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Neue Steuern für digitale Multis

Von Marina Delcheva

Wirtschaft

In Österreich sollen digitale Konzerne mittels Digital-Steuer und Online-Werbeabgabe zur Kasse gebeten werden.


Wien. Das mit den Steuereinnahmen ist gerade so Sache. Digitale, global wirtschaftende Konzerne zahlen in Österreich kaum oder sogar gar keine Steuern auf die Gewinne, die sie hier erwirtschaften. Auf der anderen Seite kommen traditionelle Händler und heimische Betriebe in den Genuss der vollen Körperschaftssteuer, die in Österreich 25 Prozent beträgt.

Ein Beispiel: Der Online-Händler Amazon hat allein in Österreich im Vorjahr laut Handelsverband 620 Millionen Euro als Händler umgesetzt. Hinzu kommen noch Lizenzerlöse, die von Händlern an Amazon bezahlt werden, um deren Ware über die Plattform verkaufen zu dürfen. Körperschaftssteuerpflichtig ist Amazon hierzulande aber nicht und muss damit auch keine Steuern auf hier erwirtschaftete Gewinne bezahlen. Denn der Konzern hat keinen Firmensitz in Österreich. Die EU-Zentrale befindet sich Luxemburg.

Ein zweites Beispiel: Die Google Austria GmbH, die eine 100-prozentige Tochter der Google International LLC mit Sitz in Delaware ist, hat 2016 in Österreich 6,5 Millionen Euro umgesetzt. Für den gleichen Zeitraum wurden Steuern von nicht ganz 145.000 Euro abgeführt. Das Branchenmagazin "Medienmanager" schätzt den Umsatz von Google in Österreich aber auf 140 Millionen Euro. Konservativere Branchenschätzungen gehen von 20 bis 70 Millionen aus, die hierzulande etwa durch Online-Werbung erwirtschaftet werden.

Die Lücke, die zwischen dem deklarierten und dem geschätzten Umsatz liegt, lässt sich vielleicht durch die Verrechnungsmethode der Firma erklären. Wer einen Werbevertrag mit Google abschließt, schließt diesen nicht mit dem österreichischen Tochterkonzern, sondern mit dem irischen ab, wo das Geschäft auch verbucht wird und die Steuerlast geringer ist.

Nicht nur in der EU, sondern auch in Österreich versucht man deshalb seit geraumer Zeit diesem Ungleichgewicht mit neuen Steuerkonzepten zu begegnen.

Online-Werbeabgabe

"Eine globale Steuerbefreiung ist auf Dauer nicht möglich", sagte Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) am Donnerstag beim "Digital Fairness Dialogue" in Wien. Im Rahmen der aktuellen Ratspräsidentschaft Österreichs hat sich sein Ressort der Besteuerung von digital erzielten Umsätzen verschrieben. Notfalls auch im Alleingang. "Sollte uns bis Jahresende eine europäische Lösung nicht gelingen, dann ziehen wir das notfalls im Alleingang durch", erklärte Löger.

Angedacht ist etwa, so Löger, die Einführung einer Werbeabgabe auch bei Online-Werbung. Derzeit fallen etwa bei Print-Werbeeinschaltungen fünf Prozent Werbeabgabe an; bei Online-Werbung nicht. Wie hoch diese Abgabe sein soll und wann sie eingeführt wird, ist derzeit noch unklar.

Wenig Freude mit einer solchen Digitalsteuer hätten die Handelsvertreter. "Eine solche EU-Regelung wäre global gesehen ein Wettbewerbskiller. Aber wir sind natürlich dafür, dass Diskrepanzen zwischen analogen und digitalen Abgaben geschlossen werden", sagt Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbands, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Er plädiert dafür, bei Einfuhren aus Drittstaaten die Schrauben stärker anzuziehen, etwa in Form von Bearbeitungsgebühren, wie das auch andere EU-Länder wie Schweden machen.

Steuersysteme modernisieren

Während die effektive Steuerlast bei traditionellen Unternehmen in der EU 23,2 Prozent ausmacht, zahlen digitale Unternehmen 9,3 Prozent Steuern. Auf EU-Ebene haben sich die Mitgliedsstaaten im März dieses Jahres auf zwei Maßnahmen zur Vermeidung von Steuerentgang geeinigt.

Langfristig sollen EU-weit, und in weiterer Folge in allen OECD-Staaten, Abgaben über sogenannte virtuelle Betriebsstätten eingehoben werden. Jetzt werden Steuern in dem Land eingehoben, wo der physische Firmensitz eines Konzerns ist und wo die Gewinne verbucht werden. Das ist aber nicht zwangsläufig dort, wo diese Gewinne auch erwirtschaftet werden.

"Unsere Vorschriften aus der Vor-Internet-Ära erlauben es den Mitgliedstaaten nicht, in Europa tätige Digitalunternehmen zu besteuern, wenn diese hier nur eine geringe oder keine physische Präsenz aufweisen", meint Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici dazu. Die sogenannte virtuelle Betriebsstätte würde es den Staaten ermöglichen, Steuern auch ohne physische Präsenz einzuheben. Gelten soll das für Unternehmen, die jährlich mindestens sieben Millionen Euro in einem EU-Mitgliedsstaat erwirtschaften, mehr als 100.000 Nutzer haben oder mehr als 3000 Verträge über digitale Dienstleistungen zwischen dem Unternehmen und gewerblichen Nutzern pro Steuerjahr abschließen. Damit wären zum Beispiel Google und Amazon erfasst, Content-Plattformen wie Netflix aber nicht.

Dass es hier zu einer Einigung kommt, ist in naher Zukunft aber mehr als unwahrscheinlich. Die einzelnen Staaten stehen nämlich auch im Steuerwettbewerb. In Österreich befürchtet die Wirtschaft zudem eine Doppelbesteuerung. Also zusätzliche Abgaben zur geltenden Körperschaftssteuer.

Zahlen, wo der Nutzer sitzt

Realistischer erscheint der zweite Vorschlag der Kommission, der während Österreichs Ratsvorsitz verhandelt werden soll: eine Art Übergangssteuer auf bestimmte Erträge aus digitalen Tätigkeiten in der Höhe von drei Prozent des Ertrags.

Besteuert werden sollen künftig Erträge auf den Verkauf von Online-Werbeflächen. Also die von Finanzminister Löger angedachte Online-Werbeabgabe. Außerdem sollen Erträge aus dem Verkauf von Daten und Nutzerinformationen und "Erträge aus digitalen Vermittlungsgeschäften, die Nutzern erlauben, mit anderen Nutzern zu interagieren und die den Verkauf von Gegenständen und Dienstleistungen zwischen ihnen ermöglichen" besteuert werden, heißt es im Kommissionsvorschlag.

Treffen soll diese Maßnahme in erster Linie die großen IT-Konzerne. Die Zwischensteuer soll nur für Unternehmen mit weltweiten jährlichen Erträgen von 750 Millionen Euro und EU-Erträgen in der Höhe von 50 Millionen Euro gelten. Aber auch hier sind die einzelnen EU-Staaten von einer Einigung noch weit entfernt.