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Wahrheit ist eine Frage der Zahlen

Wissen

Forschungsrat: Ohne steigendes Budget kann Regierung Forschungsvorhaben nicht verwirklichen.


Die Analysen wurden durchgeführt, die Ziele stehen im Regierungsprogramm. Bildung, Wissenschaft und Forschung seien die "Basis für gesellschaftlichen Fortschritt und Innovation", heißt es auf Seite 304. Nun hängt es vom Budget ab, ob aus den Worten Praxis wird. "Die selben Überschriften, die wir schon kennen", sagte der Chef des Rats für Forschung und Technologieentwicklung (RFT), Hannes Androsch, am Montag vor Journalisten über das türkis-grüne Forschungskapitel: Inhaltlich fehle zwar nichts, doch "die Stunde der Wahrheit ist das Budget".

"Wir haben uns mit vielen Empfehlungen bemüht, aufzuzeigen, was notwendig wäre, um vom Nachzügler zum Vorreiter zu kommen, nur wurde kein Beistrich umgesetzt", sagte Androsch. Der Forschungsgipfel im vergangenen Mai wurde abgesagt, die Entwicklung einer neuen Forschungsstrategie geriet ins Stocken und das seit Jahren geplante Forschungsfinanzierungsgesetz beinhaltet keinen monetären Wachstumspfad. Fazit: Österreich hat sein Ziel, bis heuer (nicht wie derzeit 3,16 sondern) 3,76 Prozent des BIP in Wissenschaft und Forschung zu investieren, nicht erreicht und fällt in internationalen Rankings zu Innovationsperformance zurück, anstatt deren Spitzen zu erklimmen.

Keine Roaring Twenties

Zwar habe sich die Leistungsfähigkeit in Forschung, Technologie- und Innovation "insgesamt seit 2010 durchaus verbessert. Allerdings ist das Ausmaß dieser Verbesserungen nicht ausreichend, um sich substanziell in Richtung des Niveaus der ‚Innovation Leader‘ zu bewegen", konstatiert der RFT in einer Broschüre, die am Montagabend beim Neujahrsempfang des Rats präsentiert wurde.

In den wichtigsten internationalen Rankings gehe die Entwicklung "in Summe abwärts". Im maßgeblichen European Innovation Scoreboard etwa nahm Österreich zuletzt so wie vor zehn Jahren Platz 11 ein. Und im renommierten Times Higher Education Ranking reiht einzig die Universität Wien mit Position 141 unter den Top-200. Woran es hakt, erklärt der Forschungsrat im Zahlenvergleich mit anderen reichen Industriestaaten, die zu den führenden Forschungsländern zählen. Etwa ist das öffentliche Budget der ETH Zürich fünf Mal so hoch wie jenes der Technischen Universität Wien und jenes der Uni Zürich drei Mal so viel wie jenes der Uni Wien. Das hat zur Folge, dass die Schweizer Hochschulen mehr wissenschaftliches Personal anstellen können, was die Betreuungsverhältnisse entscheidend verbessert.

Gleichzeitig haben heimische Unis weniger Möglichkeit, fehlende öffentliche Gelder durch kompetitive Drittmittel auszugleichen, da der Wissenschaftsfonds FWF weitaus geringer dotiert ist als das deutsche oder das Schweizer Pendant. "Bessere Rahmenbedingungen bei den Innovation Leaders führen zu mehr Publikationen pro Einwohner", heißt es in dem Ratsbericht. Das erhöht die internationale Sichtbarkeit und zieht Top-Forscher an, während Österreich um die besten Köpfe kämpft.

Androsch sprach die Hoffnung aus, dass bei den Regierungszielen sich nicht "die Erfahrung von vor zwei Jahren wiederholt". Damals habe die Regierung in einem Ministerratsbeschluss "alles, was man sich wünschen konnte" abgesegnet, aber nicht umgesetzt.

Technologiepark geplant

Das Beratungsgremium gibt der Regierung elf Empfehlungen. Neben der Ausarbeitung einer Forschungsstrategie bis 2030 solle ein politischer Schwerpunkt auf die Weiterentwicklung des FTI-Systems gesetzt werden. Das Fördersystem müsse einfacher und effizienter gestaltet, die Unternehmensgründung vereinfacht und das Bildungssystem optimiert werden. Für Androsch, Initiator des Bildungsvolksbegehrens 2011, werden im Bildungsbereich des Programms "die pädagogischen Grauslichkeiten von zuletzt fortgesetzt, Chancengleichheit und soziale Durchlässigkeit nicht erreicht".

Weiters empfiehlt der RFT eine strukturelle Weiterentwicklung des Hochschulsystems, etwa durch eine stärkere strategische Abstimmung der Aufgaben von Unis und Fachhochschulen. Die Hochschul-Ausgaben und die kompetitiv vergebenen Mittel für Grundlagenforschung sollten ebenso wie die Effektivität der Forschungsförderung erhöht werden. Schließlich sollte der Stellenwert von Wissenschaft gehoben werden. "Es ist der Politik und der Öffentlichkeit nicht bewusst, wie wichtig Forschung ist", betonte Androsch. Sehr optimistisch ist er aber nicht: "Es ist nicht abzusehen, dass aus den nicht goldenen Zehner-Jahren die Roaring Twenties werden, sondern zu befürchten, dass wir weiterwurschteln werden", sagte er.

Als Aufsichtsrats-Chef des Austrian Institute of Technology berichtete Androsch, dass er Pläne für einen Innovations- und Technologiepark in Wien-Floridsdorf verfolgt. Auf ungenützten Gründen von Siemens könnte eine Einrichtung mit Schwerpunkt Digitalisierung und Künstliche Intelligenz entstehen, erklärte er. Die Kosten bezifferte er mit "etwa 50 Millionen Euro in fünf Jahren".(est)