Rechtzeitig zu ihrem 175-jährigen Bestandsjubiläum, das die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) am Freitag begeht, ist am Mittwoch der Campus Akademie eröffnet worden. Mit einem umfassenden Sanierungsprojekt wurde das Viertel um die Alte Universität in Wien Innere-Stadt aus seinem langen Dornröschenschlaf geweckt und damit bisher verborgene Ecken Wiens zugänglich gemacht. Seitens der ÖAW-Mitarbeiter gibt es aber Kritik an der Arbeitsplatzsituation.
Die historisch gewachsene, zum Teil vernachlässigte Gebäudestruktur im Stubenviertel rund um Postgasse, Schönlaterngasse, Jesuitengasse, Dr.-Ignaz-Seipel-Platz und Bäckerstraße vermittelt nach der 34,5 Millionen Euro teuren Sanierung durch die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) den Eindruck eines einheitlichen Ensembles. "In einer zuvor verschlafenen Ecke zieht sich nun eine Forschungsmeile vom Hauptgebäude der Akademie bis zur Postsparkasse", erklärte ÖAW-Präsident Anton Zeilinger bei einer Pressekonferenz. Der Campus Akademie umfasst damit einen Raum, wo praktisch ohne Unterbrechung seit dem 14. Jahrhundert Wissenschaft betrieben wurde.
Vernachlässigte Bibliothek
Da, wo die Universität Wien wenige Jahre nach ihrer Gründung 1365 im Stubenviertel mit dem "Collegium Ducale" ihr erstes Zuhause fand, bauten die ab 1622 mit der Leitung der Uni betrauten Jesuiten in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts einen aus mehreren Trakten bestehenden Neubau rund um einen Arkadenhof. Dessen Arkaden wurden bereits ein paar Jahrzehnte später wieder zugemauert, Platzbedarf und die klimatischen Bedingungen in der "Kleinen Eiszeit" dürften die Gründe dafür gewesen sein, erklärte Projektleiter Clemens Novak von der BIG.
Mitte des 18. Jahrhunderts wurde dann am heutigen Seipel-Platz ein neues Uni-Gebäude errichtet, das bei der Revolution von 1848 zum zentralen Versammlungsort wurde. Nach deren Niederschlagung wurde die Universität vom Militär besetzt, das Gebäude der Akademie der Wissenschaften übergeben und die Uni erhielt ihr neues Hauptgebäude an der Ringstraße.
Beispielhaft für die Nutzung und Vernachlässigung der Alten Universität steht die Bibliothek. Der Saal mit seinem 240 Quadratmeter großen barocken Deckenfresko wurde nach Aufhebung des Jesuitenordens 1773 zur Universitätsbibliothek, wechselte Anfang des 20. Jahrhunderts zur Postsparkasse und war dann jahrelang Tischtennishalle für den Polizeisportverein. Nun ist dort die Bibliothek der ÖAW eingezogen. Die erste Schau, die dort bis 2. Juni gezeigt wird, widmet sich unter dem Titel "7 Erdteile - 7 Weltmeere" der engen Verflechtung von Kartografie und Entdeckungsreisen.

Wirkliches Highlight der Sanierung, mit der laut BIG-Geschäftsführer Hans-Peter Weiss auch "Bausünden der vergangenen Jahrzehnte rückgeführt und wiedergutgemacht wurden", ist neben der Bibliothek der Arkadenhof geworden, den man entweder über ein neues verglastes Entrée von der Bäckerstraße aus oder über eine kleine, fast verborgene Pforte neben der Jesuitenkirche erreicht. Dieser ehemalige Kräutergarten der Jesuiten war bisher nicht der Öffentlichkeit zugänglich und eine verwahrloste "Gstettn". Der Innenhof soll auch mit verschiedenen Veranstaltungen bespielt werden. "Die Wissenschaft lebt ganz aktiv im Herzen der Stadt und öffnet sich hier der Öffentlichkeit - das ist in Zeiten wachsender Wissenschaftsskepsis ein wichtiges Signal", erklärte Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP).
Gemeinsam mit der ehemaligen Wiener Postsparkasse am Georg-Coch-Platz, die künftig für universitäre und wissenschaftliche Zwecke genutzt wird und in der die ÖAW der größte Mieter ist, umfasst der Campus Akademie rund 30.000 Quadratmeter und insgesamt etwa 1.200 Arbeitsplätze. So gelungen die Sanierung erscheint, so unzufrieden äußerte sich der Betriebsrat der ÖAW über die Arbeitsplatzsituation, die sich für zahlreiche Mitarbeiter verschlechtert habe. Der Betriebsrat fordert das künftige ÖAW-Präsidium - ab Anfang Juli übernimmt Heinz Faßmann den Chefsessel - auf, "sich für gute Arbeitsbedingungen und Möglichkeiten einer stabilen Karriereplanung für den wissenschaftlichen Nachwuchs an der ÖAW zu engagieren".