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Die Angst vor dem Krebs

Von Alexandra Grass

Wissen
© AdobeStock/vitanovski

Experten setzen am Weltkrebstag auf Aufklärung, um Tumorerkrankungen bewusster zu begegnen.


Wien. Trotz der vielen - auch bahnbrechenden - Fortschritte in der Tumormedizin in den vergangenen 25 Jahren bleibt Krebs stark mit dem Gefühl der Angst verhaftet. Kaum eine andere Krankheit wird innerhalb der Bevölkerung dermaßen gefürchtet. Das Thema Krebs ist aus dem Alltag auch nicht mehr wegzudenken. Heutzutage leben mehr Menschen als je zuvor mit Tumorerkrankungen beziehungsweise deren Folgen. Jeder fünfte Mann und jede sechste Frau sind während ihres Lebens damit konfrontiert. Die Tendenz ist steigend. Dennoch können heute mit modernen Therapien mehr Menschen geheilt werden. Bei fortgeschrittenen Erkrankungen gelingt es immer häufiger, diese unter Kontrolle zu bringen. Krebs ist damit in vielen Bereichen zur chronischen Erkrankung geworden, berichten Experten regelmäßig. Die Früherkennung spielt in dem Prozess eine wichtige Rolle.

Mediziner machen sich neuerdings auch Gedanken darüber, wie sie dem Krebs an sich den Schrecken nehmen können. "Sollten wir Erkrankungen mit geringem Risiko umbenennen, um die Angst vor unnötigen Untersuchungen und Therapien zu reduzieren?", stellten sich jüngst Experten im "British Medical Journal" (BMJ) die Frage.

Verunsicherung und Angst

Krebs ist ein starkes Wort. Egal, wie sensibel ein Arzt seinen Patienten im Gespräch daran heranführt. Allein die Benennung sorgt für Verunsicherung und Angst. "Die klinische Definition beschreibt die Erkrankung als eine, die - unbehandelt - unbarmherzig wächst, sich in anderen Organen ausbreitet und ihren Wirt tötet", so Laura Esserman vom Carol Franc Buck Breast Care Center in San Francisco im "BMJ". Doch die Bandbreite der auftretenden Stadien sei groß. Sie reiche von nahezu harmlosen bis hin zu hoch risikoreichen Tumoren, die unbehandelt innerhalb kürzester Zeit tatsächlich zum frühzeitigen Tod führen.

Doch immerhin seien viele Tumore unter die Kategorie "low risk cancer" einzustufen, so Esserman. In Fällen wie diesen sollte, so die Forscherin, der aktiven Überwachung der Vorzug gegeben werden. "Doch es ist schwierig, Patienten dazu zu ermutigen, abzuwarten und zu beobachten, wenn ihnen einmal gesagt wurde, dass sie Krebs haben." Ihr Kollege Murali Varma vom University Hospital of Wales in Cardiff wiederum glaubt, dass eine Umbenennung für Verwirrung sorgen könnte. Aufklärung über das Wesen der Krebserkrankung müsse deshalb einen hohen Stellenwert einnehmen.

Aufklärung rücken die Experten zumindest einmal im Jahr besonders in den Fokus - nämlich zum Weltkrebstag am 4. Februar. Die Krebstherapie im Jahr 2019 bietet individualisierte, personalisierte und zielgerichtete Behandlungsstrategien, skizzierte Christoph Zielinski, Wissenschaftlicher Leiter des Vienna Cancer Center, im Rahmen einer Pressekonferenz. Zudem hätten die Forschungen "zu einem völlig neuen Verständnis über die Mechanismen der Krebsentstehung geführt.

Das mündete auch in einem Umdenken der Klassifikation von Tumoren. Diese erfolgt nicht mehr in erster Linie nach ihrer Histologie und organbezogen, sondern zunehmend auf der Grundlage genetischer Bedingungen. Die molekularen Mechanismen sind daher heute vielfach Ausgangsbasis für Therapieziele und nicht das betroffene Organ per se.

