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Austro-Nobelpreis für Wellenforschung

Von Alexandra Grass

Wissen
© Getty Images

Wittgenstein-Preisträger Adrian Constantin erklärt, wie man mit der Mathematik etwas Neues machen kann.


Die Erde mit all ihren Wellen und Strömungen verstehen. Das ist das Ziel von Adrian Constantin. Für seine "bahnbrechenden Beiträge zur Mathematik der Wellenausbreitung" wurde der Mathematiker nun vom Wissenschaftsfonds FWF mit dem mit 1,5 Millionen Euro dotierten Wittgenstein-Preis ausgezeichnet. Mit dem Preisgeld will er seine Forschung an der Weltspitze weiter ausbauen und sich auch Themen mit besonderem Reiz widmen, wie er im Interview mit der "Wiener Zeitung" betont. Neben dem Wittgenstein-Preis werden jährlich auch die START-Exzellenzförderungen vergeben. Sieben Nachwuchswissenschafter erhalten jeweils 1,2 Millionen Euro für ihre Projekte.

"Wiener Zeitung": Sie sind Mathematiker und beschäftigen sich mit Wasser und der Atmosphäre. Wie passt das zusammen?

Adrian Constantin: Galileo hat gesagt, die Mathematik ist die Sprache der Natur. Diese physikalischen Phänomene, die sich in der Natur zeigen, beschreibt man mit Mathematik. Ich hatte das Glück, während meiner Ausbildung auf Persönlichkeiten zu treffen, die mich auf gewisse Phänomene aufmerksam gemacht haben, wo man wirklich mit der Mathematik etwas Neues und etwas besser erklären kann. Ich bin mehreren Dingen nachgegangen und in einigen Fällen ist es mir sogar gelungen, etwas Neues zu erkennen.

Adrian Constantin, geboren 1970 in Temeswar, forscht seit 2008 an der Fakultät für Mathematik der Universität Wien. Seit 2010 rangiert er unter den "ISI Highly Cited Researchers" der 250 meistzitierten Wissenschafter in seinem Bereich. DanielNovotny/FWF

Was können Sie heute zum Beispiel besser erklären?

Nehmen wir Wellen. In fast jedem Buch über Strömungsmechanik steht, dass sich ein Wasserteilchen kreisförmig bewegt. Dafür gibt es eine grobe Vereinfachung der Gleichungen. Ich habe mir ein Experiment angesehen, das in den 1960er Jahren durchgeführet wurde. Damit kam es zu dieser Annahme. Doch wurde damals die falsche Schlussfolgerung gezogen, wie ich draufgekommen bin. Ich habe mich jahrelang damit beschäftigt und konnte am Ende zeigen, dass das theoretisch nicht so ist. Weitere Experimente haben das dann auch bewiesen. Das war für mich eine große Genugtuung. Und das ist ein Beispiel dafür, wo man mit der Mathematik etwas machen kann, das irgendwie neu ist und unerwartet.

In welches Projekt fließt das Preisgeld?

Dieser Preis hat eine Eigenartigkeit, die ich außerordentlich gut finde. Man hat Mittel zur Verfügung, aber auch die Freiheit, Themen zu wählen und über ein paar Jahre hinweg zu forschen. Ich möchte ein paar Dinge versuchen. Einige mit mehr Risiko und andere, wo ich sicher bin, dass auch etwas herauskommen wird. Das ist meistens mit der Atmosphäre verbunden. Nämlich mit Wellen in der Atmosphäre und der Wechselwirkung zwischen Atmosphäre und Ozean. Ich werde mich zum Beispiel mit dem Klimaphänomen El Niño beschäftigen, das das Klima weltweit beeinflusst. Aber auch mit der Strömung in der Antarktis, die ebenso wichtig ist für das globale Klima. Dann gibt es aber auch Probleme, die mich interessieren, nicht weil sie wichtig für alle sind, sondern weil sie für mich einen besonderen Reiz haben. Zum Beispiel das Phänomen der Morning Glory Cloud, das regelmäßig zur Frühlingszeit vor der nordaustralischen Küste auftritt. Das sind Hunderte Kilometer lange Wolken, die sich wie eine Wand weiterbewegen - als ob jemand sie schiebt. Ich denke, dass ich einen Beitrag leisten kann, um das besser zu verstehen. Der Wittgensteinpreis macht das möglich.

Was ist besonders faszinierend an Ihrem Forschungsgebiet?

Im Sommer tauche ich gerne. Dabei spürt man, wie der Druck in der Tiefe immer mehr anwächst. In 40 Metern Tiefe ist er viermal größer als an der Oberfläche. Da macht man eine kleine Handbewegung und man ist schon einen halben Meter weit weg. Dass ich theoretische Vorhersagen auch leben kann - wie es etwa beim Tauchen der Fall ist - darüber bin ich sehr dankbar. Ich kann die Auswirkungen fühlen. Das hat mich schon als Kind immer fasziniert. Auch gibt es gewisse Naturphänomene, die ich als schön empfinde. Es hilft weiter, wenn man versteht, warum diese zustande kommen. Dann findet man es noch schöner. Auch weil man weiß, dass es sich wiederholen kann. Viele Gleichungen, die aus der Physik kommen, haben eine Struktur, eine innere Schönheit, die auch in der Natur liegt. Wenn man das sieht, auch wenn es andere andeuten, ist das faszinierend. Aber wenn man selbst etwas findet, ist das eine Freude, die unbeschreiblich ist.

Die START-Preise gehen an die Zoologin Alice Auersperg von der Vetmed Wien für ihre Forschung am Werkzeuggebrauch von Papageien - die Mathematikerin Elisa Davoli von der TU Wien für ihre Forschung mit Smart Materialien - die Physikerin Gemma De las Cuevas von der Universität Innsbruck für ihre Forschung an universellen Spinmodellen, Turingmaschinen und neuronalen Netzen - den Informatiker Robert Ganian von der TU Wien für seine Forschung zur Künstlichen Intelligenz - die anglistische Literaturwissenschafterin Julia Lajta-Novak von der Uni Wien für die Erforschung der britischen Lyrik-Performance - den Physiker Aleksandar Matkovic von der Montanuni Leoben für seine Forschung an Magnetismus in Materialien - die Physikerin Birgitta Schultze-Bernhardt von der TU Graz für ihre Forschung an der Elektronischen Fingerprint Spektroskopie.