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Aufklärung bringt Anfeindung

Von Alexandra Grass

Wissen
© stockadobe / Login

Die Wissenschaftsskepsis ist in Österreich hoch. Experten wollen die Bürger mehr einbinden.


Wiewohl nicht zuletzt die Corona-Pandemie gezeigt hat, dass Wissenschaft verstärkt im Fokus der Öffentlichkeit stehen kann, steht es um das Vertrauen der Österreicher in die Wissenschaft nicht gut.

Mehr als die Hälfte der Bevölkerung meint laut einer Eurobarometer-Umfrage, dass Wissenschaft für ihr tägliches Leben nicht relevant sei. Man solle sich viel mehr auf den gesunden Menschenverstand verlassen. Dieser Skepsis wollen in und für die Forschung Tätige entgegenwirken. Im "Science Talk" des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung haben Experten am Montagabend diskutiert, wie dieses Vertrauen gestärkt beziehungsweise wieder gestärkt werden kann. Eine enorme Kraftanstrengung vieler Beteiligter sei dazu nötig.

Die Gründe für die Wissenschaftsskepsis seien teilweise historisch gewachsen, betonte der Physiker und Komplexitätsforscher Peter Klimek. "Das alleine kann aber nicht die Ausrede sein." Wissenschaftskommunikation zu betreiben, müsse etwas wert sein. "Für uns Wissenschafter gibt es wenig Anreize, öffentlich über die Forschung zu reden und sich dafür anfeinden zu lassen, dass wir den Mund aufmachen. Das machen wir nebenbei wie ein Hobby." Forscher würden anhand von Zahlen - an Zitierungen, Patenten und Fördermitteln - gemessen. Keine dieser Maßzahlen bilde aber Bemühungen, Wissenschaft verständlich zu vermitteln, ab.

"Es kann nicht jeder Forscher gleichzeitig Forscher, Lehrer und Kommunikator sein", betonte auch Sabine Seidler, Rektorin der Technischen Universität Wien und Präsidentin der Universitätenkonferenz. Das sei allerdings kein österreichisches, sondern ein globales Thema.

Zeitgleich mit den Wissenschaftern sind in den vergangenen zwei Jahren auch die darüber berichtenden Journalisten wieder ins Rampenlicht gerückt, sagte Eva Stanzl, Wissenschaftsredakteurin der "Wiener Zeitung" und Vorsitzende des Klubs der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten. Für kleine Redaktionen sei die Corona-Pandemie zu einer Dauer- und Doppelbelastung geworden. Zudem werde man "für den Versuch aufzuklären, zeitweise wüst beschimpft". Auch habe sie das Gefühl, dass die Österreicher "latent autoritätsskeptisch" sind.

Wenige Anreize für Forscher

Stanzl deponierte die Forderung des Klubs, die Berichterstattung zu Wissenschaft, Forschung und Bildung durch die Anstellung von Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten zu einem Kriterium für die Vergabe der Medienförderung zu machen. Eine solche Maßnahme würde die Redaktionen stärken und der gesellschaftlichen Aufgabe von Wissenschaftsjournalisten, durch fundierte Berichterstattung die Rolle ein "Bollwerk gegen Fake News" zu sein, gerecht.

Man sollte möglichst früh lernen, wie man sich informieren kann, verwies Klimek auf Portugal, wo das Interesse an Wissenschaft mit 80 Prozent besonders hoch ist. Vor wenigen Jahren war das Land in den Eurobarometer-Befragungen zum wahrgenommenen Stellenwert der Wissenschaften noch Schlusslicht gewesen. Ein wichtiges Instrument für die Veränderung sei die Errichtung von Wissenschaftszentren gewesen - Orte, an denen Kinder, Schulklassen und Familien Wissenschaft begreifen könnten.

Eine Vielzahl an kleinteiligen Aktivitäten zur Wissenschaftkommunikation, die weder nachhaltig noch koordiniert seien, ortete Stanzl in Österreich mit Bezug auf einen in Fertigstellung befindlichen Policy Brief des Instituts für Höhere Studien, der Impulse für einen Neustart in der Wissenschaftkommunikation geben will. Die Autoren empfehlen eine Enquete mit dem Ziel, "eine integrierte Strategie" zu entwickeln. "Natürlich haben kleine, punktuelle Maßnahmen Vorteile, weil sie sich vielleicht schnell umsetzen lassen. Das Wichtige ist nur , dass wir uns auf eine gemeinsame Richtung einigen", sagte Stanzl.

Die Präsidialsektionschefin im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung, Iris Rauskala, verwies auf die in Österreich laufenden Citizen-Science-Projekte, in die sich die Menschen einbinden können und "lernen, wie Wissenschaft funktioniert". Zudem gelte es, "die kindliche Neugierde am Leben zu erhalten". Doch das Bildungssystem alleine könne das nicht leisten. Die Unterstützung des sozialen Umfelds der Kinder sei von großer Bedeutung.

Man müsse auch alle Kanäle bedienen, um die sehr unterschiedlichen Zielgruppen zu erreichen, erklärte Seidler. Zudem sollten kontroversielle Themen auch kontroversiell diskutiert werden. "Das wirkt auch gegen die Wissenschaftsskepsis."

Die Pandemie habe "wie ein Vergrößerungsglas die Problemfelder offengelegt", stellte Klimek klar. Jetzt gelte es, dranzubleiben, und nicht, "wenn die nächste Sau durchs Dorf getrieben wird", wieder abzuschweifen. "Das sehe ich als Vorspiel für die Krisen, die noch vor uns liegen." Nicht zuletzt sind das der Krieg in der Ukraine und die Klimakrise.