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Geld für "alles, was nötig ist" in Forschung

Von Eva Stanzl

Wissen

Der Forschungsrat fordert ein Hochfahr-Programm für Wissenschaft und Forschung, um das Wachstum anzukurbeln.


Ein Forschungsfinanzierungsgesetz mit einer Grundausstattung von vier Milliarden Euro, das einen jährlichen Wachstumspfad von vier Prozent festschreibt: Diese Forderung stellt der Rat für Forschung und Technologieentwicklung (RFT), zumal große strategische Entscheidungen zur Zukunft von Forschung, Technologie und Innovation (FTI) im Schatten der Corona-Krise hintangestellt wurden.

Zum Hintergrund: Im März 2011 hatte die Bundessregierung ein ambitioniertes FTI-Programm beschlossen, das Österreich durch nachhaltig steigende Investitionen an die Spitze der Forschungsländer Europas katapultieren sollte. Doch obwohl die Forschungsquote - also die Ausgaben für Forschung und Entwicklung gemessen am Bruttoinlandsprodukt - derzeit die zweithöchste in der EU ist, konnte das Land nicht in diese Gruppe vorstoßen. Anders als Schweden oder die Schweiz verharrt Österreich im Mittelfeld.

"Der Input korreliert nicht mit dem Output. Das ist eine beträchtliche Schwäche, die im Bildungssystem ihre Ursache hat und sich bis in den Universitätsbereich zieht, wo mit Abstand zu wenig Mittel vorhanden sind", betonte der RFT-Vorsitzende Hannes Androsch bei der Präsentation des "Berichts zur wissenschaftlichen und technologischen Leistungsfähigkeit Österreichs" in Wien.

"Umsetzungszwerge"

Den Bericht will das Gremium weniger als strategische Bewertung denn als "Analyse der Stärken und Schwächen der letzten acht Jahre" verstanden wissen, zumal aufgrund der Ausnahmesituation durch die Corona-Krise noch keine neue "Strategie 2020" auf den Weg gebracht worden sei. Zwar seien von den Regierungen der vergangenen Jahre alle Notwendigkeiten im Forschungsbereich erkannt und Veränderungen auch angekündigt worden. Doch weil "wir Ankündigungsriesen, aber Umsetzungszwerge sind", sei Österreich "im Mittelfeld stecken geblieben", erklärte Androsch. Als Beispiele für in den vergangenen Jahren angekündigte, teilweise bereits beschlussfähige Konzepte, deren Umsetzung aber noch ausständig ist, nannte er die neue Forschungsstrategie, die Exzellenzinitiative oder das bereits erwähnte Forschungsfinanzierungsgesetz.

"Wir haben viel erreicht, aber es gibt noch viel Luft nach oben", fasste der stellvertretende RFT-Vorsitzende, Markus Hengstschläger, zusammen. Zu den Stärken des heimischen FTI-Systems zählt das Beratungsgremium die gute Performance in der Unternehmensforschung, die internationale Vernetzung, die hohe Standortattraktivität und das "sehr hohe Niveau der Forschungsfinanzierung". Hingegen ortet es im Vergleich zu den führenden Innovationsländern Schwächen bei Unternehmensgründungen, wo die Performance weiterhin "massiv unterdurchschnittlich" sei. Österreich sei immer noch zu wenig attraktiv für Gründer auch angesichts bürokratischer Hürden, bei denen Vereinfachungen des Digitalzeitalters noch nicht angekommen seien.

Bei der Digitalisierung gebe es erheblichen Aufholbedarf und auch im Bereich Umwelt und Klima gebe es unterdurchschnittliche F&E-Ausgaben und Patentaktivitäten. "Insgesamt überwiegen im Vergleich zu den Innovation-Leaders die Schwächen", konstatiert der Forschungsrat.

"Innovation heißt, neue Verfahren zu den Menschen zu bringen. Wie wichtig das ist, zeigt sich aktuell an der hektischen Suche nach Medikamenten oder Impfstoffen gegen das noch immer wütende Virus Sars-CoV-2", hob Androsch hervor, und: "In einer schrecklichen Deutlichkeit hat sich überdies im Schulwesen gezeigt, wie wichtig eine zeitgemäße Digitalisierung längst gewesen wäre und jetzt wieder ist."

Neben der international eher mageren Ausstattung des Wissenschaftsfonds FWF zur Förderung der Grundlagenforschung seien derzeit auch die Nationalstiftung und der Österreichfonds aufgrund von Profit-Verlusten durch die Corona-Krise nicht so weit handlungsfähig, als dass ihre Dividenden der Forschung zugutekämen. Wie es mit dieser in der Forschungsförderung maßgeblichen Säule weitergehen werde, sei noch nicht absehbar. Selbst wenn es der Bundesregierung gelänge, die neue Forschungsstrategie noch heuer auf den Weg zu bringen, könne sie frühestens 2021 abgesegnet werden. "Dann sind die ersten beiden Jahre des beginnenden Jahrzehnts verloren. Von einem Aufschwung kann somit keine Rede sein", warnte der Industrielle und Ratsvorsitzende.

Schlechte BIP-Prognosen

Androsch erachtet ein Hochfahr-Programm zur Bewältigung der Corona-Krise nach deutschem Vorbild für notwendig. Ein solches Programm müsse rasch umgesetzt werden und dafür sorgen, dass Wachstum entsteht. Aus diesem Grund müsste allen Säulen der FTI-Strategie - Unis, Fachhochhochschulen, Förderagenturen - ein besonderer Stellenwert eingeräumt werden. "Es darf nicht dem saloppen und leichtefertigen Motto ,Koste es, was es wolle‘ folgen, sondern muss dem Leitsatz ,Alles, was nötig ist‘ folgen. Das ist keine Wortspielerei, sondern ein qualitativer Unterschied: Das eine ist Verschwendung, das andere erfolgt gezielt", unterstrich Androsch.

Weil die derzeitige BIP-Prognose ein Abstürzen der öffentlichen F&E-Ausgaben von derzeit 3,7 Milliarden Euro auf 3,1 Milliarden Euro befürchten lasse, schlägt der Rat vor, diesen Einbruch mit den genannten F&E-Ausgaben in Höhe von vier Milliarden Euro jährlich "überzukompensieren", erklärte RFT-Geschäftsführer Ludovit Garzik. Davon ausgehend sollte im Forschungsfinanzierungsgesetz eine jährliche Steigerung von vier Prozent festgeschrieben werden.

Für Androsch und Hengstschläger ist dies der letzte Bericht, da deren Funktionsperiode Anfang September ausläuft und nach zwei Amtszeiten nicht verlängerbar ist. Die Regierung überlegt eine Strukturbereinigung der Beratungsgremien in diesem Bereich.