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Schönheit muss nicht leiden

Von Christina Mondolfo

Wissen

Ein Leben ohne Kosmetikprodukte ist heute kaum vorstellbar. Doch hinter Duschgels, Hautcremen oder Wimperntuschen steht unendliches Tierleid. Unnötigerweise . . .


Mehr als fünf Milliarden Kosmetikprodukte wandern jährlich in Europa über den Ladentisch. Dazu gehören Seifen, Bade- und Duschprodukte, Haarpflegeprodukte, Rasierprodukte, Zahnpasta und Mundwasser, Deodorants, Parfums, Make-up, Gesichtspflege, Hand-, Körper- und Sonnencremes. Jeder Inhaltsstoff in diesen Produkten wurde irgendwann im Tierversuch getestet. Doch obwohl heute mehr als 8000 dieser Stoffe zur Verfügung stehen, werden weiterhin neue im Tierversuch auf ihre Unbedenklichkeit hin überprüft. Hauptsächlich an Mäusen, Ratten, Meerschweinchen oder Kaninchen wird ausprobiert, ob eine Substanz zum Beispiel krebserregend ist, Allergien auslöst oder geburtsschädigend wirkt. "Abgesehen davon, dass 8000 getestete Inhaltsstoffe ausreichend sind, um Kosmetika zu erzeugen, sind Tierversuche unnötig und meist auch gar nicht zielführend", betont Hella Camargo, Koordinatorin für internationale Kampagnen bei Vier Pfoten, im Gespräch mit dem "Wiener Journal". "Da der menschliche Organismus oft anders auf bestimmte Stoffe reagiert als der tierische, sind solche Versuchsergebnisse vielfach gar nicht relevant. Außerdem gibt es bereits alternative Tests, um Stoffe auf ihre Unbedenklichkeit zu prüfen, etwa Computersimulationen oder künstliche Haut", weiß die Expertin.

EU-Regelung ab 2013

Seit dem 11. März 2009 sind Tierversuche für kosmetische lnhaltsstoffe sowie die Vermarktung entsprechender Produkte aus Drittländern in der Europäischen Union (EU) verboten. Damit geht die EU einen Schritt weiter als 2004, als kosmetische Endprodukte verboten wurden, die an Tieren getestet wurden. Allerdings kommen in kosmetischen Produkten oft Stoffe zur Anwendung, die unter das Chemikalienrecht fallen - und dort meist im Tierversuch getestet werden. Das Verkaufsverbot ist von größter Wichtigkeit, da es Kosmetikfirmen davon abhält, einfach Tierversuche außerhalb der EU durchzuführen und dann diese Produkte innerhalb der EU zu vermarkten. Dennoch erlaubt die Richtlinie 2003/15/EK der Europäischen Kommission, Tierversuche unter besonderen Umständen durchzuführen. Dies darf jedoch nur der Fall sein, wenn es starke Zweifel an der Gefahrlosigkeit eines bereits existierenden und in Umlauf befindlichen Inhaltsstoffes gibt und die Testmethode nicht durch Alternativen ersetzbar ist. Staaten, welche die EU mit Kosmetikprodukten beliefern, aber die nicht Teil der EU sind, können versuchen diese Verbote anzufechten und sich dabei auf die Regeln des freien Handels der Welthandelsorganisation (WTO) stützen.

Zudem sind gewisse Kosmetik-Tierversuche bis 2013 oder sogar länger erlaubt, nämlich solche, die längerfristige schädliche Auswirkungen von Produkten - etwa die Entstehung von Krebs oder Geburtenfehler - untersuchen. Nur wenn auch für diese Prüfungen Alternativen gefunden werden, tritt das Vollverbot zumindest bei kosmetischen lnhaltsstoffen in Kraft. Für die Umwelttoxikologie, für den Chemie- und Pharmabereich sowie für die Grundlagenforschung ist eine vergleichbare Regelung hingegen nicht in Sicht.

Weltweit werden jährlich Millionen von Tieren für Versuche geopfert, in der EU lag ihre Zahl im Jahr 2005 (veröffentlicht 2007) bei über 5000 Tieren. Bezogen auf die Gesamtzahl der Tierversuche in der EU ist dies zwar nur weniger als 1 Prozent, doch die Zahl der Kosmetik-Tierversuche ist gestiegen, seit der Veröffentlichung der Zahlen 2002 um 50 Prozent. Die größten Labors für Tierversuche für Kosmetik befinden sich in Frankreich, Deutschland und Spanien. Bei den Tests werden den Tieren, hauptsächlich Kaninchen, Mäusen und Ratten, aber auch Hunden und Affen, Substanzen in die Augen getropft (Daize-Test), oral verabreicht oder auf beziehungsweise unter die Haut gespritzt. Damit die Tiere diese Stoffe nicht ablecken können, stecken sie in Käfigen, in denen sie sich nicht bewegen können.

