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Durch den Datendschungel in die Zukunft

Von Wolfgang Liu Kuhn

Wirtschaft
© AVL Tagung

Die digitale Vernetzung ist in der Automobilbranche zu einem Schlüsselthema geworden. Eine Konferenz in Graz widmete sich der stillen Revolution, bei der steirische Unternehmen den Ton angeben.


Graz. So ganz geheuer scheint den Testern die Sache nicht zu sein. In den Videos am Rande der Konferenz sitzen sie hinter dem Steuer eines selbstfahrenden Autos - und blicken ungläubig auf das Lenkrad, das sich wie von Geisterhand selbst zu bewegen scheint. Dabei ist die Zukunft der Mobilität schon längst angebrochen, wie die Teilnehmer und Sprecher der Tagung "Motor und Umwelt" immer wieder betonen. Bereits zum 30. Mal hat die AVL diese Veranstaltung in Graz durchgeführt, Hausherr Helmut List begrüßte rund 240 Teilnehmer aus 21 Nationen. Im Foyer standen die Vorboten einer Zukunft, die bald überall Realität sein soll: selbstfahrende Autos, Fahrzeuge mit Hybrid- und Elektroantrieben, Autos ohne Schadstoff-Ausstoße.

Und doch seien es nur Vorboten, wie Schirmherr List bei seiner Eröffnungsrede betonte: "Wir sind von den Grenzen des Machbaren noch weit entfernt, es gibt einen großen Spielraum für den Wettbewerb der besten Ideen." Mehrfach wies er darauf hin, dass sich die eigentliche automobile Revolution eher im Stillen vollziehe, nämlich in der Vernetzung des Autos mit seiner Umwelt. Diese könne für autonome Fahrfunktionen herangezogen werden, wodurch der Betrieb sicherer und unfallfreier wird. Vor allem aber könne die Technologie dazu genutzt werden, den Antriebsstrang möglichst verbrauchsgünstig und schadstofffrei zu betreiben: "Das autonome Fahren soll noch direkter mit Schadstoffminimierung in Zusammenhang stehen."

Bei den Antriebssystemen sieht List zwar eine Dominanz elektrischer Antriebe kommen, allerdings sollten sich Verbrennungsmotor, batterieelektrischer Antrieb und Brennstoffzelle synergetisch ergänzen, um künftige Anforderungen effizient zu erfüllen.

Digitale Experimente

Das Wort des international renommierten Experten List hat Gewicht, die AVL genießt als Antriebsstrang- und Testsysteme-Entwickler weltweit einen guten Ruf. Insofern überrascht es nicht, dass das Unternehmen namhafte Experten aus der Fahrzeugindustrie wie Shizuo Abe (Toyota Motor Corporation), Rolf Bulander (Robert Bosch GmbH), Claus Ehlers (Daimler AG) oder Larry T. Nitz (General Motors) nach Graz locken konnte. Überhaupt mischt die Steiermark bei der Entwicklung des Autos der Zukunft kräftig mit, wie auch Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer in seiner Begrüßungsrede feststellte. Neben den renommierten Forschungseinrichtungen seien es auch viele kleinere Betriebe und Einrichtungen im Rahmen des steirischen Autoclusters, die viel in Forschung und Entwicklung investieren würden.

So wurde bereits im vergangenen Jahr das ALP.Lab ins Leben gerufen, womit die Steiermark laut Experten als vielfältigstes Testgebiet für selbstfahrende Autos in Europa gilt. Bei diesem Projekt arbeiten Magna, AVL, Joanneum Research, Virtual Vehicle und die TU Graz zusammen, was in Europa als einmalig gilt, da hier Autoindustrie, Wissenschaft und Forschungseinrichtungen kooperieren. Aufwendige Tests, die auf der Straße bis zu acht Jahre dauern würden, sollen durch digitale Experimente auf zwei Jahre reduziert werden. Schon jetzt fallen pro Testtag mehrere Gigabyte an Daten aus den Fahrzeugen an, künftig soll das Datenaufkommen auf zwei Terabyte steigen - pro Stunde.

Zukunftstechniken

Auch bei einem anderen Forschungszentrum sind die AVL und die TU Graz federführend beteiligt. 2017 wurde in Graz ein neues Entwicklungszentrum entwickelt, das sich auf die Elektrifizierung von Getriebesystemen fokussiert. Im Zentrum forschen erfahrene TU-Experten mit Entwicklern der AVL und Studierenden gemeinsam an speziellen Themen der Getriebetechnik und des Antriebsstrangs.

Ein weiteres steirisches Aushängeschild ist das ADAS-Kompetenzzentrum der AVL in Graz. ADAS steht für "Advanced Driver Assistance Systems" und meint autonome Fahrsysteme und moderne Fahrassistenzsysteme. In selbst entwickelten Versuchseinrichtungen fließt die Realität in eine simulierte Fahrumgebung ein: Im Simulator sind das Fahrzeug und die Fahrzeugumgebung virtuell, der Fahrer und das Cockpit hingegen real vorhanden. In dieser sicheren Umgebung werden kritische Situationen analysiert und daraus die entscheidenden Informationen für die Weiterentwicklung der Systeme abgeleitet.

Dass solche und vergleichbare Zukunftstechniken bereits Realität sind, beweist unter anderem der erste elektrische Jaguar, der bei Magna in Graz produziert wird. Der I-Pace wurde in nur vier Jahren entwickelt, die AVL lieferte das Batterie-Modul. Auch bei diesem Fahrzeug liegt der Schwerpunkt auf Digitalisierung und Vernetzung, unter anderem ist der Cloud-basierte Sprachdienst Alexa von Amazon eingebaut.

Vision des vernetzten Autos

Aufgrund der rasanten Fortschritte sagte Eröffnungsredner Larry Nitz von General Motors, dass die vernetzte Zukunft bereits hier sei, sie würde eine Welt ohne Unfälle, ohne Emissionen und ohne Verkehrsprobleme bringen. Allerdings stelle die Vision des vernetzten Autos auch deutlich erhöhte Anforderungen an die Datensicherheit - wie den Konferenzteilnehmern an einem sehr unmittelbaren Beispiel vor Augen geführt wurde. So mussten sich die Veranstalter entschuldigen, wegen der Datenschutz-Grundverordnung heuer keine Teilnehmerliste auflegen zu dürfen.