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Der Mensch und sein Erbgut lassen sich besser lesen

Von Alexandra Grass

Wissen

US-Forscher brachten die erste absolut lückenlose Erbgut-Sequenz hervor und krönen damit das Human Genome Project.


Zwei Jahrzehnte, nachdem im Rahmen des Human Genome Projects der erste Entwurf des menschlichen Genoms veröffentlicht wurde, hat nun ein US-amerikanisches Forscherteam die erste vollständige, lückenlose DNA-Sequenz mit ihren rund drei Milliarden Basen hervorgebracht. Diese Analyse werde das Wissen über Chromosomen erheblich erweitern, schreiben die Wissenschafter im Fachmagazin "Science". Es hilft bei der Beantwortung grundlegender biologischer Fragen und führt zu mehr Verständnis über die genetischen Zusammenhänge bestimmter Erkrankungen.

Die vollständige Sequenzierung baut auf der Arbeit des Projekts auf, bei dem etwa 92 Prozent des Genoms kartiert worden waren, sowie auf seither durchgeführten Forschungsarbeiten. Tausende Wissenschafter haben bessere Laborinstrumente, Berechnungsmethoden und strategische Ansätze zur Entschlüsselung der komplexen Sequenz entwickelt. In "Science" widmen sich gleich sechs Artikel dem Thema.

Die letzten 8 Prozent

Nun ging es vor allem um die letzten fehlenden 8 Prozent. Denn große Teile der DNA waren zuvor nicht gelesen worden. Die Forscher wussten, dass diese Abschnitte sich stark wiederholende Sequenzen enthielten, und taten sie weitgehend als Müll ab. Jedoch nicht der Genetiker Evan Eichler vom Howard Hughes Medical Institute der University of Washington in Seattle. Für ihn war klar, dass diese Lücken wichtige Details enthalten. Jetzt haben er und ein Team von rund 100 Wissenschaftern unter der Leitung von Adam Phillippy vom National Human Genome Research Institute (NHGRI) und Karen Miga von der University of California in Santa Cruz diese Lücke geschlossen. In ihrer Arbeit beschreiben sie die Sequenzierung, bei der ein ganzes Chromosom an bisher verborgener DNA hinzugefügt wurde - eben die fehlenden
8 Prozent. Im genetischen Manuskript des Lebens "sehen wir Kapitel, die nie zuvor gelesen wurden", erklärt Eichler.

Wie eine neue Brille

"Diese grundlegenden Informationen werden die zahlreichen Bemühungen um das Verständnis aller funktionellen Vorgänge im menschlichen Genom stärken, was wiederum die Erforschung genetisch bedingter Krankheit erleichtern wird", so Eric Green vom NHGRI. Wird in Zukunft das Genom einer Person sequenziert, so können alle Varianten in ihrer DNA identifiziert werden. Das ist nützlich, um mögliche Therapien besser steuern zu können. "Der Abschluss der Sequenzierung war wie das Aufsetzen einer neuen Brille. Jetzt, da wir alles klar sehen können, sind wir einen Schritt näher dran zu verstehen, was das alles bedeutet", betont Phillippy.

Möglich machten dies zwei neue DNA-Sequenzierungstechnologien, die in den letzten zehn Jahren entwickelt worden waren. Die Oxford Nanopore DNA-Methode kann bis zu eine Million DNA-Buchstaben in einem einzigen Lesevorgang mit bescheidener Genauigkeit lesen, während die PacBio HiFi DNA-Sequenzierungsmethode etwa 20.000 Buchstaben mit nahezu perfekter Genauigkeit lesen kann, schreiben die Forscher. Mit der Kombination dieser zwei Technologien wurde es möglich, die vollständige menschliche Genomsequenz zu erstellen.

Damit gibt es jetzt "keine versteckten oder unbekannten Teile mehr", freut sich der Genetiker Robert Waterston von der University of Washington.