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Übernahmekarussell dreht sich schneller

Von Andrea Möchel

Wirtschaft

In der Konsumgüter- und Handelsbranche ist die Lust auf Übernahmen weiter ungebrochen.


Wien. "Für heuer rechnen wir mit Unternehmensfusionen und -akquisitionen auf historischem Rekordhoch", so lautet die optimistische Prognose von Mirko Warschun, Experte des Unternehmensberaters A.T. Kearney. Doch nicht alle Player werden vom Hype profitieren, denn der Markt der Firmenzusammenschlüsse und Übernahmen, auch M&A-Markt genannt, wird sich mittelfristig zweiteilen. "Auf der einen Seite wird es Megadeals für Größenvorteile und erweiterten Marktzugang geben, auf der anderen Seite kleine Übernahmen für Innovationen", meint Warschun. "Das mittlere Segment wird es dagegen schwer haben."

Jahr der Mega-Deals

Die Experten von A.T. Kearney haben für die Studie "Consumer & Retail M&A 2017" rund tausend Transaktionen in der Konsumgüter- und Handelsbranche zwischen 2005 und 2017 analysiert, die weltweite Fusionsentwicklung durchleuchtet und Branchenkenner zu Herausforderungen und Zukunftstrends befragt. Zentrale Erkenntnis: Nachdem der Markt für Transaktionen im Vorjahr das Vorkrisenniveau von 2008 erreicht hat, ist heuer erneut mit einem Anstieg zu rechnen.

Tatsächlich war 2016 ein Jahr der Megadeals. Innerhalb der untersuchten Branche wurden Fusionen und Akquisitionen im Wert von 450 Milliarden Dollar abgeschlossen, das entspricht einer Steigerung um 30 Prozent im Vergleich zu 2015. Am größten war der Kaufrausch in den USA und Europa, mit 75 Prozent des weltweiten Transaktionsvolumens. Dass Europa mit 45 Prozent die Nase vor den USA hatte, ist vor allem dem Megadeal zwischen dem belgischen Bierbrauer Anheuser-Busch Inbev und seinem britischen Rivalen SAB-Miller zu verdanken.

In Österreich kletterte das Transaktionsvolumen 2016 von 4,7 auf 10,7 Milliarden Euro, wie eine Analyse des Wirtschaftsprüfers Ernst & Young belegt. Auch hier wurde der deutliche Anstieg von mehreren großen Transaktionen getrieben: Dazu zählen der 2,9-Milliarden-Euro-Deal bei der Übernahme des Wiener Immobilienunternehmens Conwert durch die deutsche Vonovia und die rund 1,2 Milliarden Euro schwere Übernahme der brasilianischen Magnesita durch den österreichischen Feuerfestkonzern RHI. Insgesamt entfielen hierzulande die höchsten Transaktionswerte auf den Immobilien-, gefolgt vom Technologiesektor.

Am attraktivsten war für österreichische Investoren mit 34 Prozent aller Deals Deutschland. Weitere 44 Prozent der M&A-Deals wurden im Rest Europas, sechs Prozent in den USA getätigt.

Bleibt die Frage, was den M&A-Markt gegenwärtig befeuert. "Die Unternehmen der Konsumgüter- und Handelsbranche verfügen über viel Cash, haben aber besonders in den reifen Märkten kaum Chancen, aus eigener Kraft signifikant organisch zu wachsen, also investieren sie großzügig in M&A", skizziert Warschun die Gründe für die Dynamik.

Mit Venture-Fonds investieren

Allerdings sind bereits erste Bremseffekte zu verzeichnen. So ist die Bereitschaft, hohe Preise zu zahlen, offenbar enden wollend. Trotzdem wird es 2017 einen weiteren Anstieg der M&A-Aktivitäten geben, prognostiziert A.T. Kearney. Einerseits sei die Pipeline bereits jetzt mit Transaktionen in Höhe von 200 Milliarden Dollar gefüllt, die im vergangenen Jahr nicht (mehr) abgeschlossen wurden. Andererseits sind heuer weitere Megadeals angekündigt, darunter die 50 Milliarden Dollar schwere Fusion des französischen Glasproduzenten Essilor mit dem italienischen Brillenhersteller Luxoticca.

"Während im Bereich Lebensmittel und Getränke mit einer stärkeren Regionalisierung zu rechnen ist, will der Handel mit digitalen Playern sein Geschäftsmodell weiterentwickeln", erklären die Unternehmensberater. Erwartet werden überdies ein ausgewogenes Wachstum zwischen den Regionen sowie weitere grenzüberschreitende Transaktionen. Europa biete insbesondere für die Amerikaner angesichts des starken Dollars attraktive Übernahmeziele.

Noch ein Trend zeichnet sich ab: Als Beispiel dafür, wie man es schafft, über kleine Innovatoren zu wachsen, nennt A.T. Kearney den "sehr aktiven Unilever-Venture-Fonds, der in den vergangenen Jahren 18 Deals getätigt hat". Ein Beispiel, das offenbar Schule macht, denn in Deutschland will nach Tengelmann und Bosch nun auch Henkel mit einem Venture-Fonds bis zu 150 Millionen Euro in innovative Start-up-Unternehmen investieren.