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Im Aufwind

Von Wolfgang Kuhn

Wirtschaft

Die steirische Luftfahrtindustrie profitiert vom weltweiten Boom. Neue Stiftungsprofessur an der TU Graz soll dem Trend Rechnung tragen.


Graz. Die Luftfahrt mag in ihrem Wesen ein luftiges Gewerbe sein - doch ihr Weg führt seit Jahrzehnten nur nach oben. Damit hat sich der kommerzielle Luftfahrtsektor als weitgehend unabhängig von Konjunkturschwankungen und resistent gegenüber allen Öl-, Finanz- und sonstigen Krisen erwiesen. Die Aussichten für die kommenden Jahre wachsen dementsprechend in den Himmel: In den nächsten 15 Jahren wird weltweit mit einem Bedarf von mehr als 30.000 Flugzeugen gerechnet. Den Aufwind mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate von über drei Prozent weltweit pro Jahr bekommt in Österreich vor allem die Steiermark zu spüren. Mehr als 80 Unternehmen aus der Steiermark beliefern die internationale Luft- und Raumfahrtindustrie und erwirtschaften mittlerweile rund eine Million Euro - pro Tag.

Grund genug also für die Technische Universität von Graz, auf den anhaltenden Trend zu reagieren. So hat die TU Graz die österreichweit erste Stiftungsprofessur für Luftfahrt ins Leben gerufen. Die Zielsetzung ist, ein internationales Kompetenzzentrum für die Entwicklung zukunftsweisender Werkstoffe und Fertigungstechniken im Luftfahrtbereich zu etablieren. Harald Kainz, Rektor der TU Graz, spricht von einem "wissenschaftlichen Hotspot, der eng mit der internationalen Luftfahrtindustrie verbunden ist. Unser Ziel ist es, ein international sichtbares Zentrum auf dem Gebiet Luftfahrt-Werkstoffe und -Fertigungstechnologien zu werden." Die Professur übernimmt der aus Brasilien stammende Werkstoffwissenschafter Sergio Amancio, der zuletzt am Institut für Verbundwerkstoffe der TU Hamburg-Harburg tätig war.

Neue Verarbeitungstechnikenbeim Bau von Flugzeugen

Den Werkstoffen kommt in der Luftfahrt naturgemäß eine besondere Bedeutung zu. Geringes Gewicht bei hoher Festigkeit und Steifigkeit sind die primären Forderungen in der Luftfahrtindustrie. Die Komponenten sind enormen mechanischen und thermischen Belastungen ausgesetzt.

Zu den am meisten beanspruchten Bauteilen zählen etwa die Antriebsaggregate. Sie müssen in bis zu 12.000 Metern Flughöhe bis zu 10.000 Umdrehungen pro Minute und Temperaturschwankungen zwischen plus 600 Grad Celsius und minus 50 Grad Celsius standhalten. Innovative Materialien aus höchstfesten Stahl-, Titan- oder Nickelbasislegierungen sollen im Flugzeugbau auch dazu beitragen, die Flieger leichter zu machen und Treibstoff einzusparen.

Die neue Stiftungsprofessur für "Innovative Werkstoffe und Fertigungstechnik in der Luftfahrt" an der TU Graz wird sich neben der Erforschung verbesserter Materialeigenschaften auch neuen Verarbeitungstechniken - insbesondere additiven Verfahren - für den Flugzeugbau widmen.

Bei Hochleistungswerkstoffen und Spezialschmiedeteilen, die als höchstbelastbare Struktur-, Triebwerks- oder Fahrwerksteile eingesetzt werden, zählt die Voestalpine zu den weltweit wichtigsten Zulieferern für die Flugzeugindustrie. Damit ist sie auch der größte Industriepartner der Stiftungsprofessur, darüber hinaus sind die Firmen Fuchshofer Präzisionstechnik, TCM International und Diamond Aircraft Industries beteiligt.

Steiermark hat Sonderstellungin der Luftfahrtindustrie

Als marktdominierender Player beliefert die Voestalpine große Flugzeughersteller wie Airbus, Boeing oder Embraer. Die Professur an der TU Graz sei "ein wichtiger Schritt, um neue Impulse für weiteres Wachstum sowie eine Erweiterung unserer bestehenden Fertigungskompetenzen in diesem Zukunftsmarkt zu erzielen", sagt Voest-Vorstand Franz Rotter.

Damit baut die Steiermark ihre Sonderstellung in der Luftfahrtindustrie weiter aus - woran die Voestalpine einen nicht unwesentlichen Anteil hat. Erst im Dezember 2016 fixierte der Konzern eine Großinvestition von 40 Millionen Euro in eine neue Hightech-Schmiedelinie zur Herstellung von hochqualitativem Vormaterial für Flugzeugkomponenten. Am Standort Kapfenberg fließen zusätzlich 30 Millionen Euro in eine hochmoderne Produktionsanlage für Flugzeugstrukturteile, unter anderem hochbeanspruchbare Triebwerksaufhängungen, Flügel- und Rumpfkomponenten oder Fahrwerksteile. Bereits im nächsten Jahr soll die vollautomatisierte Anlage in Betrieb gehen.

Insgesamt investiert die Voestalpine bis 2021 bis zu 350 Millionen Euro in die Obersteiermark, was keineswegs als ausgemacht galt - zumal auch Pläne für ein Edelstahlwerk in China zur Debatte standen. Ausschlaggebend für die Standortentscheidung zugunsten Kapfenbergs waren nicht zuletzt "das hervorragende Forschungsumfeld im Bereich der Metallurgie, die Technischen Universitäten in Graz und Wien, die Fachhochschulen und die vorhandene Infrastruktur", wie Voestalpine-Chef Wolfgang Eder in einer Pressekonferenz Ende 2017 anmerkte. Vor diesem Hintergrund kommt der Entscheidung für die Stiftungsprofessur an der TU Graz besondere Bedeutung zu.

Pankl baut neuesWerk in Kapfenberg

Dabei ist die Voestalpine längst nicht der einzige Player, der sich in der Obersteiermark engagiert. Auch Pankl plant ein neues Werk im Bereich der Luftfahrt in Kapfenberg, das 2019 in Betrieb gehen soll. Wie bei der Voest gaben die "hochqualifizierten Mitarbeiter im obersteirischen Zentralraum" den Ausschlag für die Standortentscheidung, wie Pankl-Chef Wolfgang Plasser anmerkt.

Für weitere Akzente sorgt der Mobilitätscluster "ACstyria", der sich vor allem in den Bereichen Kabineneinrichtung, Strukturbauteile, Antriebsstrang, Materialien und Leichtbau engagiert. Einer der Leitbetriebe von "ACstyria Aerospace" ist die Firma Ames (Aerospace and Mechanical Engineering Services) mit Hauptsitz in Peggau, ungefähr 20 Kilometer nördlich von Graz. Haupttätigkeit der Ames Group ist die Innenausstattung von Flugzeugen - 350 Kunden, davon viele renommierte Airlines, werden weltweit beliefert.

Zufrieden gibt man sich dort allerdings noch nicht. "Bei einem jährlichen Umsatz von rund elf Millionen Euro ist noch viel Luft nach oben, denn die Entwicklung der Luftfahrttechnik birgt ein hohes Potenzial für wirtschaftliches Wachstum und generiert damit zusätzliche Arbeitsplätze für Zulieferfirmen", sagt Ames-Präsident Walter Starzacher.