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"Wir denken nicht in Quartalen"

Von Reinhard Göweil

Wirtschaft

Kapsch feiert 125-jähriges Jubiläum - österreichisches Familienunternehmen leistete Pionierarbeit.


Wien. 1892 gründete Johann Kapsch im siebten Wiener Gemeindebezirk eine Werkstätte, die Morse-, Telegrafen- und Telefon-Apparate herstellte. Der Zusammenbruch der Donaumonarchie im Jahr 1918 bedeutet für das Unternehmen einen erheblichen Dämpfer. Dieser Johann Kapsch muss aber ein überaus innovativer Kopf gewesen sein. 1924 war er bereits wieder vorne mit dabei, begann mit der Herstellung von Radioapparaten und war ein Mitbegründer der Radio Verkehrs AG (Ravag), einem Vorläufer des ORF.

1938 ging Österreich das nächste Mal unter, mit dem Anschluss an das "Deutsche Reich" der Nationalsozialisten. "Unsere Familie waren keine Nazis", sagt Georg Kapsch, heutiger Chef der gleichnamigen Familienholding und Präsident der Industriellenvereinigung (IV). "Es gab Zwangsarbeiter, keine Frage. Einer von ihnen war der mittlerweile verstorbene Schriftsteller Johannes Mario Simmel. Ich habe ihn einmal kontaktiert, er hat mir bestätigt, dass ihn das Unternehmen ordentlich behandelt hat."

Wie viele Zwangsarbeiter Kapsch beschäftigte, lässt sich nicht mehr feststellen, das Wiener Unternehmen wurde zerbombt. Der nächste Meilenstein von Kapsch war das tragbare Transistorradio "Capri", 1958. Es wird nun in einer modernen Version (mit Bluetooth) anlässlich des 125-Jahr-Jubiläums in einer "limited edition" von 2000 Stück neu angeboten.

Erfolgreicher Einstiegins Mautgeschäft

Der Umstellung auf Elektronik in den 1980er Jahren folgte Anfang der 2000er Jahre eine existenzielle Krise - und die endgültige Trennung von der zweiten Eigentümerfamilie Schrack. Georg Kapsch und sein Bruder Kari Kapsch stellten mit Hilfe des von Schrack gekommenen heutigen Finanzvorstands Franz Semmernegg das Unternehmen völlig neu auf. "Kari hatte die Idee, ins Mautgeschäft einzusteigen", sagte Georg Kapsch in einem Gespräch mit Journalisten. Der jüngere Bruder leitet heute das Telekommunikationsgeschäft der Gruppe.

Bei den elektronischen Mautsystemen ist Kapsch nicht nur in Europa tätig, sondern auch in Australien und den USA. Erst im Juni hat Kapsch TrafficCom den Auftrag für ein Mobil-Ticket-System für die Verkehrsregion Atlanta (Georgia) in den USA erhalten. Der Auftragswert beträgt etwa 10 Millionen Euro. Auch Südamerika sei stark im Kommen, sagte Kapsch.

Obwohl das Unternehmen, das insgesamt heute 1,1 Milliarden Euro umsetzt und 5000 Mitarbeiter beschäftigt, an der Börse notiert, kontrollieren die beiden Brüder Kapsch und ihre Schwester den Konzern. "Der Vorteil eines Familienunternehmens wie dem unseren ist es, dass wir nicht in Quartalen denken." Langfristige Strategien stehen im Vordergrund. "Mobilität, Sicherheit, Digitalisierung", das sind die kommenden Schwerpunkte von Kapsch, einem der größten IT-Dienstleister der heimischen Industrie.

EU unterschätztChina sträflich

Kari Kapsch sieht im Telekommunikationsbereich vor allem eine Bedrohung: "China ist in diesem Bereich stark im Kommen, das wird von der EU sträflich unterschätzt. Wir sind daher gegen den Marktstatus von China, der Zölle verbietet. Denn mit der staatlichen Unterstützung der dortigen Mitbewerber ist kein fairer Handel auf Augenhöhe möglich", kritisiert er.