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Von der Exzellenz zur Innovation

Von Eva Stanzl

Wissen

Wie FWF-Chef Christof Gattringer mehr Mittel für die Grundlagenforschung auf den Weg bringen will.


"Wiener Zeitung": Sie stehen seit April an der Spitze des Wissenschaftsfonds FWF, Österreichs zentrale Einrichtung zur Förderung der Grundlagenforschung. Was konnten Sie bisher bewegen?Christof Gattringer: Ich kenne den FWF seit ich 1995 ein Schrödinger-Stipendium einwerben konnte. Von innen ist die Arbeit freilich komplexer. Momentan entwickeln wir mit den Clusters of Excellence eine neue Programmschiene mit all ihren Zielen.Der Startschuss für die Exzellenzinitiative in der Grundlagenforschung wurde im Frühjahr gegeben. Dabei stehen im FWF-Budget in den kommenden drei Jahren 150 Millionen Euro zur Verfügung. Was darf man sich vorstellen?

Exzellenzcluster sind eine neue Größenordnung, sowohl von der Anzahl der Institutionen als auch vom finanziellen Volumen. Mindestens drei und maximal acht Forschungsstätten müssen sich zu einem Thema zusammenschließen. Wir haben große, übergreifende Forschungsfragen im Sinn, die man nur mit einem schlagkräftigen Team beantworten kann, und fördern themenoffen nach Qualitätskriterien. Erstmals haben die Projekte eine Laufzeit von bis zu zehn Jahren. Nach fünf Jahren gibt es eine Zwischen-Evaluierung, bevor weitere fünf Jahre bewilligt werden. Im Gesamt-Zeitraum können ab 20 Millionen und bis zu 70 Millionen Euro fließen, es geht um Planbarkeit. Vergangenen Montag war die Deadline für Letters of Intent über alle Wissensdisziplinen.

Unter einem Letter of Intent versteht das Rechtswesen eine Willenserklärung von Verhandlungspartnern , einen Vertrag abzuschließen. Wie viele Absichtserklärungen, einen Excellenzcluster gründen zu wollen, haben Sie bekommen?

Da 40 Prozent der Mittel von den Forschungsstätten als finanzielle Eigenleistungen zu erbringen sind und eine Universität solche Summen nicht in der Portokasse hat, müssen die Partner sich koordinieren. Investitionen für Clusters of Excellence müssen in den Leistungsvereinbarungen der Universitäten mit dem Bund abgebildet werden. Darum war es uns wichtig, das Thema schnell in die Rektorate zu bringen. Weil der Vorgang eine strategische Positionierung erfordert, haben wir mit Letters of Intent gearbeitet. Die Resonanz war gut und wir werden demnächst mehr darüber bekannt geben. Im September wollen wir mit der Antragsphase beginnen.

Heuer soll das Gesamt-Budget des FWF um zehn Prozent steigen, was eine Bewilligungssumme von 269 Millionen Euro ergibt, 2022 und 2023 ist es auch so vorgesehen. Sind die Details ausverhandelt?

Es gab bis Ende des Vorjahres die Nationalstiftung (Sonderdotierung des Bundes, der Nationalbank und des ERP-Fonds, Anm.), von der der FWF zwischen 2018 und 2020 rund 25 Millionen Euro jährlich erhielt. Ab heuer steht die Nationalstiftung nicht mehr zur Verfügung, wir mussten daher die Doktorandenförderung und die Spezialforschungsbereiche aussetzen. Eine Nachfolgeregelung für diese Sondermittel wurde von der Politik für Anfang Sommer in Aussicht gestellt, doch das ist nicht geglückt. Daher wurde unser Budget für heuer um 20 Millionen Euro plus einen Sonderbetrag für den Doktoratsbereich "Docfunds" zwischen Fachhochschulen und Unis aufgestockt. Das macht einen Nachschlag von insgesamt 27 Millionen in der Hoffnung, dass es bei der Budgetplanung für nächstes Jahr gelingt, die Nachfolgekonstruktion, den Fonds Zukunft Österreich, auf Schiene zu bringen. Wir haben einen weiteren Call für Docfunds und Spezialforschungsbereiche vorbereitet, aber es gibt noch keine langfristige Lösung.

Die Bewilligungsquote des FWF liegt derzeit bei etwas über 20 Prozent der eingereichten Projekte . . .

26,5 Prozent ist die Standard-Bewilligungsquote für unser "Rückgrat", die Einzelprojekte. Das ist die Maßzahl, auf die wir schauen. Im Mittel aller Programmschienen ist die Quote jedoch niedriger, zumal wir etwa bei den Start- und Wittgensteinpreisen für Top-Forscher nur sechs Prozent bewilligen können.

Wo möchten Sie die Bewilligungsquote sehen?

Wir sehen im FWF-Kuratorium, dass wir 60 Millionen Euro ohne Probleme zusätzlich vergeben könnten. Auch bei den Anträgen für die Exzellenzinitiative gibt es eine sehr hohe Nachfrage, da wäre sehr viel möglich. In der Schweiz sind die kompetitiven Mittel um den Faktor vier höher. Da wäre deutlich Luft nach oben.

Welche Ziele verfolgen Sie noch?

