Peking. (dpa/est) Mit Blick auf die Bekanntgabe der Geburt der weltweit ersten genmanipulierten Babys in China fordern Wissenschafter mehr Achtsamkeit bei der Forschung und eine strengere Aufsicht. Regulierungen und Strafen bräuchten "ausreichend Biss", um der Öffentlichkeit zu versichern, dass solch "abtrünnige Forschung" keine Zukunft hat, betont der US-Medizin-Ethiker Arthur Caplan im Fachmagazin "Plos Biology".

Es gebe wenig Raum für etwas anderes als eine "lautstarke Verurteilung" für die Experimente des chinesischen Wissenschafters He Jiankui. He Jiankui hatte im vergangenen November auf Youtube verkündet, er habe mit der Genschere Crispr/Cas9 Embryonen manipuliert, um sie gegen den Aids-Erreger HIV resistent zu machen. Die Zwillinge Nana und Lulu seien gesund auf die Welt gekommen. In einem Untersuchungsbericht der Regierung in Peking hieß es später, der Forscher habe "illegal und inakzeptabel" gehandelt. Er habe ganz alleine finanzielle Mittel eingesammelt und sich der Aufsicht durch seine Universität entzogen.

In der Folge distanzierten sich 100 prominente chinesische Forscher von He. In einem öffentlichen Brief bezeichneten sie seine Arbeit als "jenseits der Grenzen akzeptabler Wissenschaft". He wurde von seiner Uni suspendiert. Auch Caplan, Gründungsdirektor der Abteilung für Ethik in der Medizin an der New York School of Medicine, bringt seine Ablehnung zum Ausdruck. "Es gibt wenig Raum für etwas anderes als lautstarke Kritik an Hes Ansagen", schreibt er.

Für klare, strenge Gesetze

Caplan verweist weiters auf Makel in der modernen Forschung, die der Fall ans Licht fördert. Derzeit sei die Bearbeitung von Embryonen, insbesondere in Bezug auf die Reparatur ihrer DNA, noch kaum verstanden, betont er. Daher sei ein tieferes Verständnis der Mechanismen und möglicher Nebenwirkungen eine unabdingbare Voraussetzung für jede weitere Diskussion über den Einsatz der Methode. Kritik am Vorgehen ihres Kollegen übten am Dienstag auch die chinesischen Gen-Wissenschafter Haoyi Wang und Hui Yang. Das Handeln von He Jiankui und seinem Team sei "äußerst verantwortungslos, sowohl wissenschaftlich als auch ethisch", schrieben sie ebenfalls in "Plos Biology". Es sollten "klare und strenge Gesetze" verabschiedet werden.

Haoyi Wang und Hui Yang äußern die Ansicht, dass das Projekt in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft konzipiert sei. Erstens könne eine Weitergabe des Aids-Erregers HIV an die Nachkommen mit Hilfe von künstlicher Befruchtung durch In vitro-Fertilisation verhindert werden. Und obwohl eine Mutation des Gens CCR5 bei Europäern mit einer gewissen Resistenz gegen das Virus in Verbindung gebracht werde, blocke die Mutation nicht alle HIV-Stränge ab. An einer chinesischen Bevölkerung sei der Effekt noch nicht getestet worden, zudem sei nichts über die Langzeiteffekte eines solchen Eingriffs an Menschen bekannt. Insgesamt bezeichnen Wang und Yang Hes Experiment als "substandard" und halten es für in weiten Teilen nicht reproduzierbar.