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Mit Gehstock und Arbeitskittel

Von Marina Delcheva

Wirtschaft

Die Bevölkerung wird immer älter, was viele Unternehmen vor Probleme stellt. Migration wirkt hier nur bedingt entgegen.


Wien. Unbestritten ist, dass die Österreicher immer älter werden. Ebenfalls unbestritten ist, dass sie weniger Kinder bekommen. Etwas umstrittener ist die Frage, wie sich dieser demografische Wandel auf die Gesellschaft und die Arbeitswelt auswirkt und wie man dem entgegentritt.

Eine Bevölkerungsprojektion der Statistik Austria von 2014 zeigt, dass die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter zwischen 2022 und 2037 deutlich sinken wird. Österreichs Bevölkerung ist im Schnitt 41,3 Jahre alt; das ist EU-Durchschnitt. In den nächsten Jahren wird dieser aber steigen. Für Betriebe bedeutet das, dass immer mehr Mitarbeiter in Pension gehen werden, während weniger, vor allem im qualifizierten Bereich, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.

Pensionswelle kommt

"In den nächsten zehn Jahren scheiden 40 bis 50 Prozent der Mitarbeiter pensionsbedingt aus", sagt Michael Bartz, Leiter des Business Departments an der IMC-Fachhochschule Krems. Für viele Unternehmen gehe es darum, ihre Mitarbeiter länger im Job zu halten, und weniger darum, jungen Ersatz zu finden. Der Klebestreifenhersteller Tesa reagiere mit flexiblen Beschäftigungsmodellen. Jüngere, alleinstehende Arbeitnehmer haben die Möglichkeit, mehr zu arbeiten, über 50-Jährige weniger. Personen, die sich um kleine Kinder oder pflegebedürftige Angehörige kümmern müssen, haben die Möglichkeit, kurzzeitig weniger zu arbeiten.

"Wir müssen in Richtung eines Lebensphasen-orientierten Arbeitens denken", meint Bartz. Mit der steigenden Lebenserwartung werden Menschen langfristig auch länger im Erwerbsleben bleiben müssen. "Es ist für ältere Personen aber sicher schwieriger, mehr als acht Stunden zu arbeiten", so Ulrike Famira-Mühlberger vom Wifo. In ihrer Studie plädiert die Forscherin für eine Anpassung der betrieblichen Arbeit an die Lebensphase der Arbeitnehmer. Die kürzlich beschlossene Flexibilisierung der Arbeitszeit sieht sie kritisch. "Wir müssten eher in Richtung eines Sechs-Stunden-Tags denken. Wir sind jetzt schon zu produktiv", sagt Bartz. Angesichts der Digitalisierung werde es schwieriger, für alle Menschen Arbeitsplätze zu schaffen.

Migration gegen das Altern

"Migration macht in den Bevölkerungsprognosen einen wesentlichen Teil aus", sagt Famira-Mühlberger. Die Zuwanderung verschiebe den Rückgang der erwerbsfähigen Bevölkerung nach hinten. Diese soll bis 2021 wegen der Einwanderung zunehmen. Danach werden die Babyboomer der 1960er Jahre sukzessive in Pension gehen. Um das Wirtschaftswachstum langfristig zu halten, braucht es Migration.

Es macht aber einen Unterschied, wer ins Land kommt, ob gut oder schlecht ausgebildet. In den vergangenen Jahren hat die Migration aus den östlichen EU-Staaten stark zugenommen. Diese Gruppe ist tendenziell besser ausgebildet als die österreichische Gesamtbevölkerung. Neue, jüngere und besser ausgebildete Migranten verdrängen die älteren Gastarbeiter, die in der Regel weniger gut ausgebildet sind. Hinzu kommt die Gruppe der Geflüchteten. Diese, so Famira-Mühlberger, seien eher schlecht ausgebildet. Deren Integration in den Arbeitsmarkt verläuft aber besser als gedacht. Laut Wifo habe jeder Dritte der im Jahr 2015 Geflüchteten und beim AMS gemeldeten einen Job gefunden. Dennoch haben es schlecht ausgebildete Zuwanderer schwer.

Eine Branche boomt. Die Nachfrage nach Pflegekräften wird in den nächsten zwei Jahrzehnten steigen, damit auch die Kosten. Eine Wifo-Kostensimulation, basierend auf Daten von 2015, rechnet mit einer durchschnittlichen Steigerung der Kosten um 91 Prozent in Österreich bis zum Jahr 2030.

Ulrike Famira-Mühlberger und Michael Bartz sind beim diesjährigen Europäischen Forum Alpbach (EFA) Teil des Podiums zum Thema "Demographischer Wandel und seine Auswirkungen auf die Arbeitswelt von morgen", das am 29. August 2018 stattfindet.