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Überqualifiziert für den Job?

Von Petra Tempfer

Wirtschaft

Nach Jahren steigender Arbeitslosigkeit gab es 2017 eine Trendwende - außer für Akademiker.


Wien. Die Trendwende des Jahres 2017 nach fünf Jahren steigender Arbeitslosigkeit gilt für Personen mit akademischer und höherer Ausbildung nicht: Während es bei Personen mit maximal Pflichtschulausbildung (minus 3,8 Prozent), Lehrausbildung (minus 5,2 Prozent) und mittlerer Ausbildung (minus 1,9 Prozent) zu einem Rückgang der Arbeitslosen kam, verzeichnete das AMS bei Personen mit höherer (plus 2,8 Prozent) und akademischer Ausbildung (plus 4,8 Prozent) einen Anstieg. Das geht aus einer Spezialauswertung des AMS für 2017 hervor. Die gute Nachricht auch für Akademiker: 2016 hatte der Anstieg für ihre Gruppe noch 13,8 Prozent betragen.

Schlüsselt man die Daten des AMS auf, so ergibt sich allerdings ein äußerst differenziertes Bild. Demnach ist auch die Arbeitslosigkeit unter Akademikern (inklusive Schulungsteilnehmer), die jünger als 25 Jahre alt sind, gesunken, und zwar um 8,5 Prozent. Unter den 25- bis 44-Jährigen stieg sie indes um 4,1 Prozent und unter den Über-45-Jährigen um 7,4 Prozent an.

Akademiker aus dem Ausland

Besonders auffällig sind jedoch die Daten zur Nationalität: Unter inländischen Akademikern ist die Arbeitslosigkeit gesunken, wenn auch nur um 1,2 Prozent - jene bei Akademikern aus dem Ausland stieg um 17,4 Prozent an. "Der Hauptanstieg ist den Asyl- und subsidiär Schutzberechtigten geschuldet, die eine akademische Ausbildung haben", sagt Beate Sprenger vom AMS. 2017 waren in dieser Gruppe um 45,8 Prozent mehr arbeitslos oder in Schulung als 2016.

Insgesamt waren im Vorjahr im Durchschnitt 412.074 Personen arbeitslos oder in AMS-Schulungen, aufgrund der guten Wirtschaftslage um 2,9 Prozent weniger als 2016. Die Jugendarbeitslosigkeit reduzierte sich um 6,7 Prozent, im Haupterwerbsalter zwischen 25 und 49 Jahren sank die Zahl der Arbeitslosen um 4,4 Prozent.

Auch bei Ausländern und Älteren stieg - wie bei den Akademikern - die Arbeitslosigkeit entgegen dem Trend an. Unter Ersteren gab es um 2,6 Prozent mehr Arbeitslose. Bei Älteren kam es im Dezember zu einem leichten Rückgang, im Jahresdurchschnitt jedoch zu einem Anstieg um 3 Prozent.

In diesem Licht mag die Streichung der Aktion 20.000 mit 31. Dezember 2017 durch die neue schwarz-blaue Regierung fragwürdig erscheinen. Das SPÖ-Prestigeprojekt, das die rot-schwarze Vorgängerregierung 2017 beschlossen hatte, hätte Arbeitssuchenden, die älter als 50 sind, helfen sollen, einen Job zu finden. Helmut Hofer vom Institut für Höhere Studien glaubt allerdings nicht, "dass sich die Streichung großartig auswirken wird". "Wir wissen nicht einmal, ob die Maßnahme funktioniert hätte", sagt er zur "Wiener Zeitung". Denn die Jobs der Aktion hätten gemeinnützige Betriebe und Vereine sowie Gemeinden betroffen - "diese Stellen sind aber nicht so erfolgreich".

Die SPÖ, die Gewerkschaft und die Arbeiterkammer empörten sich am Dienstag über das Aus für die Aktion 20.000 nach 3000 Anträgen sowie das ebenfalls vorzeitige Ende für den Beschäftigungsbonus. Die Neos hingegen begrüßten den Stopp. Wirtschaftskammer und Industrie sehen nun Spielraum für eine Lohnnebenkostensenkung.

Technische Ausbildung gefragt

Was die Zahl der Arbeitslosen mit höherer und akademischer Ausbildung betrifft, so sei das Ansteigen freilich auch der steigenden Akademikerquote geschuldet, sagt Hofer. 2016 lag der Anteil der Personen mit einem tertiären Bildungsabschluss (auch BHS-Abschlüsse) an der Bevölkerung im Alter von 25 bis 64 Jahren in Österreich bereits bei 32 Prozent (OECD-Schnitt: 37 Prozent). Über einen Bachelor-, Master/Diplom- respektive Doktorabschluss verfügen laut der OECD-Studie "Bildung auf einen Blick" 16 Prozent (OECD: 29 Prozent).

Zudem schütze freilich selbst Akademiker-Sein nicht vor Arbeitslosigkeit, falls das Studium zu speziell oder der gewählte Beruf gerade nicht gefragt sei, sagt Hofer. Mit einer technischen Ausbildung sei es grundsätzlich einfacher, einen Job zu finden.

Sind Hochqualifizierte schon länger arbeitslos und noch dazu älter, gehören sie also gleich zwei Risikogruppen an. Die Interessengemeinschaft "Value 45plus" fokussiert auf diese Gruppe. Sie unterstützt Arbeitssuchende, kooperiert mit Unternehmen und hat sich laut Doris Elbl-Riha eine alternative Vorgehensweise bei der Personalauswahl überlegt - etwa, in den Inseraten explizit darauf hinzuweisen, bei der Erstbewerbung auf Altersangabe und Foto zu verzichten.