe. Der Unterschied zu den Produkten der Bäcker sei jedoch immens. Hefe sei ein lebendiger Pilz, der Kälte nicht leiden könne. Semmeln, die aus Tiefkühlteiglingen gebacken werden, würden nicht so gut aufgehen wie frisch gemachte Semmeln. Außerdem würden sie schneller zäh.

Der Alltag sei für die meisten Bäcker ein harter. Das Bäckersterben der vergangenen Jahre habe sich zwar eingebremst, schreite aber immer noch voran. "Wir verlieren jährlich Betriebe, wenn auch nicht in dem Ausmaß wie früher", sagt Lorencz. Als vor zehn oder 15 Jahren die Lebensmitteleinzelhandelsketten in das Brotgeschäft eingestiegen sind, sei es zu einer Verschiebung am heimischen Brotmarkt gekommen. Davor, in den 1970er Jahren, sei das Pendeln verstärkt aufgekommen, wodurch die Konsumenten nicht mehr zu Hause beim Bäcker, sondern in irgendeinem Supermarkt auf dem Weg zur Arbeit eingekauft hätten.

Anonyme Weckerl

Erfreulich sei, dass immer mehr Konsumenten nach dem Original suchen, sagt Lorencz. "Sie wollen etwas Traditionelles aus der Region." Das hänge mit der Unsicherheit durch die Globalisierung zusammen. Immer mehr Leute würden es schätzen, ihren Bäcker zu kennen und nicht das Weckerl von einem anonymen Hersteller zu kaufen. Der Trend zu ausgefallenen Produkten, etwa aus alten Getreidesorten wie Einkorn, gebe ebenfalls Auftrieb.

Viele Bäcker hätten eine gute Story, würden aber nicht die Notwendigkeit erkennen, diese auch zu erzählen. "Sie haben traditionelle Rezepte oder ein tolles Brot entwickelt. Für diese Bäcker ist das aber selbstverständlich und sie reden nicht darüber", sagt Lorencz. Es gebe viele "hidden stories", die man erzählen müsse - genau solche Geschichten kämen gerade heute in Zeiten der Massenproduktion bei den Konsumenten gut an. "Viele Bäcker haben ein Alleinstellungsmerkmal, und wissen es gar nicht", sagt Lorencz. Innovation mache sich auch in anderen Bereichen bezahlt, etwa Bäcker, die zu ihren Kunden kommen. Online werde bestellt, per Lieferservice die Ware an die Haushalte zugestellt.

Nachtarbeit reizt wenige

Wachsende Konkurrenz durch Selbstbedienungsketten, wie es sie in Deutschland gibt, fürchtet die Branche nicht. In Österreich sei das Convenience-Segment durch die großen Handelsketten besetzt und das Qualitätssegment durch die Bäcker. "Es könnte sein, dass es der eine oder andere probiert, aber es würde sehr schwer sein", sagt Lorencz. Mehr Sorgen macht den Bäckern die Suche nach Fachkräften. "Gute Bäcker sind Mangelware", sagt Lorencz. Es sei schwierig, Lehrlinge für die Nachtarbeit zu begeistern. Auch eine gute Bezahlung würde viele Junge nicht überzeugen. Um zwei Uhr fange das Backen an, um sechs Uhr müsse die Ware in den Geschäften sein. Manche würden noch früher aufstehen, etwa wenn sie Spezialitäten zubereiten. Ein Innungsmeister beginne um 23 Uhr, weil er das Mehl mit einer eigenen Mühle mahle.

Auch die Nachfolgersuche sei mühsam. Der Durchschnitt habe vier oder fünf Filialen. "Viele werden die Opfer des eigenen Erfolgs", sagt Lorencz. Sie wollten, dass es ihre Kinder einmal besser haben, und schicken sie auf die Universität. An eine Übernahme des Betriebs sei dann meist nicht mehr zu denken. Dennoch seien Bäcker stolz auf ihren Beruf. "Es ist schön, mit den eigenen Händen etwas zu machen, das gut schmeckt." Viele könnten sich keine andere Tätigkeit vorstellen. Wenn das Brot heiß aus dem Ofen komme, sei man für die harte Arbeit entlohnt. Und während andere noch im Büro sitzen, liege mancher Bäcker am Nachmittag am See - freilich sei der Abend dafür etwas kürzer.

Eine Frage der Stimmung

Der Branche ein Dorn im Auge ist, dass die großen Handelsketten sich in der Öffentlichkeit als Handwerker darstellen, das aber nicht sind, sagt Eva Schrott, die die Bäckerei Josef Schrott gemeinsam mit ihrem Mann führt. "Sie beschäftigen zwar Bäcker, haben aber keine handwerkliche Bäckerei." Der Kundschaft werde vorgegaukelt, dass sie Handwerksware bekomme, was nicht der Fall sei.

Ein anderes Problem sind die zahlreichen Verordnungen. "Wir müssen 110.000 Gesetzespassagen kennen und anwenden", sagt Schrott. Das Unternehmen bestehe seit 1885, und es habe auch ohne Verordnungen noch niemand am Schrott-Brot Schaden genommen. Die Texte würden sich teilweise widersprechen, bei der Höhe der Strafen komme es oft auf die Stimmung der Kontrollorgane an. "Eine hohe Strafe kann einen kleinen Betrieb ins Wanken bringen." Es fehle die Unterstützung der Politik. Die Schrotts selber setzen auf Nischenprodukte. "Wir haben seit 30 Jahren Bio-Produkte und bieten als zweites Standbein traditionelle Wiener Backwaren an", sagt Schrott.

Die Weinviertler Bäckerei Geier hat sich dem Personalproblem gestellt. "Wir haben ein aufwendiges Schulungsprogramm und viele interne Schulungen", heißt es seitens des Unternehmens. Die Mitarbeiter müssten die Produkte und deren Qualität vermitteln können, damit man sich von den Supermärkten abhebe. Sie könnten den Kunden sämtliche Informationen über die Produkte - auch ausgedruckt - mitgeben.

Geier positioniert sich durch "ehrliche Nachhaltigkeit", 80 Prozent der Rohstoffe kommen aus einem Umkreis von 50 Kilometern - das Unternehmen hat seinen Sitz in Strasshof an der Nordbahn. In der Backstube wird noch alles per Hand hergestellt - außer das, was die Hand nicht besser als eine Maschine kann. Und Maschinen gibt es bei Geier nicht viele.