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Europas Müllhalde schließt

Von Petra Tempfer

Wirtschaft

China stoppt den Import von Plastikabfall, was zu Überangebot auf europäischem Recyclingmarkt und Preisverfall führt.


Wien/Peking. Die Kampagne richtet sich gegen ausländischen Müll mit dem klingenden Namen "yang laji" - und hat fatale Auswirkungen auf den europäischen Recyclingmarkt. Denn der Müll, um den es hier geht, ist jener aus Europa. Das Land, das sich gegen diesen richtet, ist China. Rund 7,3 Millionen Tonnen Plastikabfall wurden hier jährlich verwertet, das entspricht mehr als der Hälfte der weltweit produzierten Menge. 1,6 Millionen Tonnen davon kamen aus der EU.

Seit 1. Jänner dieses Jahres ist damit Schluss. China hat aus Umweltschutzgründen die Importe unsortierter Kunststoffabfälle gestoppt, Hauptexporteure waren dabei die USA und Japan. Die Abfälle hätten zu viele toxische Stoffe enthalten, hieß es. Voraussichtlich ab März wird das Importverbot auch für die sortierten Abfälle gelten, wie sie etwa aus Deutschland und Großbritannien kommen. Peking teilte der Welthandelsorganisation bereits im Juni 2017 mit, dass man bis Ende 2018 den Import von insgesamt 24 Abfallarten untersagen möchte - spätestens dann steckt Europa in einer Müllkrise.

Österreich recycelt mehr als 90 Prozent seines Plastikmülls

Was Österreich betrifft, so exportiert unser Land der Altstoff Recycling Austria (ARA) zufolge keine Altstoffe nach Asien. Zumindest nicht aus der Verpackungssammlung. Spezielle Kunststoffabfälle wie beispielsweise Produktionsabfälle werden laut Hans Roth, Präsident des Verbands der österreichischen Entsorgungsbetriebe (VOEB) und Gründer von "Saubermacher", ins Ausland exportiert - wodurch ebenfalls etwas nach China gelangen könnte. In Österreich werden laut ARA rund 187.000 Tonnen jährlich verwertet, das entspricht mehr als 90 Prozent des produzierten Plastikmülls. Der Rest wandere in die Schweiz, nach Deutschland und Slowenien. Insgesamt wird in Österreich etwas mehr als die Hälfte des Mülls (60 Millionen Tonnen pro Jahr) recycelt. Österreich ist somit nicht direkt vom Importstopp betroffen. Indirekt allerdings schon.

"Das daraus resultierende Überangebot an Kunststoffabfällen auf dem europäischen Recyclingmarkt sorgt für sinkende Preise", heißt es bei der ARA. Bereits im Vorfeld des Importstopps hätten Händler von Restriktionen bei der Einfuhr nach China berichtet - seitdem bewegten sich die Preise auf den Altstoffmärkten nach unten.

Eine ähnliche Situation gab es 2013, als China während der "Operation Grüner Zaun" Importe von Kunststoffabfällen, aber auch von Altschrotten, Altpaper und Alttextilien drastisch eingeschränkt hatte. Das hatte ein Überangebot und einen Preisverfall in den Exportländern aufgrund der geringen Kapazitäten zur Folge. Diesmal sind die Importe jedoch zur Gänze gestoppt - und die Konsequenzen vermutlich weitreichender.

Zum besseren Verständnis: Recycelbare Altstoffe werden ganz anders gehandelt als bloßer Müll, der verbrannt oder deponiert werden kann. Während für Letzteren Deponiesteuern fällig werden oder man für das Verbrennen zwischen 100 und 170 Euro an die Müllentsorger zahlt, die ihrerseits wieder Energie daraus gewinnen können, erhält man für recycelbare Stoffe von den Recyclingfirmen Geld. Denn die Rohstoffe, die man daraus gewinnen kann, sind wertvoll.

Hier kommt der bis 2017 weltgrößte Importeur China ins Spiel. China soll mehr bezahlt haben, weil es für seine Industrie einen großen Bedarf an Kunststoffen hat. Selbst inklusive Frachtkosten dürfte das Geschäft mit China für die Kunden lukrativer gewesen sein. In Österreich ist die Bandbreite der Summe, die Recyclingfirmen je nach Sortenreinheit für Plastikmüll zahlen, laut Roth enorm. Für technische Spezialkunststoffe etwa könne diese den dreistelligen Bereich erreichen. Abzüglich der Kosten etwa für Logistik aber, die der Kunde wiederum an die Recyclingfirma zahlen muss, erhalte dieser im Endeffekt null Euro oder eine geringfügige Vergütung. Mitunter müsse er sogar zuzahlen.

Sinken die Preise am Altstoffmarkt, so müssen Recycler zwar weniger für die Altstoffe bezahlen - sie erhalten aber auch weniger für die Recyclingstoffe, die sie daraus gewinnen. "Der Kunde merkt sofort das Überangebot", sagt Roth. Der Importstopp habe eine Sondersituation verursacht. Nämlich die, dass trotz eines steigenden Rohölpreises die Preise am Altstoffmarkt sinken. Für gewöhnlich seien diese zwei Komponenten selten abgekoppelt, und die Preis- und Tarifgestaltung der Recycler orientiere sich eng an den Entwicklungen am Rohstoffmarkt. Der Konsument selbst spüre einen Preisverfall jedoch nicht, dieser werde von der ARA "aufgefangen", sagt Roth.

Deutschland sieht nun eine Chance für die Umwelt

Die Herausforderung für Österreich aufgrund des Importstopps von China sei nun, hochwertig zu sortieren und vielfältig einsetzbare Kunststofffraktionen zu produzieren, ergänzt die ARA. Österreich arbeite bereits jetzt mit rund 70 Verwertungsbetrieben zusammen, die in unterschiedlichen Märkten tätig seien, etwa für PET-Flaschen.

In Deutschland sieht man in dem Importstopp sogar eine Chance für die Umwelt. Einerseits müsse man unnötiges Plastik reduzieren, andererseits Verpackungen fördern, die gut recycelbar sind. Im Vorjahr wurde ein neues Verpackungsgesetz beschlossen, wonach die Recyclingquoten deutlich erhöht werden sollen. Jene von Plastik von derzeit rund 40 auf 70 Prozent. EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger sprach sich für eine Plastiksteuer als mögliche Einnahmequelle für den EU-Haushalt und Lenkungsinstrument aus.

Dass als unmittelbare Folge der aktuellen Situation Deutschland seinen Plastikmüll nach Österreich exportiert, glaubt Roth nicht. Die Kapazitäten seien zu gering. Vielmehr müssten weitere Möglichkeiten in Ländern wie Indien oder Malaysia gefunden werden. Langfristig gesehen ist Roth jedoch überzeugt, dass China den Importmarkt - wenn auch unter anderen Spielregeln - wieder öffnen wird: "Weil sie die Recyclingstoffe brauchen."