"Die Wissenschaft soll als ehrlicher Makler auftreten" und "Wissenschaft soll informieren, nie legitimieren", lauten zwei der neun "Wiener Thesen zur wissenschaftsbasierten Beratung von Politik und Gesellschaft", die die Präsidenten der deutschen Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, Gerald Haug und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), Heinz Faßmann beim Joint Academy Day in Wien am Mittwochnachmittag zur Diskussion stellten.

Dass Wissenschafter bei der Verlautbarung neuer Covid-19-Maßnahmen in live übertragenen Pressekonferenzen neben Politikern stehen, war hierzulande ein eher neues Phänomen. Die wahrgenommene Nähe zwischen Politik und Wissenschaft wird seither intensiv diskutiert. Die Wissenschaftsakademien aus Österreich und Deutschland stellten in der Bundeshauptstadt ihre "Wiener Thesen zur wissenschaftsbasierten Beratung von Politik und Gesellschaft" vor.

Keine "Expertokratie"

Im Kern wird in den "Wiener Thesen", die als Diskussionsgrundlage in der Sache dienen sollen, darauf hingewiesen, dass es die Aufgabe der Wissenschaft ist, unterschiedliche Optionen zum Handeln auf Basis von wissenschaftlich möglichst abgesicherten Informationen nachvollziehbar aufzuzeigen. Dabei soll dargestellt werden, über welche Punkte in einem Gebiet in der Forschung Übereinstimmung herrscht, und wo dem nicht so ist.

Unter den verschiedenen Möglichkeiten auswählen müsste in jedem Fall die Politik. "Während sich die Wissenschaft darauf konzentriert, neues, ihren strengen methodischen Standards genügendes Wissen zu produzieren, organisiert die Politik kollektiv bindende Entscheidungen", heißt es in dem Papier: "Grenzüberschreitungen werden zu Recht als Politisierung von Expertise, oder Expertokratie, kritisiert."