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"Freiheit" durch neue Arbeitszeiten

Von Martina Madner

Wirtschaft

Warum viele Unternehmer das neue Arbeitszeit-Gesetz befürworten - Beispiele aus der Praxis.


Wien. Andreas Lahner versteht die "ganze Aufregung nicht". Der Inhaber der 30 Mitarbeiter großen Lahner KG Oberflächentechnik in Brunn am Gebirge ärgert sich über Aussagen so manchen gewerkschaftlichen Gegenübers in der Debatte um das Gesetz zur Ausweitung der Arbeitszeit auf bis zu 12 Stunden pro Tag bzw. 60 Stunden pro Woche: "Das entspricht überhaupt nicht der betrieblichen Praxis."

Braucht es das neue Gesetz da aber überhaupt? Eine Frage, die Lahner wie seine Interessensvertretung, die Wirtschaftskammer, und auch die Industriellenvereinigung mit einem deutlichen "Ja" beantworten.

Kurzfristige Aufträge

"Vor zwei Wochen wäre das neue Gesetz zum Beispiel sinnvoll gewesen", erzählt Lahner. Den Unternehmer ereilte kurzfristig ein Auftrag eines Kunden, Maschinenteile zu verzinken. "Im Normalfall müsste die Antwort auf so eine Anfrage ‚Nein‘ lauten. Aber es ging sich mit der heute maximal möglichen Arbeitszeit von vier Mitarbeitern an zwei Tagen hintereinander gerade mal so aus." Lahner hätte sonst einen Auftrag verloren, mit bis zu zwölf statt heute zehn Stunden Höchstarbeitszeit, "also mehr Freiheit, wird das wesentlich besser".

Der Unternehmer versichert, die Arbeitszeiten im Einvernehmen mit seinen Mitarbeitern zu planen, die wünschten sich genauso mal länger zu arbeiten, dafür am Freitag früher gehen zu können oder am Montag später kommen zu können. "Man kann einen Gewerbebetrieb nicht wie ein Patriarch führen. Da ziehen Arbeitgeber und Arbeitnehmer an einem Strang, anders ist man nicht erfolgreich."

Tatsächlich steht der Wunsch nach flexibleren Arbeitszeiten laut Wirtschaftsbarometer-Umfrage der Wirtschaftskammer ganz hoch im Kurs der befragten 3600 Unternehmer: Auf die Frage, wo die Regierung Prioritäten setzen solle, nannten zwar 79 Prozent das Senken der Lohnnebenkosten und 69 Prozent den Bürokratieabbau. Für 55 Prozent aber waren auch flexiblere Arbeitszeiten prioritär. Das sagten mehr als die 46 Prozent, die sich auch für eine Bildungsreform aussprachen, "und deutlich mehr als noch vor zehn Jahren. Da standen flexiblere Arbeitszeiten noch nicht bei so vielen auf der Wunschliste", sagt Rolf Gleißner, Leiter der Sozialpolitischen Abteilung in der Wirtschaftskammer.

Warum? "Die Unternehmen können sich Kapazitäten heute nicht mehr so gut einteilen wie früher. Heute wird bestellt und man muss Just-in-Time liefern", sagt Gleißner. Produktionsabläufe hätten sich beschleunigt, Schwankungen der Auftragslage seien heute größer. "Auch viele Gewerbebetriebe und Dienstleister etwa im IT-Bereich oder in der Störungsbehebung wünschen sich das neue Gesetz", sagt Gleißner.

Dazu kommen jene, die so wie der Installateur, der für eine Reparatur länger braucht, oder das Gasthaus, in das an einem sonnigeren Tag mehr Gäste kommen als die Wettervorhersage versprochen hat: "Da wird heute mehr gestraft als früher", sagt Gleißner. Deshalb der Wunsch solcher Unternehmer nach dem neuen Gesetz, "um nicht mehr mit einem Fuß im Kriminal zu stehen", ergänzt Lahner.

Überstunde bleibt Überstunde

Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer freute sich über das neue Arbeitszeit-Gesetz, die Bemühungen von ÖVP und FPÖ, "endlich zeitgemäße Arbeitsbedingungen umzusetzen, die Betrieben, Mitarbeitern und Kunden Vorteile bringen." Und Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung, versicherte: "Es bleibt dabei: Überstunden bleiben Überstunden - und werden abgegolten wie bisher. Zuschläge bleiben Zuschläge."

Für Thomas Salzer, Wirtschaftskammer-Spartenobmann der niederösterreichischen Industrie und Geschäftsführer zweier Unternehmen in St. Pölten, der Salzer Papier GmbH mit 75 Mitarbeitern und der Salzer Formtech GmbH mit 35 Mitarbeitern, ist genau das der Grund, warum er die ab Jänner gültige gesetzliche Lage nicht über Gebühr nützen wird: "Würden wir ständig 12-Stunden-Schicht fahren, würden ständig Überstunden anfallen, das ist aus Kostengründen nicht sinnvoll."

Hin und wieder wird aber auch Salzer seine Mitarbeiter darum bitten, mehr Stunden am Tag zu arbeiten. In der Papierfabrik zum Beispiel, wo Acht-Stunden-Schichten die Norm sind und rund um die Uhr produziert wird, "wenn mal mehrere Leute gleichzeitig ausfallen, werden wir Mitarbeiter fragen, ob sie vier Stunden länger bleiben oder vier Stunden früher kommen. Dann können wir vorübergehend auf 12-Stunden-Schicht umstellen. Das kommt vermutlich zwei Mal im Jahr vor", sagt Salzer.

Auch in der Verladung wäre das Ausdehnen eines Tages künftig "unbürokratisch möglich" und im zweiten Unternehmen, der Styroporformteil-Produktion, könne er künftig auch ganz kurzfristige Aufträge übernehmen: "Gerade solche voluminösen Teile kann man nicht unendlich auf Lager legen. Da können wir flexibler reagieren."

Das unterstütze Unternehmer wie ihn etwas im internationalen Wettbewerb: "Mitbewerber aus Deutschland haben die gleichen Lohnkosten, die Mitarbeiter aber haben mehr davon. Das Gesetz hilft uns, bei den hohen Lohnnebenkosten, die wir haben, wettbewerbsfähig zu bleiben."

Das konnte Salzer zwar schon heute, da es eine Betriebsvereinbarung im Unternehmen dafür gibt. "Trotzdem hätte es rechtliche Probleme geben können." Manche Gerichte hätten die aktuelle Rechtslage so gedeutet, dass für jeden Anlassfall eine neue Betriebsvereinbarung notwendig gewesen wäre. Das Gesetz bedeutet für Salzer also eine rechtliche Klarstellung, "eigentlich im Verhältnis eine sehr kleine Änderung des Gesetzes".

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