Die innere Uhr der Zellen

Ursprünglich bestand das Therapieziel darin, die Zellteilung der Krebszellen zu blockieren. Heute stehen die Hemmung der Gefäßbildung, die Signalübermittlung der Zellen und die Blockade bestimmter Rezeptoren, um das Immunsystem des Patienten gegen die Krebszellen anzufeuern, im Vordergrund, so Zielinski.

Neben der klinischen bleibt natürlich auch die Grundlagenforschung am Ball des Geschehens. Nahezu täglich berichten Forscherteams von neuen Entdeckungen auch hinsichtlich körperimmanenter Mechanismen. "Die innere Uhr von Krebszellen kann angehalten werden - und damit auch deren Ausbreitung", berichtete zuletzt ein internationales Team im Fachblatt "Science Advances". Sie machten ein Molekül ausfindig, das dabei eine wichtige Rolle spielen könnte. Dieses zielt auf ein Enzym ab, das den zelleigenen Biorhythmus - vergleichbar mit der inneren Uhr des Menschen - steuert. Das Molekül mit der Bezeichnung GO289 blockiert die Rädchen dieses Uhrwerks. Damit könnte das Wachstum der Tumorzellen angehalten werden. Möglicherweise könnten sie sogar absterben, wobei gesunde Zellen dadurch nicht gestört werden, erklären die Forscher der University of Southern California und der Nagoya University.

Fresslust steuern

Ein weiteres Team richtete seinen Fokus auf die Abwehrzellen des Menschen - genauer gesagt auf die Makrophagen. Sie sind dazu abgestellt, Eindringlinge auszuschalten - sie regelrecht aufzufressen. Doch die Krebszellen haben einen Weg gefunden, diese Fresszellen für ihre eigentliche Aufgabe zu deaktivieren und sie zum Partner im Tumorwachstum zu machen. Für diesen Prozess ist ein Signal namens CD47 verantwortlich, so die Forscher im Fachblatt "Nature Immunology". Dieses hält die Fresslust der Makrophagen im Zaum. Die Blockade solcher Signalpfade könnte das Immunsystem wieder aktivieren und die Gefräßigkeit dieser Abwehrzellen wieder herstellen.

Weltweit erkranken 18,1 Millionen Menschen pro Jahr an Krebs, 9,6 Millionen sterben daran. Die Überlebensdauer der Patienten hat sich in den letzten Jahren um 25 Prozent erhöht. In Österreich erkranken jährlich etwa 46.000 Menschen, laut Weltgesundheitsorganisation sterben 22.000 daran. Hierzulande profitieren die Patienten von einer guten Versorgung mit den aktuellsten Therapien, betont Matthias Preusser, Leiter der Klinischen Abteilung für Onkologie der MedUni Wien in einer Aussendung.

Um Krebserkrankungen besser beherrschbar zu machen, seien aber nicht nur die Forschung und Expertise bei der Diagnose und Behandlung wesentlich. Prävention ist den Medizinern ein wichtiges Anliegen. "30 bis 50 Prozent aller Krebserkrankungen wären laut WHO vermeidbar. Allein der aktive Konsum von Tabak, aber auch das Passivrauchen erhöhen das Risiko, an Krebs zu erkranken, signifikant", betont Preusser.

Beim diesjährigen Krebstag 2019 am 12. Februar im Wiener Rathaus kann sich die breite Bevölkerung bei freiem Eintritt ein Bild über den neuesten Stand der Krebsforschung machen.

www.leben-mit-krebs.at

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Die Bezeichnung "Krebs" für Tumoren und Geschwüre stammt aus dem Altgriechischen. Dort steht "Karkínos" sowohl für das Tier als auch die Krankheit. Der Grieche Hippokrates hat vermutlich als Erster den Begriff verwendet. Dies, weil ihn ein Brustgeschwür und dessen Ausbreitung an die Greifzangen eines Krebses erinnert haben.