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Was Blutgefäße wachsen lässt

Von Alexandra Grass

Wissen

Zwei Proteine lenken das Wachstum auch unter schwierigen Stoffwechselbedingungen.


Der gesamte menschliche Körper ist von Blutgefäßen durchzogen. Sie sorgen dafür, dass unsere Organe mit allen nötigen Nährstoffen und mit Sauerstoff versorgt werden. Funktionieren diese besonders feinmaschigen Netze nicht mehr optimal, besteht das erhöhte Risiko für Krankheiten. Während altersbedingte Erkrankungen, wie etwa des Herz-Kreislauf-Systems, häufig zu einer Verkümmerung von Gefäßen führen, sind Tumore durch ein übermäßiges Wachstum fehlgeleiteter Gefäße gekennzeichnet. Weiß man über das Wachstum neuer Blutgefäße Bescheid, können gezielte Therapien entwickelt werden, schreibt ein internationales Forscherteam im Fachblatt "Nature Metabolism".

Die Wissenschafter sind auf zwei Proteine namens YAP und TAZ gestoßen, die eine entscheidende Rolle dabei spielen, dass Gefäße auch unter schweren Stoffwechselbedingungen sprießen können. Diese Eiweißstoffe sind Teil des sogenannten Hippo-Signalwegs, der in fast allen Lebewesen das Wachstum und die Größe von Organen reguliert.

YAP und TAZ entscheidend

"Sind diese beiden Moleküle in den Zellen der Gefäßinnenwand - dem Endothel - aktiv, dann lesen sie Gene ab, die zu einem verstärkten Wachstum bestimmter Oberflächentransporter führen", erklärt der Kardiologie Michael Potente vom Berliner Zentrum für Translationale Vaskuläre Biomedizin der Charité. "Diese ermöglichen es den Gefäßzellen, mehr Nährstoffe aufzunehmen, die für das Wachstum und die Zellteilung wichtig sind." YAP und TAZ, die beide auf ähnliche Weise funktionieren, wirken also wie eine Art Türöffner.

"Diese vermehrte Nährstoffaufnahme führt zur Aktivierung eines anderen Proteins namens mTOR", erklärt Potente. mTOR ist ein wichtiger Kontrollpunkt in den Zellen, der Wachstum und Zellteilung auslöst. "Dadurch können sich Blutgefäßnetze ausdehnen", so der Forscher. Allerdings weiß das Team noch nicht, welche Signale die Aktivität von YAP und TAZ in Endothelzellen regulieren.

Dennoch wurde ein Mechanismus entdeckt, der es Blutgefäßen ermöglicht, ihr Wachstum eng an der Situation in ihrer Umgebung auszurichten. Dieser Mechanismus verhindert, dass sich Endothelzellen teilen, wenn die dafür notwendigen Stoffwechselressourcen nicht vorhanden sind.

Die Erkenntnisse der Wissenschafter beruhen auf Mausexperimenten. Die Netzhaut der Maus sei ein ideales Modell, um die Entwicklung von Blutgefäßen zu untersuchen. "Mit genetisch veränderten Mauslinien konnten wir zeigen, dass sich Endothelzellen, die kein YAP und TAZ produzieren, fast nie teilen", schildert Potente. "Das hemmt das Gefäßwachstum in den Mäusen" Das TAZ-Protein spielt dabei eine besonders wichtige Rolle, während bei den meisten anderen Zelltypen YAP ein entscheidender Faktor ist.

Regeneration im Fokus

"Da sich neue Blutgefäße häufig in schlecht durchbluteten Geweben bilden, müssen diese Zellen der Gefäßinnenwand auch unter schwierigsten Stoffwechselbedingungen wachsen können", skizziert der Wissenschafter. Deshalb sei es so wichtig, dass diese Zellen über eine molekulare Maschinerie verfügen, die subtile Veränderungen im extrazellulären Milieu erkennt und darauf sofort reagieren kann.

Nun soll untersucht werden, inwieweit der Mechanismus, den die Forscher bei der Gewebeentwicklung beschrieben haben, auch bei Regenerations- und Reparaturprozessen, die stark auf Blutgefäße angewiesen sind, eine Rolle spielt. "Uns interessiert vor allem, ob und gegebenenfalls wie Fehlfunktionen in diesem Signalweg beim Menschen zu Gefäßerkrankungen führen können," heißt es in der Publikation.