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Weniger Ozon in der Stadt

Von Alexandra Grass

Wissen

Messungen in Innsbruck zeigen: Tatsächliche Werte stimmen nicht mit den Modellen überein.


Dass die Modellierung von Ozon immer noch eine Herausforderung darstellt, zeigt nun eine Arbeit des Innsbrucker Atmosphärenforschers Thomas Karl. Tendenziell wird der Anteil von bodennahem Ozon im Stadtgebiet überschätzt, wie nun Langzeitmessungen zeigen. Als Konsequenz müsse eine für die Luftgüteprognose grundlegende Lehrmeinung für den urbanen Raum neu interpretiert werden, heißt es in der im Fachblatt "Science Advances" publizierten Studie.

Der hohe Anteil von Dieselfahrzeugen in europäischen Städten und der Hausbrand führen zu starken Stickstoffmonoxid-Konzentrationen, erklärt Karl im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Dieses reagiert mit Ozon, wodurch Stickstoffdioxid entsteht. In der Atmosphäre zerfällt Stickstoffoxid wieder zu Stickstoffmonoxid und atomarem Sauerstoff, der sich sofort mit Luft-Sauerstoff zu Ozon verbindet.

Ein irritierendes Gas

Vor mehr als 60 Jahren wurde dieser chemische Zyklus im ersten Lehrbuch zur Luftverschmutzung vom US-amerikanischen Chemiker Philip Leighton mathematisch beschrieben, heißt es in einer Aussendung der Universität Innsbruck. Seither wird das Verhältnis dieser Prozesse als Leighton-Beziehung bezeichnet. Diese Beziehung nutzen Computermodelle, indem sie Konzentrationen von Ozon, Stickstoffmonoxid und Stickstoffdioxid aus der Konzentration der jeweils anderen beiden Verbindungen ableiten. In der Praxis kann man damit die Ozonkonzentration in Gebieten ableiten, die durch Stickoxide verschmutzt sind.

Leighton hat diese beiden Prozesse als ein Verhältnis dargestellt - "in der Stadt sollte dann gleich viel Ozon entstehen wie zerstört wird", erklärt Karl.

"Bodennahes Ozon ist ein irritierendes Gas. Man versucht, es mit Schwellwerten gering zu halten", erklärt der Forscher. Sehr hohe Ozonkonzentrationen sind für Organismen und damit auch für den Menschen schädlich. An Tagen mit hohen Konzentration, wie es im Sommer häufig der Fall ist, leiden viele Menschen an Reizerscheinungen der Augen, Atemwegsbeschwerden und Kopfschmerzen.

Grund für die Divergenz von Modell und Realität sind die seit langem verwendeten rechnerischen Vereinfachungen von Leighton in den Atmosphärenmodellen. Die Daten der Innsbrucker Wissenschafter zeigen nun, dass bei Vorhandensein von hohen Stickstoffmonoxid-Emissionen diese Rechnungen in Städten zu falschen Ergebnissen führen können. "Dieses Verhältnis wird um bis zu 50 Prozent überschätzt", so Karl. Die Überschätzung spiegelt sich auch in Luftgütevorhersagen.

Die Daten für die Studie stammen vom 40 Meter hohen Messturm des Innsbruck Atmospheric Observatory, der mitten im Stadtgebiet aufgestellt ist. Dort werden pro Stunde 36.000 Datenpunkte erfasst. Ein spezielles Messverfahren - nämlich die sogenannte Eddy-Kovarianz-Methode - ermöglicht die laufende Überwachung der Konzentration von Luftbestandteilen.

Modelle verbessern

Verantwortlich für den von den Forschern untersuchten Effekt sind neben dem Vorhandensein hoher Stickstoffmonoxid-Emissionen die im urbanen Raum stärkeren Turbulenzen. Die Durchmischung der Gase kombiniert mit den relativ rasch ablaufenden chemischen Prozessen führen dazu, dass mehr Ozon in Stickstoffdioxid umgewandelt wird. Die Daten der Forscher zeigen auch, dass der direkte Ausstoß von Stickstoffdioxid durch den städtischen Verkehr demgegenüber weitgehend vernachlässigbar ist.

Die Stadt ist vermehrt dem Stickstoffdioxid ausgesetzt als dem Ozon. Doch die Ozonproduktion könne sich schnell aufbauen, wodurch das Ozon im Sommer immer wieder zum Thema wird. Aus diesem Grund wird es auch stark beobachtet.

"Man hat schon gewusst, dass das Ozon in der Stadt niedriger ist, als im ländlichen Bereich, doch haben wir mit Messungen gezeigt, dass es noch niedriger ist", betont Thomas Karl. Die Forscher hoffen nun, dass man nun bisherige Modelle auch für den urbanen Raum verbessern kann. "Es ist wichtig, dass man Luftschadstoffe gut quantifizieren kann."

Für die Luftreinhaltung gibt es drei wichtige Schadstoffklassen - das Ozon, das Stickstoffdioxid und die Aerosole. In statistischen Analysen sollte man in der Lage sein, einzelne Effekte so exakt wie möglich herausrechnen zu können.