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Der große Geldregen durch die Registrierkassenpflicht blieb noch aus

Von Rosa Eder-Kornfeld

Wirtschaft

Mehreinnahmen bei der Umsatzsteuer verdanken sich Konjunktur und steigendem Konsum.


Wien. Die Haupteinnahmequelle des Staates ist die Umsatzsteuer. Und die sprudelt kräftig: Im vergangenen Jahr nahm der Fiskus mit 28,35 Milliarden Euro um rund 1,3 Milliarden Euro (plus 4,8 Prozent) mehr an Umsatzsteuer ein als 2016, wie aus dem Budgetvollzug 2017 hervorgeht.

Hohe Erwartungen hat der Finanzminister in die seit Mai 2016 geltende Registrierkassen- und Belegerteilungspflicht gesetzt, nämlich ein zusätzliches Steueraufkommen von 900 Millionen Euro jährlich. Der Zuwachs im vergangenen Jahr dürfte aber in erster Linie konjunkturelle Gründe gehabt haben. So schätzt Friedrich Schneider von der Johannes Kepler Universität Linz, dass von den 1,3 Milliarden Euro ungefähr 250 bis 350 Millionen Euro auf die Registrierkassenpflicht zurückgehen. Das sei schon ein schöner Betrag, aber: "Man darf keine Wunder erwarten", sagte Schneider, Volkswirt und Experte für Schattenwirtschaft, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

Laut Ökonomin Margit Schratzenstaller-Altzinger vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) war das kräftige Wachstum des privaten Konsums um 3,6 Prozent im Vorjahr eine von zwei Ursachen für den Anstieg des Umsatzsteueraufkommens gegenüber 2016. Das bekräftigt auch Schneider: "Die Leute kaufen mehr." Aber auch die Betrugsbekämpfungsmaßnahmen (Belegerteilungs- und Registrierkassenpflicht) sollten zu Zusatzeinnahmen geführt haben, so Schratzenstaller. "Es könnte sein, dass die Zusatzeinnahmen allerdings nicht so hoch wie ursprünglich erwartet waren, sodass der Bundesvoranschlag nicht erreicht wurde", ergänzt sie. Budgetiert waren 28,8 Milliarden Euro, also um 450 Millionen Euro mehr.

Maßnahme gegen Steuerhinterziehung

Schon im Vorjahr hatte der Finanzminister einräumen müssen, dass die Registrierkassenpflicht im Jahr 2016 nur 300 Millionen Euro gebracht hatte. Allerdings sei dies auch nur ein "Rumpfjahr gewesen". Eine Schmuckdesignerin, ein Taxiunternehmer und ein Tischler hatten die Verfassungsrichter angerufen, weil sie den durch die Registrierkassen verursachten Aufwand für unverhältnismäßig hoch hielten. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) war jedoch nicht dieser Meinung. Die am 1. Jänner 2016 in Kraft getretene Registrierkassenpflicht sei "geeignet, Manipulationsmöglichkeiten zu reduzieren und damit der Steuerhinterziehung und der Umsatzverkürzung entgegenzuwirken", hieß es im März 2016 in der Entscheidung des VfGH. Dieser legte auch fest, dass für das Überschreiten der Umsatzgrenze die Umsätze der ersten vier Monate 2016 maßgeblich seien und nicht die Umsätze des Vorjahres. Der Start für die Registrierkassenpflicht erfolgte daher erst am 1. Mai 2016.

Unternehmen müssen seitdem ab einem Nettojahresumsatz von 15.000 Euro je Betrieb eine elektronische Registrierkasse verwenden, wenn die Barumsätze (dazu zählen auch Bankomatkarten- und Kreditkartenzahlungen) jährlich 7500 Euro netto überschreiten. Seit 1. April 2017 müssen die Kassen auch mit einer technischen Sicherheitslösung ausgestattet sein, damit Umsätze nicht nachträglich manipuliert werden können.

