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Eiskalte Denisovaner

Von Roland Knauer

Wissen
Natalia Belousova und Tom Higham nehmen in der Denisova-Höhle Proben.
© Zelinski/RAW

Seit 300.000 Jahren lebten verschiedene Menschengruppen in einer Höhle im Süden Sibiriens.


Leipzig. Drei Zähne und ein winziges Fingerknöchelchen genügen Forschern wie Svante Pääbo vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie (EVA) in Leipzig und Johannes Krause vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena, um aus dem darin steckenden Erbgut eine bis 2009 unbekannte Menschenlinie zu entdecken. Da russische Forscher diese kleinen Überreste in der Denisova-Höhle im Altai-Gebirge im tiefen Süden Sibiriens fanden, werden diese Menschen "Denisovaner" genannt.

Das Erbgut verrät auch die Verwandtschaftsverhältnisse mit anderen Menschenlinien: Ihre Geschwister waren die Neandertaler, deren Erbgut EVA-Forscher ebenfalls in der Denisova-Höhle fanden. Sogar ein Mischlingskind beider Linien konnte man identifizieren. Weitgehend im Dunkeln aber lässt das Erbgut viele weitere Fragen, die Frühmenschenforscher brennend interessieren: Wann lebten diese Menschen dort, wie sahen die Täler des Altai-Gebirges damals aus, wie war das Klima?

Ein paar Antworten darauf finden jetzt die Forscherin Katerina Douka und Kollegen, sowie Zenobia Jacobs von der University of Wollongong in zwei detaillierten Untersuchungen in "Nature". Schon vor rund 300.000 Jahren tauchten nach diesen Analysen Menschen in der Denisova-Höhle auf. Ähnlich wie wohl auch spätere Bewohner dürften sie die ideale Lage geschätzt haben: 27 Meter über einem Fluss führt ein zwei Meter hoher und sieben Meter breiter Eingang in eine große Höhlenkammer. Auf einer Länge von elf Metern und neun Metern Breite fand dort eine ganze Sippe Platz, zwei weitere, deutlich kleinere Kammern im Süden und Osten boten weitere Unterkünfte.

Im Laufe sehr vieler Jahrtausende haben sich auf dem Boden dieser Höhle, die ungefähr auf dem gleichen Breitengrad wie das Ruhrgebiet liegt, aus Staub und anderen Teilchen rund sechs Meter dicke Sedimentschichten abgelagert, die russische Forscher und deren Kollegen aus anderen Nationen seit 1977 akribisch genau untersuchen. Besonders aufgefallen sind den Forschern dabei in den oberen und damit relativ jungen dieser Schichten eine ganze Reihe von Knochenspitzen und durchbohrten Zähnen verschiedener Tierarten wie Mammuts und Pferden. Archäologen kennen solche Funde auch aus anderen Regionen Eurasiens und wissen, dass sie von Steinzeitmenschen und damit unseren direkten Vorfahren als Schmuck hergestellt wurden. Mehrere solche durchbohrte Tierzähne wurden zum Beispiel als edle Schmuckkette um den Hals getragen.

Der Kohlenstoff spricht

Mit Hilfe der C14-Analyse konnten Katerina Douka und Tom Higham von der Universität Oxford jetzt das Alter dieses Steinzeitschmucks messen: Solche Ketten waren im Altai-Gebirge anscheinend vor 43.000 bis 49.000 Jahren modern. Das passt zwar ganz gut zu Erbgutanalysen aus einer völlig anderen Gegend, nach denen unsere Vorfahren vor 43.000 bis 47.000 Jahren Sibirien erreicht hatten. Allerdings haben die Forscher bisher keinerlei Erbgutspuren dieser Steinzeitmenschen in der Denisova-Höhle gefunden.

"Vielleicht zeigen uns weitere Untersuchungen, ob dieser Schmuck von Steinzeitmenschen unserer Linie oder von Denisovanern hergestellt wurde", hofft Tom Higham. Diese Frage interessiert die Archäologen auch deshalb brennend, weil es sich bei diesen Schmuckstücken immerhin um die ältesten bisher entdeckten Exemplare dieser Art in den nördlichen Regionen Eurasiens handelt. Allerdings ist dieses Alter auch an der Grenze der C14-Analyse, die nur bis zu 50.000 Jahren Ergebnisse liefert.

Zenobia Jacobs und ihre Kollegen haben das Alter dieser Bereiche in den Ablagerungen der Denisova-Höhle daher mit der Optisch-stimulierten Lumineszenz-Methode (OSL) untersucht. Damit können die Forscher feststellen, wann in den Sedimenten vorhandene Quarzkörnchen das letzte Mal dem Sonnenlicht ausgesetzt waren, bevor sie in die Höhle kamen. Nach diesen Daten sollten die Schichten mit den Fossilien und Schmuckstücken je nach Lage seit 300.000 bis zu 20.000 Jahren ohne Sonnenlicht im Dunkeln der Höhle liegen. Andere Messungen weisen für die Steinwerkzeuge ein Alter von 300.00 Jahren aus. Wer diese Funde hergestellt hat, bleibt allerdings noch im Dunkeln.