Kennzeichnung

Viele Konsumenten wissen mittlerweile um die Qualen der Versuchstiere, die Nachfrage nach tierversuchsfreier Kosmetik steigt. Doch es ist nicht einfach, solche Produkte zu finden: Viele Kosmetikfirmen kennzeichnen ihre Produkte mit irreführenden Behauptungen, so zum Beispiel "gegen Tierversuche" - das heißt aber nicht unbedingt, dass diese Produkte oder ihre Inhaltsstoffe nicht an Tieren getestet wurden; "dieses Produkt wurde nicht an Tieren getestet" - das heißt jedoch nicht, dass die Inhaltsstoffe des Produktes nicht an Tieren getestet wurden; "unser Unternehmen testet nicht an Tieren" - die Zulieferer dieser Unternehmen, andere Firmen, oder Partnerunternehmen können dieses Produkt oder seine Inhaltsstoffe aber sehr wohl an Tieren getestet haben. Außerdem schließt dies nicht aus, dass das Unternehmen Inhaltsstoffe verwendet, welche an Tieren getestet wurden. "Unser Unternehmen verwendet keine Inhaltsstoffe, welche in den letzten fünf/zehn Jahren an Tieren getestet wurden" - solange kein fixes Datum erwähnt wird, an der sich die Bestimmung orientiert (z. B. nach 1995), heißt das nicht, dass das Unternehmen nicht, sobald die erwähnte Anzahl von Jahren verstrichen ist, neue Inhaltsstoffe, welche an Tieren getestet wurden verwenden wird; "enthält keine Tierprodukte" oder "enthält natürliche Inhaltsstoffe" - diese Aussagen geben keinerlei Auskunft über die Produkte und deren Inhaltsstoffe und ob diese an Tieren getestet wurden. Um wirklich tierversuchsfreie Produkte anzubieten, muss ein Unternehmen Folgendes beachten: Die Produkte und all ihre Inhaltsstoffe dürfen nach einem bestimmten, fixen Datum nicht mehr an Tieren getestet worden sein; das Unternehmen welches die Produkte herstellt, darf keinerlei Tierversuche veranlassen, befürworten oder finanzieren. Das heißt gleichzeitig, dass die Produkte oder Inhaltsstoffe in keiner Phase der Entwicklung, der Produktion oder der Vermarktung des Produktes vom Unternehmen selbst oder durch Vertragsfirmen an Tieren getestet werden dürfen.

Die zwei bekanntesten Gütesiegel für tierversuchsfreie Kosmetik sind die des Deutschen Tierschutzbundes und dem "Internationalen Herstellerverband gegen Tierversuche in der Kosmetik" (IHTK) sowie der Humane Cosmetic Standard (HCS). Die Veganblume dagegen kennzeichnet Produkte, die frei von tierischen Inhaltsstoffen sind.

Der Hase mit der schützenden Hand des IHTK ist das strengste Gütesiegel und garantiert absolute Tierversuchsfreiheit. Bei den Kosmetikmarken auf der Positivliste werden keine Inhaltsstoffe verwendet, die nach 1979 an Tieren getestet wurden. Außerdem sind Inhaltsstoffe toter Tiere beziehungsweise aus tierquälerischer Gewinnung ausgeschlossen (etwa Nerzöl, Murmeltierfett, Seide, Cochenilleläuse, Bärengalle oder Ähnliches.). Und es darf keine wirtschaftliche Abhängigkeit zu Firmen bestehen, die Tierversuche durchführen oder in Auftrag geben.

Das HCS-Siegel, das auch als "leaping bunny" bekannt ist, ist nicht so streng wie das des Deutschen Tierschutzbundes: Ab einem vom jeweiligen Unternehmen festgesetzten Datum dürfen keine Rohstoffe im Tierversuch getestet sein und das einmal festgesetzte Datum darf nicht mehr geändert werden, davon ausgenommen sind allerdings Rohstoffe, die für einen anderen Bereich an Tieren getestet werden, etwa für Chemikalien oder aus medizinischen Gründen. Dennoch bedeutet es einen nahezu weltweiten Standard, nach welchen Kriterien ein Produkt als "tierleidfrei" gilt. Damit ist es auch ein internationales Logo, das weltweit immer mehr Kosmetikfirmen anstreben.

Die Veganblume wird von der Vegan Society in Großbritannien vergeben und kennzeichnet Lebensmittel, Kosmetika oder Reinigungsmittel, die keine tierischen Inhaltsstoffe beinhalten. Auch der Herstellungsprozess ist tierbestandteilfrei. Tierversuche sind laut Kriterien zwar untersagt, doch bietet dieses Gütesiegel nicht dieselbe Sicherheit wie etwa die Prüfung durch den Deutschen Tierschutzbund oder das IHTK-Siegel.

Konsumenten haben das Recht, kritisch zu sein, und sie sollten dieses Recht auch wahrnehmen. Warum sollte aus Kosmetik daher nicht "Kosmethik" werden?