Ein- bis vierhundert Milliarden Sterne ziehen um das Herz unserer Milchstraße. Sie formen eine scheibenförmige Insel im Kosmos, mit bis zu 200.000 Lichtjahren Durchmesser. Einer dieser Sterne ist unsere Sonne. Sie braucht etwa 240 Millionen Jahre für einen kompletten Rundflug um das galaktische Zentrum. Die 30 Mio. Lichtjahre entfernte Galaxie NGC 6744 hält uns gewissermaßen den Spiegel vor. Sie ist unserer Milchstraße sehr ähnlich. Milchstraßen lieben Gesellschaft. Im Coma-Haufen scharen sich an die tausend Galaxien zusammen.

Ein neuer Begriff

1933 nimmt Fritz Zwicky diese Gruppe im Sternbild "Haar der Berenike" (lat.: Coma Berenices) genauer unter die Lupe. Zwicky ist 1898 als Sohn eines Schweizer Kaufmanns im bulgarischen Varna geboren worden, wuchs bei seinen Großeltern im Kanton Glarus auf, studierte in Zürich und wanderte 1925 in die USA aus. Wie er feststellt, sind die einzelnen Galaxien im Coma-Haufen überraschend rasant unterwegs.

Zwicky veröffentlicht seine Berechnungen im Schweizer Wissenschaftsjournal "Helvetica Physica Acta". Er macht darin auf Tempounterschiede im Coma-Haufen von bis zu 7 Millionen km/h aufmerksam. Aus der Anzahl der Galaxien und deren durchschnittlicher Leuchtkraft kalkuliert er die Gesamtmasse des Haufens: Doch die 800 Milliarden Sonnenmassen reichen nicht aus, um die rasenden Galaxien aufzuhalten. Deshalb "müsste also das Coma-System mit der Zeit auseinanderfliegen", schreibt Zwicky im Jahr 1933. Es sei denn, man steigerte seine Gesamtmasse um mindestens das Vierhundertfache. Was allerdings bedeutet, "dass dunkle Materie in sehr viel größerer Dichte vorhanden ist als leuchtende Materie". "Dunkle Materie" - ein neuer Begriff ist geboren!

1936 stößt Sinclair Smith beim Virgo-Galaxienhaufen in der Jungfrau auf eine ähnliche Problematik. Manche Astronomen betrachten derartige Haufen in Folge als sehr kurzlebige Gebilde, die man gerade im Stadium der Auflösung sieht. Andere hingegen schließen sich Zwickys Interpretation an. Dennoch bleibt seine nicht sichtbare "Dunkle Materie" ein Randproblem der Galaxienforschung.

Vera Rubin, Fritz Zwicky : "Mutter" und "Vater der Dunklen Materie". - © Linda Davidson/The Washington Post (l.); Heinz-Jürgen Göttert/dpa
Vera Rubin, Fritz Zwicky : "Mutter" und "Vater der Dunklen Materie". - © Linda Davidson/The Washington Post (l.); Heinz-Jürgen Göttert/dpa

Vera Cooper wurde am 23. Juli 1928 in Philadelphia geboren. Zehn Jahre danach übersiedelte ihre Familie nach Washington. Vom Fenster seines Zimmers aus verfolgt das Mädchen nun fasziniert mit, wie sich der Große Bär, die Andromeda und andere Sternbilder um den nördlichen Himmelspol drehen. In der Bibliothek stöbert Vera nach Astronomiebüchern, daheim setzt sie ein kleines Linsenfernrohr zusammen. Ihr Vater fördert das Interesse an der Naturwissenschaft.

Vera geht ans Vassar College. Es ist 1861 in Poughkeepsie, New York, gegründet worden; speziell für Frauen. Hier hat einst Maria Mitchell gelehrt, die erste US-Berufsastronomin. In den Sommerferien lernt Vera den Physikstudenten Robert Rubin kennen. Nach der Hochzeit lebt sie mit ihm inIthaca, New York. Dort studiert sie bei den späteren Physik-Nobelpreisträgern Richard Feynman und Hans Bethe. Veras Master-Arbeit macht den aus Russland geflohenen Urknalltheoretiker George Gamow auf sie aufmerksam.

Er wird Veras Doktorvater. Vera Rubin liebt die astronomische Forschung. Als Mutter kommt sie aber kaum noch dazu. Trifft das neue "Astrophysical Journal" ein, ist ihr zum Weinen. Schließlich arbeitet sie Teilzeit.

Ihre vier Kinder werden später in Astronomie, Geologie oder Mathematik promovieren. 1965 erhält Vera Rubin einen Job an der Carnegie Institution of Washington. Hier, im Department of Terrestrial Magnetism, konstruiert Kent Ford ein außergewöhnliches elektronisches Zusatzgerät für das Teleskop: Damit lassen sich auch schwache Spektren aufnehmen.

"Andromedanebel"

Fern der Stadt erblickt das freie Auge einen matten Nebelfleck im Sternbild Andromeda. Der "Andromedanebel", Katalogbezeichnung "M31", ist eine Spiralgalaxie in 2,5 Millionen Lichtjahren Distanz. Sie ähnelt unserer eigenen Milchstraße. Rubin und Ford richten das 2,1 Meter weite Spiegelteleskop des Kitt-Peak-Nationalobservatoriums in Arizona auf M31. Sie wollen die Rotationsgeschwindigkeiten innerhalb dieser Galaxie bestimmen. Allerdings fällt es schwer, aussagekräftige Spektren der fernen Sterne einzufangen. Deshalb konzen-triert man sich auf die rosafarbigen Wasserstoffwolken, die in den sternenreichen Spiralarmen von M31 kreisen.