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Von Geisterhäusern und grünen Männchen

Von Andrea Möchel

Wirtschaft

Die Kreativwirtschaft setzt auf Crossover-Strategien und digitale Technologien.


Wien. Touristen, die in diesem Sommer durch Salzburg streifen, tun dies immer öfter in Begleitung grüner Männchen. Grund dafür ist die Spiele-App "City Catching", die Sightseeing in der Mozartstadt zur digitalen Schnitzeljagd werden lässt. Ziel dabei ist es, einem Außerirdischen - eben jenem grünen Männchen - bei der Rettung seines Heimatplaneten zu helfen.

Entwickelt wurde die App von den Spezialisten der Halleiner Kreativschmiede Polycular. Die Experten für ortsbasierte Augmented Reality Technologien kreierten dazu ein Content-Management-System, das auch von anderen Städten und Regionen unkompliziert genutzt werden kann.

"Diese Kreativwirtschaftsgeschichte ist ein erfolgreiches Beispiel für eine digitale Innovation im öffentlichen Raum, sowie ihre tourismusfördernde Wirkung für eine ganze Region und darüber hinaus", zeigt sich Gerin Trautenberger, Vorsitzender der Interessensvertretung Kreativwirtschaft Austria (KAT), ob des innovativen "Stadtführers" begeistert.

Erfolg durch Digitalisierung

Welche große Rolle digitale Technologien für die heimische Kreativbranche mittlerweile spielen, kann man im siebenten Österreichischen Kreativwirtschaftsbericht ausführlich nachlesen. Demnach steht der Einsatz neuartiger digitaler Anwendungen bereits für mehr als die Hälfte der heimischen Kreativwirtschaftsunternehmen im Fokus ihrer Innovationstätigkeit. Entwickelt werden neue Technologien wie Blockchain, Apps, Gamification-Lösungen, Webdesign, User-Interfaces und digitale Schnittstellen zu traditionellen Handwerks- und Design-Berufen. "Auf dem Feld der Digitalisierung sind Kreativschaffende Early Adopter", erklärt Trautenberger das Phänomen. "Durch die Entwicklung und Verbreitung innovativer Technologielösungen tragen sie auch gesamtwirtschaftlich zu einem erfolgreichen digitalen Wandel bei."

42.200 Unternehmen umfasst die Kreativbranche laut dem KAT-Bericht derzeit, das ist mehr als jedes zehnte Unternehmen in Österreich. Beschäftigt werden rund 152.400 Mitarbeiter, wobei Ein-Personen-Unternehmen mit 61 Prozent die überwiegende Mehrheit stellen. Besonders erfreulich: Die Anzahl der Beschäftigten ist im Jahresvergleich um mehr als fünf Prozent gestiegen, in der Gesamtwirtschaft waren es im selben Zeitraum lediglich zwei Prozent.

Die größten Sektoren der Kreativwirtschaft sind - betrachtet man Beschäftigung, Umsatz und Bruttowertschöpfung - die Bereiche Software und Games, Werbung, darstellende Kunst sowie Buch und Verlagswesen. Die Sparte Software und Games entwickelte sich im Untersuchungszeitraum besonders dynamisch. So ist die Zahl dieser Unternehmen um 3,8 Prozent gestiegen, jene der Beschäftigten sogar um 9,9 Prozent, wodurch nun jeder vierte Kreative bereits in diesem Sektor tätig ist. Gleichzeitig erzielt die Sparte auch den meisten Umsatz (29 Prozent) und die größte Bruttowertschöpfung (34 Prozent).

Innovationsaktivitäten

Was die Kundenseite betrifft, so gehören für 43 Prozent der heimischen Kreativen öffentliche Einrichtungen zu den wichtigsten Auftraggebern. Die Umsetzung von New Public Management und E-Government-Lösungen zählen dabei zu den wichtigsten kreativwirtschaftlichen Leistungen. "Kreativunternehmen schaffen eine wichtige Schnittstelle zwischen Innovation, Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft", sagt Trautenberger. "Auffallend dabei ist, dass 15 Prozent der Kreativen mit ihren Innovationsaktivitäten darauf abzielen, Veränderungsprozesse in den Regionen auszulösen." Besonders dynamisch entwickelt sich die Kreativwirtschaft derzeit in Kärnten und Oberösterreich, die größte Ressource an Kreativen hat aber nach wie vor Wien. 41 Prozent aller Kreativwirtschaftsunternehmen sind hier angesiedelt, was einem Anteil von 18,3 Prozent aller Wiener Unternehmen entspricht.

"Die Regionen werden durch die neuen Impulse der Branche gestärkt", ist Trautenberger überzeugt. "Als höchst innovative Branche kann die Kreativwirtschaft durch ihre vielfältigen Verflechtungen neben Innovationsimpulsen so auch Crossover-Effekte auslösen."

Geisterhäuser

Ein Beispiel dafür ist das Buchprojekt "Geisterhäuser" in der Vorarlberger Gemeinde Lustenau. Weil unbebaute Grundstücke und leerstehende Häuser der Kommune zunehmend zu schaffen machen, hat eine kreativwirtschaftliche Kooperationsgemeinschaft, bestehend aus einem Fotografen, einer Architektin und einer Designerin, ein Projekt entwickelt, das auf Leerstände aufmerksam machen soll. Mit Unterstützung der Marktgemeinde wurde das Buchprojekt "Geisterhäuser - eine Betrachtung durch Kinderaugen" initiiert. Dabei begaben sich Kinder auf die Suche nach vermeintlichen Geistern in leerstehenden Häusern und brachten ihre Geschichten zu Papier.

In der Folge entstand ein Beratungsangebot für jene Hausbesitzer, die sich für eine Reaktivierung ihrer leerstehenden Immobilie interessieren. Mithilfe dieses Expertennetzwerks verzeichnet Lustenau mittlerweile eine vermehrte Bestandsaktivierung. "Das Projekt verdeutlicht, welche Potenziale in der verstärkten Forcierung von Crossover-Effekten liegen", freut sich Trautenberger.

Doch es gibt auch Probleme: So fehlt es zum einen oft am Verständnis für den Mehrwert kreativwirtschaftlicher Leistungen, und zum anderen bestehen zwischen den Kreativunternehmen und den Kunden nicht selten recht unterschiedliche Definitionen von Kreativität und Innovation. Trautenberger: "Wir versuchen, mit vielen Awareness-Maßnahmen wie mit dem Wettbewerb "Die beste Kreativwirtschaftsgeschichte" und einem neuen Leitfaden für Kreativ-Kunden diese Hürden abzubauen, und so mehr Verständnis für Kreativprozesse zu generieren."