Wien/Edinburgh. Nicht Zähne oder Klauen lassen auf das Jagdverhalten fossiler Raubtiere schließen, sondern das Ohr. Auf der Grundlage dieser Erkenntnis rekonstruieren Forscher der Universitäten Wien und Edinburgh das Jagdverhalten ausgestorbener Raubtiere. Das Innenohr nämlich ist eines der wichtigsten Sinnesorgane von Wirbeltieren. Es ist für das Gleichgewicht zuständig, und seine Form lässt darauf schließen, wie sich ein Lebewesen fortbewegt. Das haben sich die Wissenschafter zunutze gemacht, um das Jagdverhalten zu rekonstruieren. Die Ergebnisse erscheinen aktuell im Fachmagazin "Scientific Reports".

Im Paläozän (vor rund 60 Millionen Jahren) entwickelte sich die Säugetiergruppe der Raubtiere, die sich im Lauf der Evolution bis heute als besonders erfolgreich herausgestellt hat. So hat etwa der älteste Hund vor circa 40 Millionen Jahren gelebt - allerdings ist er nicht zu vergleichen mit den heutigen Arten. Er war klein, schlank gebaut und in der Lage, auf Bäume zu klettern. Etwa 15 Millionen Jahre später trat dessen Nachfahre, Epicyon haydeni, mit der Größe eines Grizzlybären auf.

Analyse der Fortbewegung

Das Jagdverhalten heutiger Raubtiere unterscheidet sich sehr im Vergleich zu ihren ausgestorbenen Vorfahren. Heutige Raubtiere sind Hetzjäger wie der Wolf, der Afrikanische Wildhund oder der Gepard, andere lauern ihrer Beute auf (wie die meisten Katzenartigen). Durch Beobachtungen kennt man das Verhalten dieser Tiere gut. Es stellt aber eine enorme Herausforderung dar, das Jagdverhalten für fossile Raubtiere zu rekonstruieren.

Das Paläontologen-Team um Julia Schwab an der Universität Wien beschäftigt sich in einer aktuellen Studie deshalb mit dem Innenohr heutiger und ausgestorbener Raubtiere, um so Rückschlüsse auf das Jagdverhalten fossiler Arten ziehen zu können. Das Innenohr ist zum einen für das Hören, und zum anderen mit den drei Bogengängen für das Gleichgewicht und die Lage des Körpers im Raum zuständig. Aufgrund seiner Gestalt kann es daher mit verschiedenen Fortbewegungsmustern korreliert werden.

Mittels Mikro-Computertomografie (CT) konnten die Wissenschafter einen detaillierten Einblick in die innere Anatomie des Schädels von Raubtieren und insbesondere über das knöcherne Labyrinth bekommen. Letztgenanntes repräsentiert den Hohlraum, in dem sich das eigentliche Sinnesorgan befindet. Sein indirekter Beleg ermöglicht in Kombination mit modernen Analysemethoden und dem Vergleich zu heutigen Arten die genaue Rekonstruktion der Fortbewegungsweisen fossiler Raubtiere, was Rückschlüsse auf deren Jagdverhalten zulässt.

Unterschiede in der Jagd

"Schnelle Jäger, wie der Wolf oder auch der Gepard, entwickelten größere Bogengänge, da sich ihre Laufgeschwindigkeiten schneller der Beute anpassen müssen als generalisierte Jäger, wie der Fuchs", so Schwab. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Länge der Hörschnecke (Cochlea) des Innenohrs, da anhand dessen zwischen katzenartigen und hundeartigen Raubtieren unterschieden werden kann. Die Studie setzt nun einen ersten Schritt, um die Lebensweise ausgestorbener Raubtiere besser verstehen zu können.