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Wie wir uns unseren Weg bahnen

Wissen
© adobe stock / Alexander Ozerov

Ein hirneigenes GPS hilft uns, erfolgreich durch Menschenmengen zu navigieren.


Ob Einkaufsstraße, der Weg zu U-Bahn oder einfach das Überqueren der Straße zur Morgenstunde. Sich seinen eigenen Weg durch Menschenmengen zu bahnen, wird nicht selten zur Herausforderung. Manche Mitmenschen laufen kreuz und quer, andere stehen im Weg, wiederum andere sind einfach lahme Schnecken, weil sie im Gehen ihre Chats durchforsten. Ärgerlich für jeden von uns, aber unser Gehirn scheint damit ziemlich gut zurechtzukommen. Denn bestimmte Zellen im Gehirn helfen uns nicht nur bei der Orientierung, sondern unterstützen auch bei der Analyse von Bewegungen anderer Personen, wie Wissenschafter der Universität Wien nun zeigen konnten.

In vielen Situationen des Lebens kommt es darauf an, nicht nur die eigenen Bewegungen, sondern auch die der anderen mitzudenken. Diese Navigations- und Orientierungsprozesse werden von Gehirnzellen getragen, die unsere aktuelle Position, woher wir kommen, wohin wir uns bewegen und in welche Richtung wir schauen, registrieren. Es sind die sogenannten Rasterzellen (grid cells), im entorhinalen Kortex, einer kleinen Hirnregion im mittleren Schläfenlappen, die diese Aufgabe übernehmen. Sie repräsentieren einerseits unsere Position im Raum und können diese auch in Relation zu anderen Punkten im Raum setzen.

Ein Netzwerk im Gehirn

Bestandteil dieses Systems im Gehirn sind auch die sogenannten Platzzellen (place cells). Sie spiegeln einen bestimmten Ort wider und werden dann aktiv, wenn sich ihr "Besitzer" an diesem Ort erneut einfindet. Für die Erforschung dieses GPS-System des Menschen waren im Jahr 2014 drei Wissenschafter mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden: der Brite John O’Keefe sowie das norwegische Forscherehepaar May-Britt und Edvard Moser.

Das Team um Isabella Wagner und Claus Lamm von der Fakultät für Psychologie der Universität Wien hat nun weiter erforscht, ob diese Rasterzellen ebenso daran beteiligt sind, die Bewegungen anderer Individuen auf der Landkarte unseres Gehirns abzubilden. Um das herauszufinden, ließen die Wissenschafter 60 Versuchsteilnehmer in einer virtuellen Umgebung sowohl selbst navigieren als auch die Bewegungen einer anderen Person beobachten, während ihre Gehirnaktivität mittels funktioneller Magnetresonanztherapie gemessen wurde, heißt es in einer Aussendung der Universität.

Dabei fanden sie heraus, dass die Gehirnaktivität, die während des Beobachtens anderer aufgezeichnet wurde, mit der bereits bekannten Aktivität von Rasterzellen vergleichbar war. Außerdem konnten sie zeigen, dass diese Aktivität in ein Netzwerk weiterer Hirnregionen eingebunden war, die auch mit Navigationsprozessen in Zusammenhang gebracht werden.

Die Ergebnisse der im Fachblatt "Nature Communications" erschienenen Studie deuten darauf hin, dass Rasterzellen zu einem größeren Netzwerk an Hirnregionen gehören, das unter anderem Navigationsprozesse koordiniert. Jedoch ist dieses besondere Netzwerk von Alterungsprozessen betroffen. Dabei handelt es sich vor allem um die Altersdemenz.

Erkennen von Personen

"Die Funktion von Rasterzellen nimmt mit dem Alter und bei Demenz ab. Das führt dazu, dass sich Personen nicht mehr zurechtfinden und die Orientierung beeinträchtigt ist", betont Wagner. Als Nächstes wollen die Wissenschafter erforschen, ob Rasterzellen auch am Erkennen von Personen beteiligt sind. Gerade das ist ein Aspekt, der bei fortgeschrittener Demenzerkrankung häufig beeinträchtigt ist.(gral)