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Neues Leben für alte Konsumtempel

Von Andrea Möchel

Wirtschaft

Warum sich Einkaufszentren neu erfinden (müssen).


Wien. Die Blütezeit der Shopping-Center ist vorbei, der Markt in Europa bis zum Anschlag gesättigt. Auch in Österreich entstehen kaum noch neue Einkaufszentren (EKZ). Wer nun glaubt, das Konzept der Shopping Malls habe sich dank E-Commerce endgültig überlebt, könnte allerdings irren. "Entgegen weitläufiger Unkenrufe werden weder Einzelhändler noch Einkaufszentren am E-Commerce zugrunde gehen, sondern sich neu erfinden", prophezeit Mirko Warschun, Handelsexperte beim Unternehmensberater A.T. Kearney. "Dazu werden die Flächen umstrukturiert und konsolidiert, um so die Produktivität zu stabilisieren oder sogar zu erhöhen." Das Motto lautet also: Das Shoppingcenter ist tot - es lebe das Shoppingcenter!

Die Betreiber konzentrieren sich momentan hauptsächlich auf drei Faktoren: hoher Kundenservice, hoher Entertainment- und Erlebnisfaktor und hoher Wert an Orientierung und Convenience", bestätigt Theresa Schleicher, Strategieberaterin und Mitarbeiterin des Frankfurter Zukunftsinstituts, das Erwachen einer schönen neuen Shoppingwelt. Auch sie glaubt, dass der Online-Handel weiter wachsen wird, das EKZ der Zukunft aber nicht mehr als Konkurrenz zum stationären Verkauf, sondern als smarte Ergänzung gesehen wird.

Mehrere EKZ-Typen

"Service-Angebot werden für Kunden beim Besuch eines Einkaufszentrums künftig essenziell sein", ist Schleicher überzeugt. "Ähnlich wie die Verfügbarkeit von Produkten und die Lage, wird das passende Service-Angebot zu einem Hauptkriterium - und mangelnder Service wird nicht nur als negativ wahrgenommen, sondern gilt als Ausschlusskriterium."

Sowohl der "Retail Report 2018" des Zukunftsinstituts, als auch die A.T.-Kearney-Studie "The Future of Shopping Centers" sind sich darüber einig, dass moderne Einkaufszentren mit dem Shoppingerlebnis, wie wir es bisher kennen, nicht mehr viel zu tun haben. "Die heutigen Händler und Betreiber von Einkaufszentren werden gezwungen, Altbewährtes hinter sich zu lassen und mit viel Phantasie Neues zu entwickeln", prophezeit Warschun. Als Beispiel nennt der Experte das G3 Shopping Resort im niederösterreichischen Gerasdorf. "Die Betreiber bezeichnen das G3 explizit als Shopping Resort. Das zeigt, wohin die Reise geht. Einkaufserlebnis trifft auf Wohlfühlfaktor, gepaart mit außergewöhnlicher Architektur und Verantwortung gegenüber Region und Umwelt."

Die Konzepte zukünftiger Konsumtempel werden sich allerdings derart unterscheiden, dass sie kaum noch unter einen einheitlichen Begriff passen. A.T. Kearney hat deshalb mehrere EKZ-Typen identifiziert. Da gibt es zum einen die "Destination Center". Diese gruppieren ihr Angebot rund um Attraktionen wie Themenparks, Indoor-Sportangebote oder Kultureinrichtungen. Sie ziehen ein überregionales Publikum an und bieten für mehrtägige Aufenthalte auch Gastronomie- und Übernachtungsmöglichkeiten. Ein Beispiel dafür ist das "intu Trafford Centre" in Manchester, das auf den ersten Blick durch sein Architektur-Mix aus Neoklassizismus, Barock und Rokoko auffällt. In einer riesigen Halle, findet man neben einer orientalischen Food-Meile auch das bestbesuchte Kino des gesamten Vereinigten Königreichs. Geboten werden außerdem eine Spielhalle, GoKart-Bahnen, ein Legoland, Laser Quest-Spiele und ein Sealife Aquarium.

"Mall of the Emirates"

In dieselbe Kategorie fällt die "Mall of the Emirates" in Dubai, in der man sich nicht nur in einer Unzahl von Geschäften, sondern auch in einem riesigen Spielautomaten- und Vergnügungszentrum verlieren kann. Absolute Attraktion ist freilich das "Ski Dubai", ein Snow Park, in dem die Besucher zwischen Skifahren, Snowboarden und Schneeballschlachten wählen können. Zum Aprés Ski geht es dann "stilecht" in die Skihütte.

Eine andere Spielart der Neo-Konsumtempel sind regionale "Value Center". Hier treffen sich Gleichgesinnte rund um ein Thema und finden neben passenden Produkten jede Menge Informationen, Weiterbildung oder soziale Events. Ein Beispiel dafür ist die "Fico Eataly World" in Bologna. "Es ist nicht nur eine Art ,Disneyland für Gourmets‘, sondern für viele Experten auch der Prototyp des Einkaufszentrums von morgen", so A.T. Kearney. Hier findet man neben 45 Restaurants nicht nur tausende Lebensmittel in den Regalen, sondern ausgewählte Produkte wie Olivenöl werden direkt vor Ort hergestellt.

"Lifestyle Hubs"

Die "Retaildential Spaces" liegen ebenfalls im Trend. Sie bestehen aus einem Mix aus Restaurants, Unterhaltung und Dienstleistungen. Bedient werden dabei spezielle Zielgruppen wie Young Urban Hipster, Singles jenseits der 40 oder Senioren. Beispielhaft für diese Variante ist der japanische Einzelhandelskonzern AEON, der Malls mit integrierten Gesundheitsdienstleistungen für die Bedürfnisse der alternden japanischen Bevölkerung entwickelt hat. Ein Konzept mit Zukunft, sind sich die Experten sicher.

"Künftig werden Shopping-Center zu Lifestyle Hubs: Orte, wo man sich mit Freunden und Kollegen trifft, wo man arbeitet, wo man sich zuhause fühlt, wo man seinen Gesundheitsberater besucht, wo man lebt, isst und einkauft - kurz gesagt: Orte, an denen man seinen Alltag verbringt", bringt Schleicher die Konzepte von morgen auf den Punkt. "Einkaufen wird an diesen Lifestyle Hubs zur Nebensache."