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Studenten wertvoller als Patente

Von Eva Stanzl

Wissen

Nur ein bis zwei von 100 Patenten bringen Geld, sagt Innovationsexperte Hermann Hauser.


Alpbach/Wien.2018 wurden in Österreich 2207 Erfindungen zum Patent angemeldet und etwa jeder zweiten Anmeldung das Patent erteilt. "Welche davon am Markt erfolgreich sind, ist für das Österreichische Patentamt leider nicht abschätzbar", sagt eine Sprecherin zur "Wiener Zeitung". So viel jedoch: Die Top-Antragssteller seien Leitbetriebe und die Zahl der innovativen Start-ups steige.

Innovative Start-ups werden oftmals von Hochschulabsolventen gegründet, die bereits während des Studiums Entdeckungen machen. Sie sind als Experten für die Volkswirtschaft von größerem Wert als das geistige Eigentum. "Patente bringen weniger als gut ausgebildete Studenten", fasst der österreichisch-britische Ingenieur Hermann Hauser, Mitbegründer des Computerunternehmens Acorn, das zum ARM-Konzern für Mikroprozessoren geworden ist, zusammen. Nur wenige Menschen kennen die Gründerszene um die Universität Cambridge und den Wert von geistigem Eigentum besser als der in Wien geborene Entrepreneur.

Den Innovationskreislauf erklärt Hauser mit einer Rechnung. "Nehmen wir an, die Universität Cambridge produziert jedes Jahr 6000 Studenten, die am Arbeitsmarkt mit einem Jahresgehalt von 30.000 Euro starten. Im Jahr sind diese Studenten 180 Millionen Euro wert, weil die Wirtschaft willens ist, ihnen so viel zu bezahlen. Demgegenüber stehen die zwei Millionen Euro an Jahreserträgen aus Patenten, die die Universität Cambridge tatsächlich macht", sagte Hauser am Rande der Technologiegespräche des Forum Alpbach zur "Wiener Zeitung". Somit stünden der Wert, den die Universität erzeugt, indem sie Studenten ausbildet, und der Wert, den Forschung über geistiges Eigentum generiert, in einem Verhältnis von 100 zu eins. "Also ist es 100 Mal wichtiger, gute Studenten auszubilden, als geistiges Eigentum zu schaffen."

"Nicht das Papier wert"

Doch das ist nur die eine Seite. Universitäten produzieren Forschungsergebnisse, die sich patentieren lassen, doch nicht die Zahl der Patente, sondern die Zahl der Durchbrüche ist entscheidend. "Die meisten Patente sind nicht das Papier wert, auf dem sie gedruckt sind", betont Hauser. Nach seiner Schätzung sind nur ein oder zwei von 100 Patenten tatsächlich wertvoll. Den Großteil des Patent-Einkommens erwirtschaften Moleküle mit speziellen Funktionen in neuen Medikamenten der Pharmaindustrie. Die Gesellschaft im Allgemeinen profitiere hingegen am meisten von Studierenden, die ihr Segment so gut verstehen, dass sie ihre Forschungsergebnisse umsetzen können. Sie gründen Start-
ups und finden Firmen, die ihre Erfindungen zu erfolgreichen Produkten weiterentwickeln.

"Die Tatsache, dass der wirkliche Wert von Firmen kommt, die die Forschungsergebnisse umsetzen und einen Mehrwert für die Wirtschaft schaffen, wird nicht immer verstanden", sagt Hauser. "Dabei kommt das Wachstum zunehmend von produktgewordenen, wissenschaftlichen Fortschritten, die revolutionäre Durchbrüche darstellen."

Wer hätte gedacht, dass sich das Tesla-Model-3-Elektroauto in Kalifornien besser verkauft als der BMW 3 und die Mercedes C-Klasse? Der indirekte Wert der Forschung sei ihr Umsatz in Unternehmen, die hunderte bis tausende Arbeitsplätze schaffen und ein Vielfaches der ursprünglich öffentlichen Forschungsausgaben für ein Land zurückverdienen.

Das also ist der Lohn der Wissenschaft, erklärt der Unternehmer. Um innovative Gründungen auch in Europa zu erleichtern, hat die EU den Europäischen Innovationsrat (EIC) ins Leben gerufen, der von 2021 mit 2024 mit zehn Milliarden Euro an öffentlichen Förderungen ausgestattet sein soll. Da die USA derzeit fünf Mal so viel Risikokapital aufbringen wie die EU, klingt das zwar wie ein Tropfen auf den heißen Stein. "Aber es ist besser, als überhaupt nichts zu geben", sagt EIC-Vizepräsident Hauser: "Wir hoffen, noch einmal 20 bis 30 Milliarden vom Markt zu bekommen." Wenn es gelingt, könnten vielleicht mehr patentierte Entdeckungen auf dem Markt erfolgreich sein.