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Wie der Krieg die Wissenschaft beeinträchtigt

Von Eva Stanzl

Wissen

Globale Wissenschaftscommunity verurteilt Russlands Ukraine-Invasion, zahlreiche Forschungskooperationen gestoppt.


Russlands Angriff auf die Ukraine hat auch für die Wissenschaft gravierende Folgen. Forschungsorganisationen weltweit stoppen Finanzierungen und Kooperationen mit russischen Wissenschaftern. Unis, Akademien und Förderagenturen veröffentlichen kritische Stellungnahmen gegen Moskau und unterstützen Forschende aus der Ukraine.

"Man sollte die akademische Community in Russland komplett boykottieren: keine Zusammenarbeit." So formuliert es Maksym Strikha, ein bekannter ukrainischer Physiker von der Taras Shevchenko-Universität in Kiew, im Fachjournal "Nature". Russische Wissenschafter sollten nicht mehr in westlichen Journalen publizieren und nicht mehr in internationalen Teams mitforschen dürfen. "Auch russische Akademiker müssen Tribut dafür zollen, dass sie Präsident Wladimir Putin unterstützt hat", meint Strikha. Das im Elsevir-Verlag erscheinende "Journal of Molecular Structure" hat bereits bekannt gegeben, Manuskripte russischer Institute nicht mehr zu begutachten.

In den USA hat das renommierte Massachusetts Institute of Technology in Boston, Massachusetts, seine Zusammenarbeit mit der Skolkovo-Innovationsstiftung beendet. Weiters hält die Internationale Mathematische Union, die die prestigeträchtige Fields-Medaille vergibt, ihre für Juli geplante Preisverleihung nicht in Sankt Petersburg, sondern online ab.

Von der Medizin über die Physik bis zur Raumforschung: Durch die jetzige Lage könnte viel gute Wissenschaft verloren gehen. Die Raumfahrtagenturen Nasa und ESA gaben bekannt, in Hinblick auf die Zusammenarbeit mit Russland im Weltraum die Situation zu "beobachten", nachdem die russische Raumfahrtbehörde Roskosmos die längerfristige Zukunft der Internationalen Raumstation ISS infrage gestellt hatte. Die europäische Raumfahrtagentur ESA prüft indes die Auswirkungen der Sanktionen gegen Russland mit Blick auf ihre eigene Zusammenarbeit mit dem Land. Besonders betroffen ist das europäisch-russische Weltraumprojekt "ExoMars" zur Suche nach Spuren von Leben auf dem Roten Planeten. Die ESA teilte mit, dass der geplante Start in diesem Jahr unwahrscheinlich sei.

Protest russischer Forscher

"Wir, russische Wissenschafter und Wissenschaftsjournalisten, protestieren gegen die von den Streitkräften unseres Landes eingeleitete Militäraktion auf dem Gebiet der Ukraine. Dieser fatale Schritt führt zu enormen Verlusten und untergräbt die Grundlagen des Systems der internationalen Sicherheit", heißt es in einem in Russland verfassten öffentlichen Brief mit 5.000 Unterzeichnenden. Darin wenden sich auch 85 Mitglieder der Russischen Akademie der Wissenschaften gegen Putin. Dem Akademie-Präsidium um den Physiker Alexander Sergejew wird Tatenlosigkeit vorgeworfen.

Zu harten Maßnahmen greift auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG). Sie setzt "alle von ihr geförderten Forschungsprojekte" mit russischen Instituten aus. Zu den Mitgliedern der DFG zählen die Alexander von Humboldt-Stiftung, die Akademie Leopoldina, die Fraunhofer-Gesellschaft und die Helmholtz-Gemeinschaft. "Die Allianz ist sich der Folgen dieser Maßnahmen bewusst und bedauert diese für die Wissenschaft zugleich außerordentlich", heißt es auf der Homepage.

In Österreich werden unterschiedliche Wege beschritten. Aus dem Wissenschaftsministerium erfuhr die "Wiener Zeitung" am Donnerstag, dass man, was Forschungskooperationen mit Russland betrifft, ein in Arbeit befindliches Maßnahmenpaket der EU-Kommission abwarten wolle, zumal es sich dabei auch um europäische Projekte handle. Einer Verordnung von Bildungsminister Martin Polaschek zufolge müssen ukrainische Studierende jedoch an heimischen Unis und Hochschulen im Sommersemester keine Studiengebühren bezahlen.

Der Wissenschaftsfonds FWF, die größte Agentur zur Finanzierung von Grundlagenforschung in Österreich, genehmigt seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine keine neuen Forschungsprojekte mit russischer Beteiligung. Zudem werde die Zusammenarbeit mit dem Russischen Wissenschaftsfonds RSF ausgesetzt, teilte der FWF mit. Hingegen würden Projekte mit Beteiligung ukrainischer Forscher rasch verlängert und neue Förderanträge in einem Fast-Track-Verfahren begutachtet.

Auf Verständigung fokussieren Forschungsinstitute, in denen auch Forschende aus beiden Ländern tätig sind. "Hier arbeiten Menschen aus 79 Nationen, darunter auch zahlreiche Wissenschafter und Studierende aus der Ukraine und Russland. Einen Bruch wollen wir nicht", sagt Michaela Klement, Sprecherin des Institute of Science and Technology Austria (Ista) für Top-Grundlagenforschung in Naturwissenschaften, Mathematik und Informatik. "Das Ista ist auf internationaler Zusammenarbeit und friedlicher Verständigung aufgebaut. Den Krieg in der Ukraine verurteilen wir auf das Schärfste", wird Präsident Thomas Henzinger auf der Website des Instituts zitiert. Das Institut finanziere jetzt zusätzliche Praktika für Forscher aus der Ukraine.

"Lassen keine Spaltung zu"

Eine verbindliche Haltung nimmt auch das Institut für Molekulare Biotechnologie (Imba) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) an. "Unser Institut ist ein inklusives Umfeld, das das Recht auf ein freies und sicheres Leben unterstützt. Wir haben viele Talente aus der Ukraine und Russland, unsere Gedanken sind bei Ihnen", heißt es auf der Homepage.

Weiters schreibt die ÖAW in einem "Ukraine-Emergency-Call" mindestens 25 zusätzliche Forschungsaufenthalte für ukrainische Forschende aus.

Heimische Unis böten ukrainischen Wissenschaftern und Studierenden einen erleichterten Studienzugang an, heißt es auch vonseiten der Universitätenkonferenz (Uniko). "Wir lassen nicht zu, dass der Krieg unsere Universitäten spaltet", sagte Präsidentin Sabine Seidler. Außerdem übernimmt der Österreichische Austauschdienst Zusatzausgaben für vorzeitige Rückreisen für Menschen, die sich etwa über das Förderprogramm Erasmus Plus in der Ukraine oder Russland aufhalten und abreisen wollen - das offizielle Österreich setzt derzeit somit eher auf Hilfe als auf Ausgrenzung.