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Die rot-weiß-rote Autowelt

Von Karl Leban

Wirtschaft

Zukunftsweisende Elektromobilität: Auf Österreichs Zulieferbetrieben lastet großer Innovationsdruck.


Wien. Kanzler Christian Kern und Vizekanzler Wolfgang Brandstetter gaben sich vor kurzem mitten im Wahlkampf ein Stelldichein in der oberösterreichischen Marktgemeinde Rainbach im Mühlkreis. Der Grund für ihren Abstecher an die tschechische Grenze war ein Betriebsbesuch, genau genommen die Eröffnung der neuen Firmenzentrale von Kreisel Electric. Dieses Unternehmen ist auf den Bau von Hochleistungsbatterien vor allem für E-Autos spezialisiert, kooperiert mit allen deutschen Autobauern (außer Opel) und gilt als hochinnovativ und stark wachsend. Bis 2018 will die erst drei Jahre alte Firma die Zahl ihrer Beschäftigten auf mehr als 200 verdoppeln.

Kreisel ist eines von hunderten Unternehmen der heimischen Autozulieferindustrie. Diese Branche ist rein volkswirtschaftlich eine der wichtigsten im Land. Auf sie entfielen Ende August insgesamt 34.650 Beschäftigte. Daher kommt es auch nicht überraschend, wenn die Spitzenkandidaten der Parteien im Wahlkampf ausgewählten Betrieben einen Besuch abstatten.

Vom Motor bis zum Sportsitz

Ohne Österreichs Autozulieferindustrie könnte jedenfalls kaum ein Auto weltweit vom Fließband rollen, heißt es bei Experten. Vom Motor bis zum Sportsitz, von Karosserieteilen und Sicherheitssystemen bis zur Batterie - die Palette dessen, was für die Autobauer produziert wird, ist breit. Zu den Großen der heimischen Zulieferer zählen etwa BMW Motoren, Magna Steyr, MAN Österreich, Voestalpine, AVL List, Opel Wien, Miba und Bosch.

Als Autoland weist Österreich unter anderem folgende Kennzahlen aus. Seit dem Jahr 1980, das quasi den Beginn markierte, sind hierzulande in Summe rund drei Millionen Autos produziert worden. Laut Zahlen des Fachverbands der Fahrzeugindustrie werden außerdem pro Jahr 2,4 Millionen Motoren und Getriebe hergestellt. Die Umsätze, die der gesamte hiesige Autosektor jährlich direkt erwirtschaftet, werden mit rund 43 Milliarden Euro beziffert.

Scharfer Wettbewerb

Hart sind freilich die Wettbewerbsbedingungen. Gerade jetzt - aufgrund der immer kürzer werdenden Produktionszyklen in der Autoindustrie - sehen die Unternehmensberater von PricewaterhouseCoopers (PwC) Österreichs Zulieferer unter "massivem Innovationsdruck", wie sie in einer im Juni veröffentlichten Studie festhielten. Forschung und Entwicklung (F&E) seien deshalb ein nicht zu vernachlässigender Faktor. Zuletzt sind in der österreichischen Fahrzeugindustrie pro Arbeitsplatz jährlich an die 20.000 Euro für F&E aufgewendet worden.

Die Beraterfirma Roland Berger stellt den rot-weiß-roten Zulieferern hier jedoch ein recht gutes Zeugnis aus: "Vor allem in den Bereichen E-Mobilität und neue Materialien ist die heimische Forschung sehr stark." Im Hinblick auf mögliche Fahrverbote für Autos mit Verbrennungsmotoren, die in der politischen Diskussion zuletzt im Raum standen, ist dies sehr wichtig. Zumal diese Verfügungen früher kommen könnten als gedacht - womöglich schon 2030.

In Österreich würden pro Jahr zirka 350 Patente rund ums Auto angemeldet, jede 67. Auto­Innovation weltweit komme aus der Alpenrepublik, so Roland Berger. Allein in Sachen Elektromobilität hätten österreichische Firmen in den vergangenen fünf Jahren 233 Patente angemeldet. Mit Blick auf deren Erfindergeist und dem zukunftsweisenden E-Auto zeigt sich auch Bank-Austria-Volkswirt Günter Wolf überzeugt: "In den nächsten zehn Jahren wird sich da einiges tun."

Abhängig von Deutschland

Die meisten heimischen Zulieferbetriebe sind stark von der Autoindustrie in Deutschland abhängig. Das birgt freilich auch Risiken. So sind die deutschen Autokonzerne noch damit beschäftigt, die Dieselaffäre zu verdauen. Bisher hat die Politik die Autobauer wegen deren Bedeutung für den Arbeitsmarkt jedoch weitgehend verschont. Aktuell gibt es auch keine Anzeichen dafür, dass die Gangart verschärft wird.

Zuletzt hat sich das Branchenklima der Kfz-Industrie in Österreich trotz der generell gut laufenden Konjunktur allerdings leicht eingetrübt. Das halten die Ökonomen der Bank Austria mit Hinweis auf das stark rückläufige Geschäftsvertrauen im August in einer kürzlich erschienenen Analyse fest. Voraussichtlich habe die Branche die Schwächephase aber im dritten Quartal überwinden können. Dafür spreche, dass die Produktionserwartungen der Firmen für die nächsten Monate im August zwar schwächer wurden, aber noch über dem langjährigen Durchschnitt blieben - ebenso wie die Beurteilung der Auftragslage und die Erwartungen der Unternehmen hinsichtlich der weiteren Beschäftigungsentwicklung.

Geringere Produktionsleistung

Was die Volkswirte der Bank Austria ferner erwähnen: Die Produktionsleistung der heimischen Kfz-Industrie konnte sich im ersten Halbjahr nicht erholen. Im Durchschnitt sank die Produktion um 2,4 Prozent, während die gesamte Industrie ein Plus von knapp drei Prozent verbuchte.

In Summe zeichneten die Indikatoren für heuer aber ein Konjunkturbild, das noch einiges an Wachstumspotenzial für die Branche offenlasse. "Auch wenn Europas Autoproduktion, das wichtigste Nachfragesegment der heimischen Zulieferer, im Vergleich zu 2016 an Wachstum einbüßen wird, sollte die Branche in Österreich, gestützt auf den hervorragenden Ausblick einzelner Unternehmen, 2017 noch mit einem leichten Produktionsplus beenden", meinen die Bank-Austria-Experten. 2016 stieg die Produktion um 5,3 Produktion.

Was die Entwicklung der Beschäftigung in Österreichs Autozulieferindustrie betrifft, so ist die Zahl der Arbeitsplätze in den ersten acht Monaten dieses Jahres gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum um rund zehn Prozent auf insgesamt 34.650 gestiegen. Die Bank-Austria-Ökonomen vermuten hinter diesem relativ kräftigen Zuwachs jedoch großteils Kapazitätserweiterungen bei Magna in Graz.