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"Bio für alle ginge sich dreimal aus"

Von Mathias Ziegler

Wirtschaft
© Sepp Holzer

"Agrarrebell" Sepp Holzer über den Klimawandel, Fleisch und das Versagen der Politik.


"Wiener Zeitung": Sie haben bereits vor Jahrzehnten exotische Obstsorten im alpinen Raum angebaut und Bücher dazu geschrieben. Da wundern Sie sich vermutlich nicht, wenn bei Wien Reis wächst.

Sepp Holzer: So was mache ich ja schon seit Jahrzehnten. Es gibt alte robuste Sorten, wunderbaren Wildreis. Ich baue im Burgenland auch Kaki, Granatäpfel und Bananen an, aber in geschützten Mikroklimazonen. Da können sich die Pflanzen in Symbiosen an ihre Umgebung anpassen. Steine mit Kachelofen-Effekt oder ein morscher Holzstamm können da viel bewirken. Und mit der Klimaerwärmung werden immer mehr wärmebedürftige Pflanzen auch bei uns wachsen.

Was bedeutet der Klimawandel für die Landwirtschaft?

Es ist eine dramatische Veränderung. Dass der Klimawandel immer tiefer greift, weiß man schon lange, die Folgen sehe ich bei meinen Projekten in verschiedenen Weltregionen. Auch die Politiker sehen sie, tun aber nichts. Wenn es so weitergeht, führt das noch zu ganz großen Katastrophen. Die Böden vertrocknen und versiegeln, nehmen in der Folge nicht mehr genug Regenwasser auf, dadurch versickert es nicht, das Trinkwasser wird knapp. An Erträge ist oft gar nicht mehr zu denken, dafür brennen vertrocknete Wälder beim ersten Blitzschlag ab. Wir in Österreich sind noch in einem ganz glücklichen Gebiet, aber auch wir sind auf dem besten Weg dorthin. Unsere Böden sind schon so chemiebelastet, dass man keine Lebensmittel mehr produziert, sondern verseuchte bauchfüllende Nahrungsmittel, mit allen Folgekrankheiten. Und die Monokulturen tragen ihren Teil dazu bei. Was hier passiert, ist ein Verbrechen. Hinter der Übernutzung steckt nicht so sehr Dummheit als vielmehr Gier. Man müsste einmal gegen die Verantwortlichen eine Musterklage auf Schadenersatz einbringen, um zu schauen, wie sie reagieren.

Was müsste getan werden?

Mein simpler Rat lautet: mit der Natur und der Umwelt kommunizieren; in der Natur lesen lernen, um zu wissen, was sich wohlfühlt und was nicht; sich in den Regenwurm, die Kuh, das Schwein, den Vogel, den Fisch, den Baum, das Gemüse hineinversetzen: Würde ich mich an seiner Stelle wohlfühlen? Das lässt sich mit ein bisschen Gespür leicht feststellen: Wächst und gedeiht es oder verkümmert es?

Das schließt per se Massentierhaltung und Plantagen aus.

Massentierhaltung ist Tierquälerei, ein Verbrechen. Dazu hat der Mensch gar kein Recht. Wenn man die Tiere dezentral draußen hält, in Koppeln, im Wald, auf Feldern, ist das nicht nur besser für die Natur, sondern man hat auch viel weniger Arbeit. Wer die Natur ihre Symbiosen ausleben lässt, braucht auch keine Pflanzengifte oder Kunstdünger.

Abgesehen davon, dass Fleisch wohl generell teurer wäre - ginge es sich von den Kapazitäten her aus, unseren aktuellen Konsum komplett mit Biofleisch zu decken?

Na, selbstverständlich! Mit ein bisschen mehr Naturverständnis und Beziehung zur Natur beantwortet sich das von selbst. Unsere Wälder böten genügend Nahrung, da könnte mit den Tieren auch ordentliche Waldpflege betrieben werden, so wie man es früher gemacht hat. Man darf es aber eben nicht übernutzen. Es gibt ja entsprechende Programme, aber die werden nicht unterstützt, sondern im Gegenteil verfolgt. Die Massentierhalter verkaufen ihre minderwertigen Produkte zum gleichen Preis wie biologische, hochwertige Produkte, die die Bezeichnung Lebensmittel wirklich verdienen. Der Biologe Professor Bernd Lötsch hat einmal über meine Arbeit gesagt: "Mit dieser Methode kann man die Welt dreimal ernähren." Man kann damit mehr produzieren - aber auf der ganzen Fläche. Die Fläche muss den Tieren zur Verfügung stehen, anstelle von KZ-Tierhaltung.

Wie schätzen Sie Bioprodukte im Supermarkt ein? Wie authentisch ist zum Beispiel Werner Lampert mit "Zurück zur Natur" bei Hofer?

Ich habe schon genug Lug und Betrug gesehen. Lampert bemüht sich aber. Ob das alles ehrlich ist, kann ich nicht beurteilen, da kann ich auch nichts dazu sagen. Am besten ist jedenfalls, wenn man sich vor Ort über die Produkte erkundigt.

www.seppholzer.at