Das durch diese Maßnahmen zu erwartende zusätzliche Umsatzsteuervolumen war von den ersten Überlegungen an stark angezweifelt worden. Im Juni 2014 bezifferte die damalige SPÖ-Staatssekretärin im Finanzministerium, Sonja Steßl, den Einnahmenentgang für den Fiskus durch manipulierte Kassen und Scheinbelege in Gastronomie und Handel auf bis zu eine Milliarde Euro pro Jahr - eine nach Ansicht der Wirtschaftskammer nicht nachvollziehbare Zahl. Die Empörung war groß. Man wolle keine Betrüger schützen, der Generalverdacht gegenüber der Wirtschaft sei allerdings nicht akzeptabel, hieß es.

Außerdem stand die Sorge im Raum, ob Kleinstbetriebe in Handel, Gastronomie und Gewerbe die durch eine Kassenpflicht auf sie zukommenden Kosten stemmen würden können. Mit der geltenden Barbewegungsverordnung konnten die Wirtschaftstreibenden gut leben. Die Umsätze mussten einzeln und in ihrer Entstehung und Abwicklung nachvollziehbar aufgezeichnet werden. Für Unternehmen, deren Jahresumsatz 150.000 Euro nicht überschritt, und für Unternehmer im Freien (Maronibrater, Marktstandler) war eine vereinfachte Losungsermittlung mittels Kassasturz am Ende des Tages möglich.

Doch die fünf Milliarden Euro schwere Steuerreform stand an, es galt, Maßnahmen zur Gegenfinanzierung zu suchen. Ein großer Brocken sollte über Betrugsbekämpfung hereingespielt werden.

Steßl - sie arbeitet heute in der Versicherungsbranche - dachte auch an eine Kassazettel-Lotterie nach dem Vorbild der Slowakei. Rechnungsbelege ab einem Euro gelten dort als Gewinnlose für die staatliche Lotteriegesellschaft, alle zwei Wochen werden Preise verlost. Auch in Tschechien gibt es seit dem vergangenen Jahr ein Kassazettel-Lotto, mit dem die Bürger dazu motiviert werden sollen, die Kassenzettel von den Händlern einzufordern.

Finanzministerium lobt Sorgfalt der Unternehmen

Nachdem die Registrierkassenpflicht in einigen Punkten entschärft wurde, hat sich die Aufregung schließlich wieder gelegt. So befreit die "Kalte-Hände-Regelung" gewisse Unternehmen, die im Freien tätig sind, von dieser Verpflichtung. Sie können bis zur Umsatzgrenze von 30.000 Euro die vereinfachte Losungsermittlung heranziehen. Begünstigungen gibt es auch für Vereine und Gastronomen.

Die Bilanz des Finanzministeriums fällt positiv aus. "Die Regelungen zur Registrierkassenpflicht werden von den Unternehmen sorgfältig umgesetzt", heißt es auf Anfrage. Es komme nur in sehr wenigen Fällen zu Strafen. Ein Großteil der Unternehmen bewerte die Registrierkassenpflicht mittlerweile als positiv, da sie einen besseren Überblick über die Geschäftstätigkeit biete.

Weiters heißt es: "Die damit verbundene Belegmitnahmepflicht für Kunden wird im Regelfall gut angenommen - auch, weil Belege oft zu Gewährleistungszecken dienen." Doch gerade die Belege, die für jeden noch so kleinen Betrag auch bei großem Kundenandrang ausgegeben werden müssen, sind vielen Betrieben ein Dorn im Auge. Iris Thalbauer, Geschäftsführerin der Bundessparte Handel in der Wirtschaftskammer Österreich, wünscht sich eine Ausnahme bei der Belegerteilungspflicht bei Summen unter 20 Euro. Sie werde sich auch dafür einsetzen, dass die bis zum Jahr 2020 befristete Regelung, auf Belegen "handelsübliche Warenbezeichnungen" wie "Brot" oder "Schnittblumen" verwenden zu können, bleibt. Diese Erleichterung wurde für Betriebe geschaffen, die keine EDV-basierten Warenwirtschaftssysteme im Einsatz haben.