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China hat Hidden Champions im Visier

Von Andrea Möchel

Wirtschaft
© fotolia

Chinesische Investoren sind weiter am europäischen Markt interessiert. Österreich spielt derzeit aber nur am Rande mit.


Wien. 309 Deals im Wert von rund 86 Milliarden Dollar in nur einem Jahr - es war eine beispiellose Shoppingtour, die chinesische Investoren 2016 quer durch Europa veranstalteten. Zehn Jahre zuvor waren es gerade einmal 51 Transaktionen im Wert von 4,5 Milliarden Dollar gewesen. Mittlerweile scheint die Einkaufslust der Investoren aus dem Reich der Mitte aber etwas gedämpft. Laut einer Studie des Wirtschaftsprüfers Ernst & Young (EY) ist die Zahl der Übernahmen 2017 europaweit um 20 Prozent auf 247 gesunken, der Gesamtwert der Transaktionen verringerte sich um ein Drittel.

Was hinter dieser Entwicklung steckt, erklärt Eva-Maria Berchtold, Leiterin Transaction Advisory Services bei EY Österreich, so: "Die chinesischen Aufsichtsbehörden haben strengere Kontrollen für Übernahmen im Ausland eingeführt und Auflagen verabschiedet, um den Kapitalfluss ins Ausland zu kontrollieren." Gleichzeitig wurden auch auf europäischer Seite regulatorische Anforderungen erhöht, sodass einige Deals scheiterten. "Zudem schauen sich chinesische Unternehmen die Übernahmekandidaten heute viel genauer an", ergänzt Berchtold. "Aber auch wenn die Zahl der Transaktionen 2017 spürbar gesunken ist, erreichte sie dennoch den zweithöchsten je gemessenen Wert."

Vor allem Deutschland zieht chinesische Investoren nach wie vor an. Die Bundesrepublik belegt mit 54 Transaktionen den ersten Platz im Länderranking, gefolgt von Großbritannien (44) und Italien (24). In Österreich kam es im Vorjahr zu fünf Transaktionen, das sind um zwei mehr als 2016. Trotzdem liegt die Alpenrepublik weiter nur am Rande des Radars chinesischer Investoren.

Versteckte Champions

"Im Vergleich zum Nachbarn Deutschland scheint Österreich weniger attraktiv zu sein", bestätigt Janet Mo, Marketing-Vorstand der Austrian Chinese Business Association (ACBA), der "Wiener Zeitung". Der gemeinnützige Verein arbeitet seit 2010 an der Verbesserung der wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zwischen Österreich und China. "Österreichs Musik, Kultur und Natur sind bei den Chinesen sehr berühmt, seine Industrie, Wirtschaft und Innovationen jedoch eher weniger", bedauert Mo.

Es gäbe zwar einige "Hidden Champions" in Österreich, aber die wären teilweise noch zu gut versteckt. "Es sind vor allem die Hightech-Bereiche wie Umwelttechnik, Automotiv, Luftfahrt oder Bio-Tech, die für chinesische Investoren sehr attraktiv sind. Das sind ja auch die Schwerpunktbereiche in Chinas 13. Fünfjahresplan", so die Unternehmerin.

Eine Reihe von Übernahmen

Ein Befund, der durch die M&A-Aktivitäten chinesischer Investoren im Vorjahr, bestätigt wird: So stieg die chinesische Haier Group beim Kärntner Solar-Unternehmen "GREENoneTEC", dem Weltmarktführer für Flachkollektoren, ein. Der Konzern erwarb 51 Prozent der Anteile des Sonnenkollektoren-Herstellers mit Sitz in St. Veit an der Glan.

Der Flugzeugbauer Diamond Aircraft mit Sitz in Wiener Neustadt wurde wiederum von der chinesischen Wanfeng Aviation Industry Corporation übernommen. Nach dem oberösterreichischen Systemspezialisten FACC ist der Spezialist für Leichtflugzeuge bereits das zweite heimische Luftfahrtunternehmen, das komplett von einem chinesischen Partner übernommen wurde. Der Automationsspezialist M&R Automation aus Grambach bei Graz wurde von der PIA Automation Holding übernommen, die im Eigentum von Ningbo Joyson Electronic steht.

Am meisten Aufmerksamkeit gab es freilich für die Übernahme des Festnetzanbieters Tele2 durch den chinesischen Telekommunikationsriesen Hutchison ("Drei") mit Hauptsitz in Hongkong. Der Hutchison-Konzern rückte damit zum zweitgrößten Telekom-Komplettanbieter hinter Marktführer A1 auf. Die Übernahme der börsennotierten Wiener Fondsgesellschaft C-Quadrat durch den Mischkonzern HNA Group machte die M&A-Transaktionen chinesischer Einkäufer im vergangenen Jahr schließlich komplett. Ebenfalls für Schlagzeilen sorgte zuletzt auch die Bekanntgabe der Übernahme des Vorarlberger Wäschekonzerns Wolford durch den chinesischen Mischkonzern Fosun.

Viele Branchen am Radar

Yi Sun, Leiterin der China Business Services für die DACH-Region (Deutschland, Österreich, Schweiz) bei Ernst & Young, ist überzeugt, dass der Übernahmeappetit auf chinesischer Seite nach wie vor hoch ist: "Das Interesse gerade an europäischen Industrie- und Hightech-Unternehmen ist ungebrochen. Wo sich interessante Gelegenheiten ergeben, stehen chinesische Investoren nach wie vor bereit." Neben den klassischen Industrie-Investitionen rücken nun auch Mode- und Einzelhandel, sowie Lebensmittel- und Pharmaunternehmen zunehmend in den Fokus. "Ebenfalls gefragt sind Branchen wie Tourismus und Wintersport, was sich durch den boomenden Outbound-Tourismus und die Olympischen Winterspiele 2022 in Peking erklären lässt", ergänzt Mo.

Positiv für Europa könnte sich zudem die America-First-Politik von US-Präsident Donald Trumps auswirken. Chinas Firmen fürchten wohl nicht zu Unrecht, dass sie es mit ihren Investitionen in den USA künftig schwerer haben werden. Einige chinesische Private-Equity-Häuser hätten bereits reagiert und Investitionsfonds in Europa gegründet, so die EY-Experten.

Und welche wirtschaftspolitischen Maßnahmen könnten Chinas Investoren verstärkt nach Österreich locken? "Die wirtschaftlichen und gesetzlichen Rahmenbedingungen in Österreich sind nicht unbedingt günstig für Überseeinvestoren", sagt ACBA-Sprecherin Mo. "Deshalb müsste die Bürokratie abgebaut, der Gründungsprozess beschleunigt und die überstrenge Aufenthaltspolitik angemessen gelockert werden."