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Ohne Antragsfleiß kein Preis

Von Heiner Boberski

Wissen

Hohe Förderungen gehen an Projekte, die hohen Personaleinsatz erfordern.


Wien. Sie stehen im Rampenlicht der österreichischen Wissenschaftsszene: die Träger des als "Austro-Nobelpreis" gehandelten Wittgenstein-Preises, der heuer an die Physikerin Ulrike Diebold ging, und jene der Start-Preise für den Forschernachwuchs. Dass Vertreter der Sozial- und Geisteswissenschaften relativ selten in den Genuss dieser Preise kommen, ist Faktum.

Auch 2013 zählte nur einer von ihnen zu den neun Start-Preisträgern - der aus Italien stammende Islamwissenschafter Paolo Sartori. Er arbeitet am Institut für Iranistik der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) an dem Projekt "Der Blick des Archivs - Dokumentieren und Regieren im islamischen Mittelasien".

Den Wittgenstein-Preis und die Start-Preise vergibt der Wissenschaftsfonds FWF, die Entscheidungen fällt eine internationale Jury - nur die Person, die das Protokoll führt, stamme aus Österreich, betonte der jüngst abgetretene FWF-Präsident Christoph Kratky. Es wäre aber zu simpel, die Dominanz der Naturwissenschaften bei den Preisträgern nur auf die Mehrheit von Naturwissenschaftern unter den Jury-Mitgliedern zurückzuführen. Denn auch unter den Antragstellern sind die Sozial- und Geisteswissenschafter in der Minderheit.

Für Stefan Bernhardt vom FWF ergibt eine Analyse der Anträge und Bewilligungen für die Programme Start und Wittgenstein ein differenziertes Bild. Beide Programme seien eher für Disziplinen interessant, "die aus unterschiedlichsten Gründen in größeren Gruppen, also teamorientierter arbeiten als andere". Das sei aber eher in den Natur- und Lebenswissenschaften der Fall als in den Geistes- und Sozialwissenschaften, die ihrerseits den FWF oft erfolgreich für Einzelprojekte oder selbständige Publikationen nutzen. Auf sämtliche FWF-Förderungen bezogen, liege das Größenverhältnis der drei Disziplinen-Blöcke Geistes- und Sozialwissenschaften, Life Sciences sowie Naturwissenschaften und Technik über die Jahre bei 20:40:40. 20 Prozent für die Geistes- und Sozialwissenschaften sei im internationalen Vergleich ein sehr hoher Wert, in Großbritannien liege er für die "Humanities" und "Social Sciences" bei weniger als 10 Prozent, in Deutschland bei etwa 14 Prozent.

Am erfolgreichsten beim Einwerben von Fördermitteln seien innerhalb der Geistes- und Sozialwissenschaften "Disziplinen, in denen hoher Personaleinsatz und Teamarbeit üblich sind", zum Beispiel die Altertums- und Geschichtswissenschaften, erklärt Bernhardt. Start und Wittgenstein fallen unter "Exzellenzförderung", von diesen Programmen fühlten sich jene Disziplinen "stärker angesprochen, die bereits internationales Top-Niveau erreicht haben und diesen Anspruch in gewisser Weise in Richtung Nachwuchs tradieren". Das erkläre den hohen Anteil der Naturwissenschaften.

Wer weniger einreicht, hat weniger Chancen auf Erfolg

Betrachtet man die nüchternen Zahlen, so gab es von 1996 bis 2013 insgesamt 922 Anträge für Start- und Wittgenstein-Preise, davon wurden 135 Projekte bewilligt. Auf Naturwissenschaften und Technik entfielen 51,9 Prozent der Anträge und stolze 60,5 Prozent der Bewilligungen, auf die Life Sciences 31,9 Prozent der Anträge, aber nur 25,9 Prozent der Bewilligungen, auf Sozial- und Geisteswissenschaften lediglich 16,2 Prozent der Anträge und 13,6 Prozent der Bewilligungen. Mit Blick auf die Relationen dieser Statistik meint Stefan Bernhardt: "Die wenigen Geisteswissenschafter, die bei Start oder Wittgenstein einreichen beziehungsweise nominiert werden, sind nicht weniger erfolgreich als beispielsweise die Life Sciences."

Wenn die Sozial- und Geisteswissenschaften in Österreich manchmal wie die Stiefkinder der Forschungsförderer wirken, so liegt das also eben auch daran, dass sie bei manchen Förderungen - wie etwa Wittgenstein oder Start - weniger Anträge stellen als andere. Immerhin hat es aber auch schon Wittgenstein-Preise für Vertreter von ihnen gegeben. Der "Austro-Nobelpreis" liegt also für exzellente Geistes- und Sozialwissenschafter in Reichweite - der echte Nobelpreis hingegen bekanntlich nicht.