Cluster of Excellence sind nur ein Teil des Gesamt-Maßnahmenpakets der Exzellenzinitiative. Nächstes Jahr möchten wir "Emerging Fields" ausschreiben für kleinere Gruppen, die schnell auf aktuelle Themen reagieren können, mit hohem Risiko, aber auch großem Potenzial. Wir wollen Forschende zu Risikobereitschaft und wirklich neuen Ideen mit hohem Innovationspotenzial animieren.

Was wäre wirklich neu und fehlt?

Es gibt Ideen, die mir sehr gut gefallen, aber ich gebe keine Empfehlungen. Faszinierend finde ich rein persönlich neue, naturwissenschaftliche Techniken in der Archäologie, die von Pionieren eingeführt werden, oder die Frage, wie man mit rechtlichen Ansätzen die digitale Revolution begleitet. Auch die Life Sciences und mein eigener Bereich, die Physik, bieten viele Möglichkeiten für innovative Denkansätze.

Reichen 150 Millionen, um so viele Ansätze zu beforschen? Welche zusätzliche Summe wäre realistisch?

Ein Ziel meiner Präsidentschaft ist, die Budgets des FWF kontinuierlich weiter zu steigern. Das Sonderbudget für die Exzellenzinitiative ist ja bereits dank der Vorarbeit meines Vorgängers, Klement Tockner, geglückt. Wenn wir in zwei oder drei Jahren sehen, dass sie erste Früchte trägt, wird das der Zeitpunkt sein, weitere Ideen für das nächste Dreijahresbudget zu entwickeln, um noch mehr kompetitive Forschungsförderung in verschiedene Formate einbringen zu können. Das ist die Langzeitstrategie.

Und das dritte Format?

Austrian Chairs of Excellence sind große Pakete für Berufungen von Top-Forschern aus dem Ausland an heimische Universitäten, die dafür ein Start-Finanzierlungspaket beim FWF beantragen können sollen. Jedes Jahr wollen wir ein paar Austrian Chairs ausschreiben, um Humankapital anzuwerben oder junge Kolleginnen und Kollegen hier zu halten.

Das Forschungsfinanzierungsgesetz ist aber noch immer nicht mit Zahlen unterlegt.

Die Exzellenzinitiative ist in der ersten Runde ausfinanziert, aber die Frage ist natürlich, wie es nach den drei Jahren in der Periode 2024 bis 2026 weitergeht.

Derzeit verdeutlicht insbesondere die Corona-Impfung, wie wichtig exzellente Forschung für die Menschheit ist. Welche Rolle haben die Wissenschaften in einer Welt immer komplexerer Herausforderungen?

Viele der großen Forschungsfragen müssen interdisziplinär gelöst werden, daher sind die Exzellenz-Cluster bewusst groß aufgehängt. Zudem wird der Schritt von der Grundlagenforschung in Richtung Verwertung, etwa über Spin-offs, wichtiger. Es braucht grundlegend neue Ideen, die aus neugiergetriebener Forschung entstehen, und Anwendungen, deren Verwertung gelingt. Dieser Aspekt wird insbesondere bei der Zwischen-Evaluierung der Exzellenzcluster nach fünf Jahren eine wichtige Rolle spielen.

Sind Chancen auf eine Anwendung etwa Bedingung, dass die Exzellenz-Förderung fortgesetzt wird?

Nein, das ist zu eng formuliert. Natürlich wird es Bereiche geben, die sich nicht so gut für einen Technologietransfer eignen. Aber wo es sich anbietet, möchten wir, dass die Konsortien ihr Augenmerk darauf legen. Es ist ja kein Zufall, dass viele Universitäten Transferzentren gegründet haben und Akzente in diese Richtung setzen. Wir als FWF können die Rahmenbedingungen so setzen, dass sie diesen Trend abbilden. Außerdem wollen wir, dass jeder Cluster of Excellence eine Doktoratsschule hat, weil es immense Vorteile hat, eine große Gruppe gemeinsam arbeiten zu lassen.

Wie entscheidet ein Teilchenphysiker in einem hochaktuellen Forschungsgebiet, ein offizielleres Amt zu übernehmen, das ihn vielleicht von der Forschung wegführt?

Es waren viele kleine Schritte und immer wieder spontane Entscheidungen aus dem Bauch. 2009 fragte mich der Dekan der Universität Graz, ob ich Vizedekan werden wolle. Ich hatte wenig Zeit, mich zu entscheiden, und sagte schnell ja. Vizedekan war ein halber Tag in der Woche, Dekan waren zwei, Vizerektor drei und Präsident ist ein Fulltime-Job.

Die Administration von Forschung muss gut gemacht werden von Menschen, die etwas von Forschung verstehen. Dabei ist mir insbesondere auch die vorhergehende Erfahrung aus dem Rektorat hilfreich, um so wie jetzt ein Programm aufzusetzen, in dem die Universitäten einen hohen Anteil stemmen. Aber natürlich gibt es auch ein weinendes Auge. Wenn ich eine Idee in meiner Disziplin der Physik habe, für die ich mich gerne einen Tag hinsetzen würde, ist dieser Tag meist nur aufgeteilt in Ein-Stunden-Blöcken möglich. Andererseits erlaubt die neue Aufgabe Einblicke auf die gesamte Palette der Forschung - das macht einfach auch einen Riesen-Spaß.