Wien. Die von der Regierung für 2020 geplante Steuerreform sollte aus Sicht von Martin Kocher, Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS), einen Umfang von rund fünf Milliarden Euro haben, von denen als goldene Regel zwei Drittel oder drei Milliarden Euro mit Ausgabeneinsparungen gegenfinanziert werden sollten, der Rest durch neue Einnahmen. Im Gegenzug sollte die Entlastung primär Beziehern kleinerer und mittlerer Einkommen zugutekommen, aber auch Firmen. Das sagte Kocher am Donnerstag im "Klub der Wirtschaftspublizisten". Ein Einsparpotenzial von drei Milliarden Euro zu finden, werde "nicht ganz trivial" sein, so Kocher.Für Niedrigeinkommensbezieher, die ohnedies schon von der Lohnsteuer befreit sind, könnte sich der Experte weitere Lohnnebenkosten-Senkungen vorstellen, damit mehr Netto vom Brutto im Geldbörsel ankommt. Denn bei der Schere zwischen Brutto und Netto liege Österreich "noch immer im europäischen Mittelfeld". Der "entscheidende Punkt" ist für Kocher der Sprung vom Freibetrag auf die erste oder von der ersten auf die zweite Steuerstufe, "der ist sehr hoch".
Über 12.000 Euro beträgt der Grenzsteuersatz nämlich schlagartig 25 Prozent, über 18.000 Euro im Jahr 35 Prozent. Damit sei es "in Österreich unattraktiv Arbeit anzunehmen oder von Teil- auf Vollzeit zu gehen". An "neuen" Steuern oder Steuererhöhungen, über die man im Zuge einer Änderung der Steuerstruktur nachdenken könnte, schweben dem IHS-Chef eine CO2-Steuer, aber auch eine moderate Anhebung der Grundsteuer vor. Es bestehe durchaus Anpassungsbedarf weg von der Einkommensteuer hin zu anderen Steuerarten.
In seiner Analyse hat Kocher auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hinter sich. Sie kritisiert in ihrer Studie "Taxing Wages" (Einkommen besteuern) die hohe Steuer- und Abgabenlast in Österreich. Nur vier Länder (Belgien, Deutschland, Italien, Frankreich) haben europaweit noch höhere Steuer- und Abgabenquoten. Besonders groß ist die Belastung im unteren und mittleren Lohnbereich. Eine Aufstellung des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) zeigt, dass in Österreich fast die Hälfte der Staatseinnahmen an den Einkommen der Arbeitnehmer hängt. Wifo-Budgetexpertin Margit Schratzenstaller stellt die Durchschlagskraft von Lohnsteuersenkungen in Frage und plädiert unter anderem für niedrigere Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsummenabgaben.